Tauopathien, wie z.B. die Alzheimer-Krankheit (AK), sind eine heterogene Klasse von neurodegenerativen Erkrankungen, die ein gemeinsames pathologisches Merkmal aufweisen: die Ablagerung von abnormal phosphoryliertem Tau-Protein in Neuronen oder Gliazellen im Gehirn. Die Aggregation von Tau ist mit Punktmutationen des Tau-Gens, Veränderungen in der Tau-Isoform-Homöostase und vielen verschiedenen post-translationalen Modifikationen (PTMs) assoziiert. Insbesondere wird der pathologische Zustand vom Tau-Protein oft als "hyperphosphoryliert" bezeichnet, da Phosphorylierung im pathologischen Zustand im erhöhten Maße und an unphysiologischen Stellen auftritt. Die Entschlüsselung der Rolle von Tau-Phosphorylierung und anderen PTMs ist ein wichtiges Ziel im Forschungsbereich der Neurodegeneration, da diese zur Bestimmung von molekularen Targets für prognostische und diagnostische Ansätze sowie für therapeutische Strategien benutzt werden könnte. Obwohl derzeitige Technologien, insbesondere die Massenspektrometrie (MS)-basierte Proteomik, eine detaillierte Kartierung von Phosphorylierungsstellen und anderen Tau-PTMs ermöglicht haben, ist es derzeit nicht eindeutig, welche PTMs krankheitsrelevant sind, da diese qualitativen Studien nur begrenzt Informationen über die Funktionalität der einzelnen Modifikationen liefern. Zudem können nur leicht nachweisbare Veränderungen mit diesen Techniken beobachtet werden. Um funktionsrelevante PTMs zu identifizieren, ist es unentbehrlich, umfassende und quantitative Daten zu gewinnen.
Das Ziel dieser Arbeit war die Entwicklung eines Analyseverfahrens, das Tau und seine PTMs in einer präzisen Art und Weise quantifizieren kann. Der entwickelte Assay, FLEXITau genannt, ist ein empfindlicher MS-basierter Test, der unveränderte Peptide von Tau (also ohne PTMs) im quantitativen Vergleich zu schweren Tau-Peptiden misst. Diese stammen von einem Protein-Standard, der mit schweren Isotopen markiert ist. Hierdurch kann indirekt, aber präzise, der Bruchteil der modifizierten Peptide abgeleitet werden. In Kombination mit traditionellen PTM-Analysen kann die Stelle der Modifikation teilweise mit Aminosäure-genauer Auflösung bestimmt werden. Um die Verwendbarkeit des Assays zu testen, wurde hyperphosphoryliertes Tau in Sf-9-Insektenzellen, einem Zellmodell für AK, exprimiert und dessen Tau-PTM Muster analysiert. Hierbei wurden über 20 Sf-9-Tau Phosphorylierungsstellen lokalisiert und deren Besetzung berechnet. Zudem wurde FLEXITau dazu benutzt, das Tau-PTM Muster vergleichsweise in AK-post-mortem Gehirnproben zu bestimmen. Die Ergebnise bestätigten, dass Regionen, die Erkennungssequenzen für AK-spezifische Antikörper enthalten, im Sf-9-Tau tatsächlich ähnlich stark modifiziert sind wie im AK-Tau. Allerdings zeigten andere Regionen große Unterschiede in ihrem PTM-Muster, was offenbart, dass das Sf-9-Tau nur beschränkt als Modellsystem für AK-Tau geeignet ist.
Die differentielle Diagnose von Tauopathien, sowohl klinisch als auch post-mortem, wird erschwert durch Uneindeutigkeit der Symptome, durch Überlappung vieler pathologischer Merkmale, aber auch durch mangelnde Zuverlässigkeit der aktuellen Diagnose-Methoden. Daher wurde im zweiten Teil dieser Arbeit FLEXITau angewandt, um Unterschiede und Ähnlichkeiten im Modifikationsmuster von Tau in menschlichem post-mortem-Gehirngewebe aus mehreren Tauopathien zu identifizieren, und zwar von Patienten mit AK, progressiver supranukleärer Blickparese (PSP), Pick-Krankheit (PiK), cortikobasaler Degeneration (CBD) sowie von Personen ohne Demenzerkrankung (Kontrolle). Die FLEXITau Daten zeigten, dass jede Krankheit eine eindeutige molekulare Zusammensetzung von Tau aufweist, eine Art Signatur, bestimmt durch die Verteilung von Tau-PTMs und Isoformen. Durch „überwachtes maschinelles Lernen“ (engl. supervised machine learning) wurden bestimmte Peptidmerkmale aus den FLEXITau-Daten herausgefiltert und dazu verwendet, einen Klassifizierungs-Algorithmus zu erstellen, der in der Lage ist, jede Krankheitskategorie von den anderen zu unterscheiden. Die Leistungsfähigkeit der entwickelten Methode zur Diagnose von Tauopathien wurde mit einem unabhängigen post-mortem-Datensatz validiert, und erreichte Genauigkeiten von 80% für PSP, 92% für PiK, 94% für CBD und Kontrollen, sowie 96% für AK.
Insgesamt zeigen diese Ergebnisse, dass FLEXITau ein vielseitiger Test ist, der Tau-PTMs mit neuartiger Präzision misst, und so auf eine Vielzahl biologischer und klinischer Fragen angewendet werden kann.
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Tauopathien, wie z.B. die Alzheimer-Krankheit (AK), sind eine heterogene Klasse von neurodegenerativen Erkrankungen, die ein gemeinsames pathologisches Merkmal aufweisen: die Ablagerung von abnormal phosphoryliertem Tau-Protein in Neuronen oder Gliazellen im Gehirn. Die Aggregation von Tau ist mit Punktmutationen des Tau-Gens, Veränderungen in der Tau-Isoform-Homöostase und vielen verschiedenen post-translationalen Modifikationen (PTMs) assoziiert. Insbesondere wird der pathologische Zustand vom...
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