Azimuthalortung lässt sich, insbesondere im tieffrequenten Spektralbereich, auf die Bestimmung interauraler Zeitdifferenzen (ITDs) zurückführen. Die dafür relevanten Frequenzen liegen, je nach Tier, im Bereich zwischen 20 Hz und 9 kHz. Die vorliegende Arbeit untersucht, wie unterschiedliche Arten der neuronalen Repräsentation des Stimulusazimuths über synaptische Entwicklung im heranwachsenden Tier entstehen können. Dazu werden sowohl Computersimulationen, als auch analytische Betrachtungen zur Dynamik der synaptischen Verbindungen herangezogen. Es werden zwei, zunächst konträr erscheinende, neuronale Modelle zur Repräsentation interauraler Zeitdifferenzen vorgestellt. Das erste geht zurück auf Jeffress (1948), der ein Netzwerk postulierte, welches die Stimulus-ITD topographisch auf den Ort derjenigen Zelle abbildet, die mit höchster Rate feuert. Ein derartiges Raten-Orts-Prinzip nennt man auch Karte. Die Schleiereule ist ein bekanntes Beispiel für ein Tier, das derartige ITD-Karten besitzt. Es wird gezeigt, wie ein spezieller Lernalgorithmus die Jeffress-Karte der Schleiereulen erklären kann. Das zweite hier diskutierte Modell zur ITD-Repräsentation wurde von McAlpine (2001) vorgeschlagen, der die Idee von Bekesys (1930) aufgriff, dass die Stärke der neuronalen Aktivierung einer dazu geeigneten Zellgruppe eine monotone Funktion des Stimulusazimuths ist. Dabei codieren hohe Feuerraten einen Azimuth auf der contralateralen Seite, niedrige Feuerraten einen Azimuth auf der ipsilateralen Seite. Um die Jeffressche Karte zu erklären, kombinieren wir eine homosynaptische Lernregel, die Tuningkurven mit der hohen zeitlichen Präzision weniger 10 Microsekunden erklären kann, mit einem präsynaptisch unspezifischen Anteil, der als axonvermitteltes synaptisches Lernen (AMSL) bezeichnet wird. Dabei werden alle synaptischen Veränderungen zu einem kleinen Prozentsatz auch allen anderen Synapsen ein und desselben Axons aufgeschlagen. Dieser Lernmechanismus und die spezielle Anatomie des Nucleus Laminaris, der ersten Station in der aufsteigenden Hörbahn, die neuronale Aktivität von beiden Ohren erhält, schaffen die Voraussetzungen für eine sich selbstorganisierende Entwicklung einer ITD-Karte, in der benachbarte Zellen Zeitdifferenzen mit wenigen Microsekunden Unterschied kodieren. Die Lernprozedur wählt hierbei Axone nach ihren Verzögerungszeiten so aus, dass die zeitliche Dispersion der in mehreren 100 Nervenfasern entlang laufenden neuronalen Aktivität stark reduziert wird. Analytische Überlegungen vervollständigen das Bild, wie AMSL zur Kartenbildung beiträgt und stellen auf abstrakterer Ebene eine Grundlage bereit, die die Auswirkungen neuronalen Rauschens und der Modellparameter auf die Synapsendynamik verstehen lässt. So ist es möglich, eine Obergrenze für die Stärke des axonvermittleten Lernens abzuschätzen. Auch kann gezeigt werden, wie nichtlineare Neuronmodelle Vorteile bei der axonalen Verzögerungsselektion besitzen. Das zweite neuronale Modell, welches wir behandeln, wurde von McAlpine (2001) vorgeschlagen. Seine Messungen im Meerschweinchen zeigen auf, dass die Zellen alle bei etwa derselben ITD maximal antworten und so eine Jeffress-Karte ausschließen. Das daraus gefolgerte Ratengradientenprinzip wird durch synaptische Lernregeln realisiert, wenn man gleichzeitige exzitatorische und inhibitorische Plastizität annimmt. Eine Ausweitung des Ratengradientenmodells auf das ursprüngliche von Bekesy-Modell, welches neben dem Ratengradienten- auch einen Orts-Code beinhaltet, ist ebenfalls durch AMSL möglich. Damit lässt sich, abhängig vom evolutorischen Druck auf die Präzision der Azimuthalortung und dem Kopfdurchmesser, ein gradueller Übergang des Repräsentationsprinzips vom Ratengradienten- zum Kartenmodell verstehen. Als Verbindungsglied zwischen beiden Extremen dient das von Bekesy-Modell. Tiere mit kleinem Kopfdurchmesser und wenig ausgeprägtem Lokalisationsvermögen sollten dabei vorzugsweise die Azimuthalortung anhand des Ratengradientenmodells bestreiten, Tiere mit größerem Kopf oder hohem Lokalisationsvermögen verwenden einen Raten-Orts-Code.
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Azimuthalortung lässt sich, insbesondere im tieffrequenten Spektralbereich, auf die Bestimmung interauraler Zeitdifferenzen (ITDs) zurückführen. Die dafür relevanten Frequenzen liegen, je nach Tier, im Bereich zwischen 20 Hz und 9 kHz. Die vorliegende Arbeit untersucht, wie unterschiedliche Arten der neuronalen Repräsentation des Stimulusazimuths über synaptische Entwicklung im heranwachsenden Tier entstehen können. Dazu werden sowohl Computersimulationen, als auch analytische Betrachtungen zur...
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