Milch stellt eine der elementarsten Nahrungsquellen dar. Die somatische Zellzahl (SCC) ist einer der wichtigsten Parameter für die Beurteilung von Milchhygiene und -qualität. Diese umfasst alle Zelltypen in der Milch und ist daher ein entscheidender Indikator für die Aktivität der zellulären Immunabwehr des Euters sowie für Eutergesundheit und -physiologie. Da jeder Zelltyp seine eigene spezifische Aufgabe während der Immunantwort übernimmt, kann aus deren Verteilung in der Milch direkt auf den immunologischen Zustand des Drüsengewebes geschlossen werden. Das Ziel der vorliegenden Arbeit lag in der Betrachtung der Aussagekraft der SCC, sowohl aus technologischer als auch aus physiologischer Sicht, sowie deren Verstärkung durch die Etablierung neuer Methoden zur differenzierten Zellzählung. Obwohl die Immunzellen eine entscheidende Rolle innerhalb der Physiologie der Milchdrüse einnehmen, müssen sie während der Verarbeitung entfernt werden. Der kritische Schritt für die Abtrennung der Milchzellen ist dabei die Zentrifugation. Der Einfluss der technologischen Verarbeitung auf die SCC wurde durch Simulation dieses Zentrifugationsschrittes im Labor analysiert. Erstaunlicherweise befanden sich dabei Zellen nicht nur im erhaltenen Pellet, sondern auch in der Fettphase. Dies lässt auf eine Affinität der Fettkügelchen zur Membran der Immunzellen schließen, welche zu einem Auftrieb der Zellen in die obere Fraktion führt. Es zeigte sich, dass dieses Phänomen durch die Erhöhung der Zentrifugalkraft (RCF), der Zentrifugationszeit sowie -temperatur teilweise überwunden werden kann. Die nachfolgende Untersuchung von zwei industriellen Produktionslinien zeigte, dass im Verlauf der Milchverarbeitung der Schritt der Baktofugation effektiver als der Milchseparator ist. Daher kann eine Platzierung der Baktofuge vor dem Milchseparator zu einer besseren Zellabtrennung führen. Für den umgekehrten Fall der wissenschaftlichen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass der Zentrifugationsschritt an die Ziele des Forschers angepasst werden muss. Wenn z.B. Arbeiten an lebenden Zellen angestrebt werden, müssen moderate RCF gewählt werden, da hohe Werte zur Zerstörung der Zellen und deren Tod führen. Um die immunologische Beurteilung mittels Zellzahl sowie deren Aussagekraft weiter zu verbessern, wurde ein zweiter Parameter, das Zelldifferentialbild, etabliert. Dies erfolgte durch die Entwicklung einer Färbemethode zur Charakterisierung einzelner Zellpopulationen in der Milch. Hierzu wurde die für Blutproben verwendete Pappenheim-Färbung modifiziert und an die Matrix Milch angepasst. Die Untersuchungen zeigten unter dem Mikroskop klare Unterschiede im Erscheinungsbild aller Immunzellen. Die Methode wurde dann für eine Reihe von Untersuchungen an Milchfraktionen verwendet, welche während der Routinemelkung unter bestimmten physiologischen Eutergesundheitszuständen gewonnen wurden. Dabei zeigte sich ein klarer Zusammenhang zwischen der differenzierten Zellzahl und der Immunologie des Eutergewebes. Milch von Eutern mit sehr niedriger Zellzahl verfügte über einen hohen Anteil an Lymphozyten und dementsprechend geringe Mengen an Makrophagen und polymorphkernigen Neutrophilen (PMN). Da die Immunantwort des Euters hauptsächlich durch letztere Zelltypen reguliert wird, kann hieraus auf eine signifikant verringerte immunologische Aktivität geschlossen werden. Zusätzlich erwies sich die genaue Definition der jeweiligen Milchfraktion als entscheidend, wenn eine Beurteilung der Milchqualität und des Eutergesundheitsstatus auf der Basis von Zellzahl und Zelldifferentialbild erfolgen soll. In diesem Zusammenhang kann sich sogar reines Vorgemelk in seiner Zusammensetzung extrem von Zisternenmilch unterscheiden. Zusätzlich zur direkten visuellen Zellbestimmung wurden die mRNA-Expressionen verschiedener Entzündungsfaktoren in den einzelnen Milchfraktionen untersucht. Die dabei erhaltenen Ergebnisse untermauerten generell die Schlussfolgerungen des Zelldifferentialbildes, da erhöhte mRNA-Expressionswerte der jeweiligen Gene zusammen mit steigender Zellzahl auf eine höhere Aktivität der Immunzellen hindeuteten. Im Gegenzug unterstrichen sehr niedrige mRNA-Expressionswerte die verminderte Immunantwort in Eutervierteln mit sehr niedriger Zellzahl. Diese Ergebnisse deckten sich klar mit dem aus der Zellzusammensetzung erhaltenen physiologischen Gesamtbild. Die Durchflusszytometrie wurde als ein weiteres Werkzeug für die Zelldifferenzierung eingesetzt. Es konnte gezeigt werden, dass die FACS-Analytik prinzipiell an Milchzellen angepasst werden kann. Allerdings konnten die Ergebnisse dieser Messungen nicht direkt mit den mikroskopisch erzielten Werten verglichen werden, da die verwendeten Antikörper nicht nur einen Zelltyp erkannten. Diapedese stellte sich als das Hauptproblem heraus, da sich durch sie die Oberfläche der Milchzellen verändert und gebräuchliche Antikörper somit Kreuzreaktionen eingehen. Letztlich zeigen die erhaltenen Ergebnisse, dass die Zusammensetzung der Milchfraktionen in den unterschiedlichen Euterkompartimenten deutlich die Rolle der somatischen Zellen bei der Immunantwort widerspiegelt. Besonders die differenzierte Zellzahl ermöglicht wichtige Rückschlüsse, da jeder Zelltyp über seine eigene spezifische Funktion bei der Immunantwort verfügt. Weiterhin stellte sich heraus, dass die genaue Definition der gewonnenen Milchfraktion für die Aussagekraft der Gesamtzellzahl sowie die Beurteilung des Eutergesundheitszustandes von entscheidender Bedeutung ist. Die Anwendung der hier eingeführten Methoden sowie die genaue Berücksichtigung der erwähnten Parameter ermöglichen neue, tiefer gehende Einblicke in die Euterimmunologie.
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Milch stellt eine der elementarsten Nahrungsquellen dar. Die somatische Zellzahl (SCC) ist einer der wichtigsten Parameter für die Beurteilung von Milchhygiene und -qualität. Diese umfasst alle Zelltypen in der Milch und ist daher ein entscheidender Indikator für die Aktivität der zellulären Immunabwehr des Euters sowie für Eutergesundheit und -physiologie. Da jeder Zelltyp seine eigene spezifische Aufgabe während der Immunantwort übernimmt, kann aus deren Verteilung in der Milch direkt auf den...
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