Die vorliegende Arbeit zeigt in ihrem ersten Abschnitt einen Überblick über das Thema der medizinischen Entscheidungsfindung und eine Zusammenfassung der wichtigsten Publikationen im Bereich der Psychiatrie. Als Beitrag zur deskriptiven Entscheidungsforschung im psychiatrischen Fachgebiet präsentiert sie in ihrem empirischen Teil die Ergebnisse einer Erhebung an 97 Ärzten aus 9 psychiatrischen Kliniken in Süddeutschland, die Auskunft über ihre Therapieentscheidungen und Behandlungsgewohnheiten in der Therapie der Schizophrenie gaben. Das Ziel der Untersuchung bestand darin, die Gründe zu erfahren, welche Ärzte dazu veranlassen, unter den bestehenden Neuroleptika auszuwählen, sowie Kriterien zu deren Dosierung zu eruieren. Klinisch tätige Ärzte, die einen schizophrenen Patienten behandelten, wurden in die Studie miteingeschlossen. Am Ende werden Begründungen und Kriterien mit den Empfehlungen von Behandlungsleitlinien diskutiert. Zum einen wurden allgemeine Entscheidungskriterien ermittelt, zum anderen Fragen zur Behandlung eines konkreten Patienten gestellt. Was allgemeine Kriterien betrifft, so wurden viele verschiedene Aspekte aufgezählt, wohingegen im konkreten Fall wenige Gründe eine Rolle spielten. Bei der Wahl des Antipsychotikums waren Symptomatik und Anamnese von Wichtigkeit: Neuroleptika, die in der Vergangenheit ein gutes Ansprechen gezeigt hatten, werden bevorzugt verordnet. Angaben der wissenschaftlichen Literatur sind in beiden Fällen kaum von Bedeutung. Außer den genannten Variablen konnten andere nicht-medizinische Faktoren, wie die Versicherung des Patienten und der Kliniktyp als Einfluss auf die Substanzwahl festgestellt werden. Kriterien für die Höhe der Dosierung waren Schweregrad der Erkrankung und Behandlungsstandards, sowie Standard und Symptomfreiheit als Begründung beim konkreten Patienten. In 6 Kliniken existieren Medikations- und Dosierungsstandards, die eine große Rolle spielen. Bei dem Zeitraum, in dem die spezifisch antipsychotische Response erwartet wird, orientieren sich mehr als die Hälfte der Ärzte an ihrer eigenen Erfahrung und würden zu 80% von einer Response, die sich schon vor dem Ablauf von 4 Wochen manifestiert, ausgehen. Auf die Frage, wie lange sie bei einem Patienten darauf warten würden, zeigten ihre angegebenen Zeiträume, dass sie zu 67% vor dem Ablauf von vier Wochen umstellen würden und stünden damit in klarer Diskrepanz zu den Empfehlungen der Leitlinie. Nach ihrer Kenntnis von Behandlungsleitlinien zur Schizophrenie befragt, konnten weniger als die Hälfte konkrete Angaben machen und nur 35% der Befragten Leitlinien im eigentlichen Sinne benennen. Ihren schizophrenen Patienten verordneten die Ärzte zu Behandlungsbeginn zu etwa zwei Dritteln typische Neuroleptika, zu einem Drittel atypische Neuroleptika. Bei mehr als zwei Drittel der Patienten kam es innerhalb der ersten vier Behandlungswochen meist aufgrund von Therapieresistenz und Nebenwirkungen zu einer Therapieänderung, nach der im ganzen dann zwei Drittel der Patienten ein atypisches Neuroleptikum erhielten. Für ihre eigenen ersterkrankten Patienten empfahlen nur 50% der Ärzte den empfohlenen Zeitraum von 1-2 Jahren, 23% der Therapeuten verordneten die neuroleptischen Rezidivprophylaxe ihren mehrfacherkrankten Patienten für einen zu kurzen Zeitraum. Die allgemeinen Empfehlungen für die neuroleptische Rezidivprophylaxe bei suizidgefährdeten und fremdaggressiven Patienten wiesen die größte Unstimmigkeit auf: Die Hälfte der Ärzte plädierte entweder für individuelle Entscheidungen, Zeiträume in Abhängigkeit der Krankheitsphasen oder gaben an, zu diesem Aspekt keine Vorstellung zu haben. Die Wirksamkeit psychoedukativer Gruppenprogramme wurde überwiegend drastisch unterschätzt. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen Entscheidungsbegründungen von Ärzten, wie diese sie selber spontan genannt hatten- ein Aspekt der bisher noch nicht erforscht worden ist. Aufgrund der vielfach gezeigten Heterogenität der gegebenen Antworten scheint es sinnvoll, das Studium der von den Fachgesellschaften publizierten Leitlinien den Klinikern zu empfehlen um Orientierungshilfe bei Behandlungsfragen zu leisten und um Entscheidungsfindung zu erleichtern.
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Die vorliegende Arbeit zeigt in ihrem ersten Abschnitt einen Überblick über das Thema der medizinischen Entscheidungsfindung und eine Zusammenfassung der wichtigsten Publikationen im Bereich der Psychiatrie. Als Beitrag zur deskriptiven Entscheidungsforschung im psychiatrischen Fachgebiet präsentiert sie in ihrem empirischen Teil die Ergebnisse einer Erhebung an 97 Ärzten aus 9 psychiatrischen Kliniken in Süddeutschland, die Auskunft über ihre Therapieentscheidungen und Behandlungsgewohnheiten i...
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