Die von Kinasen vermittelte Proteinphosphorylierung von Serin-, Threonin- und Tyrosin-Seitenketten ist eine essentielle, posttranslationale Modifikation, die einen Großteil der physiologischen und krankheitsassoziierten, zellulären Signalverarbeitung steuert. In den letzten Jahren hat sich die Massenspektrometrie-basierte Proteomik zur Kerntechnologie für die großangelegte, explorative und Proteom-weite Untersuchung des Kinoms und assoziierter Phosphorylierungsvorgänge entwickelt.
Aufgrund der geringen Stöchiometrie müssen phosphorylierte Peptide vor der eigentlichen Messung angereichert werden. In diesem Zusammenhang beschreibt Kapitel 2 dieser Arbeit die Entwicklung einer Methode, die auf einer mit Eisenionen beladenen Metallchelat-Affinitätschromatographie (IMAC) Säule basiert. Dadurch war es möglich, die Gesamtheit an Phosphopeptiden chromatographisch, ohne Bevorzugung bestimmter physikochemischer Eigenschaften, in selektiver Art und mit hoher Reproduzierbarkeit aus komplexen, proteomischen Verdauen zu isolieren. Die Methode zeichnete sich durch eine effiziente Elution der gebundenen Phosphopeptide aus, skalierte linear mit der Menge an geladenem Ausgangsmaterial und übertraf alle anderen getesteten Anreicherungsmethoden (Titanium-IMAC, Titaniumdioxid). In Verbindung mit der erhöhten analytischen Tiefe durch eine Fraktionierung angereicherter Phosphopeptide mithilfe der hydrophilen Anionenaustausch-Chromatographie ist die Methode flexibel auf viele experimentelle Fragestellungen anwendbar. Darüber hinaus stellte die Studie die verbreitete Meinung, dass unterschiedliche Anreicherungsmaterialien komplementäre Phosphopeptidspezies isolieren, in Frage. Stattdessen legten die Daten nahe, dass die beobachtete Komplementarität durch eine Kombination aus Formatunzulänglichkeiten, ineffizienter Elution und unzureichender massenspektrometrischer Datenaufnahmegeschwindigkeit hervorgerufen wurde.
Trotz intensiver Bemühungen ist die Proteom-weite Kartierung von Phosphorylierungsstellen noch immer unvollständig. Daher lohnt es sich nach Alternativen zur Ergänzung bestehender Methoden zu suchen. In Kapitel 3 werden Matrix-unterstützte Laser-Desorption/Ionisierung (MALDI)- und Nano-Elektrosprayionisation (nESI)-Tandem Massenspektrometrie (MS/MS) hinsichtlich ihrer Fähigkeit, unterschiedliche Phosphopeptidspezies zu identifizieren, verglichen. MALDI-MS/MS begünstigte die Detektion saurer und phosphotyrosin-haltiger Phosphopeptide und wies dabei eine Orthogonalität auf, die mit der Verwendung alternativer Proteasen wie Asp-N, Arg-C, Chymotrypsin, Glu-C oder Lys-C in Kombination mit nESI vergleichbar war. Im Hinblick auf Phosphoproteomstudien stellt MALDI-MS/MS daher eine nützliche Ergänzung zu nESI-MS/MS dar.
Da die Kinaseaktivität in phosphoproteomischen Experimenten nur indirekt abgeleitet werden kann, beschäftigt sich Kaptiel 4 dieser Arbeit detailliert mit der Frage, ob immobilisierte Kinaseinhibitoren dazu geeignet sind, Kinasen aktivitätsabhängig zu binden. Dieses Konzept würde eine direkte Aktivitätsbestimmung ermöglichen. Dazu wurden durch Pervanadatbehandlung hervorrgerufene, zelluläre Aktivitätsänderungen von Kinasen zunächst mithilfe der quantitativen Phosphoproteomik bestimmt und dann mit der differentiellen Kinasebindung in einem chemoproteomischen Ansatz verglichen. Es hat sich gezeigt, dass eine aktivitätsabhängige Anreicherung von Kinasen nur sehr selten vorkam und dabei (i) von der individuellen Kinase, (ii) der eingesetzten immobilisierten Inhibitormatrix und (iii) dem zellulären Kinaseaktivitätsstatus abhing. Daher sollte die Bestimmung der Kinaseaktivität über chemoproteomische Methoden auf gut charakterisierte Fälle beschränkt bleiben und kann nicht generisch auf das komplette Kinom angewendet werden.
Das letzte Kapitel dieser Arbeit kombiniert Methoden, die in vorrangegangenen Kapiteln entwickelt, implementiert und untersucht wurden. Es beschreibt eine proteomische, chemoproteomische und phosphoproteomische Untersuchung der Wirkweise des Kinaseinhibitors Lapatinib und der Entwicklung von Resistenz gegen Lapatinib in einer ERBB2 überexprimierenden Brustkrebszelllinie. Die Ergebnisse deckten mehrere deregulierte, therapeutisch relevante Zielmoleküle (wie zum Beispiel eine verstärkte Aktivität von CDK1/2) und Phänotypen (wie zum Beispiel eine erhöhte Invasivität) auf. Ein Vergleich der Daten aus dieser Studie mit zuvor beschriebenen Resistenzmechanismen gegen ERBB2 gerichtete Therapien, legte eine große Heterogenität nahe, zeigte aber zugleich, dass die Abhängigkeit von der Glycolyse ein gemeinsames Resistenzmerkmal darstellt. Mechanistisch gesehen ging die Resistenz mit einer Veränderung der Phosphorylierung und in Folge dessen auch der Aktivität von LDHA und PDHA1 einher. Dies führte zu einer Erhöhung der anaeroben Glycolyse und einer gesteigerten Sensitivität der resistenten Zellen gegenüber Glycolyseinhibitoren. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass dieser umfassende, multiproteomische Ansatz eine tiefgehende Analyse der Signalwiederherstellung und einen Einblick in die molekularen Konsequenzen der Lapatinib-Resistenzentstehung ermöglicht hat.
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Die von Kinasen vermittelte Proteinphosphorylierung von Serin-, Threonin- und Tyrosin-Seitenketten ist eine essentielle, posttranslationale Modifikation, die einen Großteil der physiologischen und krankheitsassoziierten, zellulären Signalverarbeitung steuert. In den letzten Jahren hat sich die Massenspektrometrie-basierte Proteomik zur Kerntechnologie für die großangelegte, explorative und Proteom-weite Untersuchung des Kinoms und assoziierter Phosphorylierungsvorgänge entwickelt.
Aufgrund der...
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