Gegenwärtig ist in der deutschen Forst- und Holzwirtschaft eine Dynamik zu beobachten, die geprägt ist von zahlreichen Investitionsmaßnahmen der holzbe- und verarbeitenden Industrie zur Modernisierung und Erweiterung der Produktionskapazitäten. Gleichzeitig befindet sich die Forstwirtschaft in einem kontinuierlichen Reformprozeß, um ihrerseits auf diese teils tiefgreifenden Strukturveränderungen zu reagieren. Von beiden Marktpartnern wird speziell dem Bereitstellungsprozeß von Rundholz eine wesentliche Bedeutung beigemessen, ist doch die Holzvermarktung die mit Abstand wichtigste Einnahmequelle für die Forstwirtschaft und die kontinuierliche Rohstoffversorgung hat für die Industrie oberste Priorität. Ein Benchmarking von Holzernteketten verdeutlicht, daß sich die effizientesten und kostengünstigsten Strukturen insbesondere in Ländern finden, bei denen die Forstund Holzindustrie traditionell in einem Unternehmen integriert sind. Der theoretische Ansatz des Supply Chain Managements (SCM) eröffnet eine Möglichkeit, diese hierzulande bislang fehlende Integration zu kompensieren. Im Mittelpunkt dieses neuartigen Konzepts steht die betriebsübergreifende Planung und Steuerung der Wertschöpfungsketten. Im Gegensatz zu temporären Kooperationsformen basiert SCM auf einer langfristigen Form der Zusammenarbeit, bei der die bedeutendsten Beziehungen zu Unternehmen vor- und nachgelagerter Wertschöpfungsstufen auf ein Optimum ausgerichtet sind, das sich am Gesamtprozeß respektive dem Endprodukt orientiert. Eine herausragende Stellung nimmt dabei die Vernetzung der einzelnen Partner mittels leistungsfähiger Informations- und Kommunikationstechnologie (IuK) ein, um frühzeitig Unsicherheiten und Risiken innerhalb der Wertschöpfungskette zu verringern und dadurch Lagerbestände zu reduzieren, Durchlaufzeiten zu verkürzen und letztlich den Kundenservice zu verbessern. Mit zunehmender Komplexität werden dabei Steuerungsaufgaben und administrative Tätigkeiten vielfach an spezielle Dienstleister übertragen. Neben der Erarbeitung dieser theoretischen betriebswirtschaftlichen Grundlagen stellt die ausführliche Situationsanalyse zu den einzelnen Teilprozessen sowie der Rahmenbedingungen innerhalb der Holzerntekette den wesentlichen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit dar. Mit einem aufwendigen Methoden-Mix wurde eine sehr umfangreiche und äußerst detaillierte Datenbasis für hochmechanisierte Ernteverfahren und Transportvorgänge geschaffen. Mittels ausführlicher Zeitstudien wurden Leistungsdaten eines breiten Kollektivs von Erntemaschinen erfaßt, die mit Ergebnissen parallel durchgeführter Langzeitbeobachtungen abgeglichen wurden. Dadurch konnte belegt werden, daß Produktivitätsmodelle, die ausschließlich auf Zeitstudiendaten beruhen, die langfristig in der Praxis erzielbaren Leistungswerte teilweise deutlich überschätzen. Im Falle des Forwarders liegt die Differenz bei einem Faktor 1,4, beim Harvester bei 2. Wenngleich die Produktivität respektive die Holzerntekosten von zahlreichen spezifischen Einflußfaktoren abhängig sind, kristallisiert sich dennoch das mittlere Baumvolumen [Efm] des ausscheidenden Bestandes als wichtigste Kenngröße heraus. Um die operativen Prozesse vollständig abzubilden, wurde der Holztransport als wichtiges Glied der Holzerntekette ebenfalls intensiv beleuchtet. Durch die gesetzliche Limitierung zulässiger Gesamtgewichte hängt die Transportleistung wesentlich vom Leergewicht bzw. von der Nutzlast eines Fahrzeuges ab. In Fallstudien zeigte sich, daß sowohl bei der eingesetzten Fahrzeugtechnik als auch bei der Organisation der Holzabfuhr noch ein hohes Verbesserungspotential zu sehen ist. Gegenwärtig werden in Praxis und Wissenschaft alternative Transportkonzepte diskutiert, die sich speziell mit dem Einsatz kranloser Sattelzüge befassen. Voraussetzung ist jedoch eine Direktbeladung durch den Forwarder in unmittelbarer Nähe zur Rückegasse, da diese Verfahren gegenüber dem Kurzholzzug erst ab Transportentfernungen von ca. 120 km kostengünstiger sind. Durch die Zusammenführung aller erhobenen Leistungsdaten wurde für die operativen Prozesse ein Kalkulationsmodell erstellt, mit dem sich die Bereitstellungskosten Frei-Werk berechnen lassen. Dabei werden sowohl die wichtigsten Einflußfaktoren der jeweiligen Hiebsmaßnahme als auch unterschiedliche Auslastungsgrade des Erntesystems berücksichtigt. Durch Variation dieser Eingangsgrößen konnten mittels diverser Modellkalkulationen unterschiedliche Rationalisierungspotentiale aufgezeigt werden. Des weiteren lassen sich mit dem Kalkulationsmodell anhand der kumulierten Produktionsleistungen realistische Referenzwerte für Durchlaufzeiten einer Hiebsmaßnahme ableiten, was für den Teil operativer Holzernteprozesse erstmalig ein Benchmarking ermöglicht. Im Rahmen einer umfassenden Untersuchung, bei der die Bereitstellungsprozesse von 3.367 Holzpolter mit einem Volumen von annähernd 120.000 Fm Rundholz systematisch analysiert wurden, konnte belegt werden, daß zwischen Einschlagsbeginn und Anlieferung im Werk durchschnittlich 49 Tage vergehen. Berücksichtigt man im weiteren Verlauf die administrativen Prozesse bis zur endgültigen Abrechnung der gelieferten Sortimente, verstreichen weitere 39 Tage. Im Durchschnitt beträgt die Gesamtdurchlaufzeit somit 88 Tage. Dies bedeutet, daß die Leerzeiten fast dreimal größer sind als die reinen Prozeßzeiten. Wenngleich bislang keine umfassende wissenschaftliche Quantifizierung dieser suboptimalen Bereitstellungsprozesse vorliegt, so lassen sich allein die Zinskosten für gebundenes Kapital sowie Qualitätsverluste des Rundholzes durch Verblauung auf mindestens 2 €/Fm beziffern.1 Der Kerngedanke des betriebsübergreifenden SCM-Ansatzes basiert auf der Vermeidung derartiger Wertverluste und ineffizienter Prozesse. Voraussetzung ist jedoch eine größtmögliche Transparenz über Produktions- und Liefermengen. Der Informationsfluß gegenwärtiger Holzernteketten ist allerdings teilweise von gravierenden Defiziten gekennzeichnet. Diese beruhen primär auf einer fehlenden Standardisierung der Prozesse und EDV-Formate, einer mitunter mangelhaften Ausstattung zeitgemäßer Informations- und Kommunikationstechnologie sowie teils ungenügenden EDV-Kenntnissen einzelner Akteure. Insofern offenbart sich in dem Gesamtbild der Situationsanalyse in mancher Hinsicht eine große Diskrepanz zwischen gegenwärtiger Alltagspraxis und dem allgemeinen Anspruch an optimale Bereitstellungsprozesse respektive den noch weitreichenderen Ambitionen des Supply Chain Managements. Durch die Integration einzelner Wertschöpfungsketten zu einem Logistiknetzwerk eröffnet die Philosophie von SCM einen erfolgsversprechenden Ansatz, der sich in der Praxis bereits in anderen Branchen bewährt hat. In einem Soll-Konzept wurden technische und organisatorische Ansätze für ein betriebsübergreifendes Supply Chain Management für die Bereitstellungsprozesse des Rundholzes skizziert. Ein Schwerpunkt liegt dabei im Bereich informationstechnischer Reorganisationsmaßnahmen, da auch die organisatorischen Veränderungen vielfach eine Modifikation vorhandener IuK-Systeme bedingen. Die Einführung und konsequente Umsetzung dieser unumgänglichen Modernisierung inkompatibler EDV-Formate und IT-Anwendungen wird dabei wesentlich von einer flächendeckenden Anwendung und Nachfrage abhängig sein. Die gegenwärtigen Veränderungsprozesse innerhalb der gesamten Branche sind diesbezüglich als durchaus förderlich einzustufen. In einem Aktionsprogramm werden in der vorliegenden Arbeit mögliche Lösungsansätze beschrieben, mit denen das vorgestellte Soll-Konzept sukzessive in die Praxis umgesetzt werden kann. Es handelt sich dabei keineswegs um rein theoretische Ansätze, die erst zu entwickeln sind, bzw. um Lösungen aus dem Ausland, die an hiesige Strukturen angepaßt werden müssen. Vielmehr wurden einzelne Ernte- und Transportverfahren sowie entsprechende Logistiksoftware in eigenen Forschungsprojekten detailliert untersucht und deren Auswirkungen nach der Praxiseinführung dokumentiert. Augenfällige und meßbare Verbesserungen konnten so insbesondere bei der Implementierung zeitgemäßer IuK-Technologie sowie des Datenstandards ELDAT realisiert werden. Neben einer deutlichen Vereinfachung und Beschleunigung administrativer Tätigkeiten ließ sich innerhalb einer fünfmonatigen Implementierungsphase die Durchlaufzeit zwischen Hiebsbeginn und Endabrechung um durchschnittlich 25 Tage bzw. 28% reduzieren. Anhand diverser Kalkulationsbeispiele wurden verschiedene Stellgrößen aufgezeigt, aus denen sich insgesamt ein realistisch realisierbares Potential zwischen 4 bis 7 €/Fm ableiten läßt. Das effektive Potential, welches auch kalkulatorische Kosten wie etwa die Einweisung von LKWs berücksichtigt, dürfte dagegen mindestens doppelt so groß sein. Die Analyse hochmechanisierter Holzernteketten und die Erarbeitung möglicher Verbesserungsansätze stellt einen Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit dar. Die umfassende monetäre Quantifizierung des Rationalisierungspotentials sowie dessen Aufteilung an die einzelnen Akteure ist als eine eigenständige Thematik weiterer Forschungsarbeiten zu betrachten.
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Gegenwärtig ist in der deutschen Forst- und Holzwirtschaft eine Dynamik zu beobachten, die geprägt ist von zahlreichen Investitionsmaßnahmen der holzbe- und verarbeitenden Industrie zur Modernisierung und Erweiterung der Produktionskapazitäten. Gleichzeitig befindet sich die Forstwirtschaft in einem kontinuierlichen Reformprozeß, um ihrerseits auf diese teils tiefgreifenden Strukturveränderungen zu reagieren. Von beiden Marktpartnern wird speziell dem Bereitstellungsprozeß von Rundholz eine wese...
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