In der vorliegenden Arbeit wurden die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Vegetation alpiner Kalk-Magerrasen untersucht. Die Arbeit konzentriert sich dabei auf Bestände des Horst- und des Polsterseggenrasens, da diese zwei Gesellschaften die flächenmäßig bedeutendsten Vegetationseinheiten der alpinen Kalk-Magerrasen darstellen. Alle Untersuchungen wurden in der unteren bzw. mittleren alpinen Stufe des Nationalparks Berchtesgaden (SO-Deutschland; Nördliche Kalkalpen) durchgeführt. Um erwärmungsbedingte Vegetationsveränderungen zu untersuchen wurden zwei sich ergänzende methodische Vorgehensweisen angewandt und miteinander verknüpft: (1) Wiederholungsaufnahmen auf Quasi-Dauerflächen und (2) Erwärmungsexperimente. Ziel war es, durch die Kombination die methodenbedingten Restriktionen der einzelnen methodischen Ansätze abzumildern und somit die Aussagekraft der Ergebnisse insgesamt zu verbessern. (1) Im Rahmen des Wiederholungsflächenansatzes wurden im Jahr 2003 historische Aufnahmeflächen, die zwischen 1984 und 1988 vegetationskundlich beschrieben wurden, erneut aufgesucht und pflanzensoziologisch erhoben. Ziel der Arbeit war es, durch einen Vergleich der Aufnahmekollektive, Vegetationsveränderungen während der letzten ca. 15 Jahre aufzuzeigen und diese als allogene oder autogene Prozesse zu interpretieren. Dabei wurde insbesondere der Frage nachgegangen, ob der deutliche Temperaturanstieg innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte als Hauptursache der Veränderungen angesehen werden kann. Tatsächlich konnten ausgeprägte floristische Veränderungen nachgewiesen werden. Die Bestände des Horst- und des Polsterseggenrasens weisen dabei vergleichbare Entwicklungstendenzen auf: (a) Seit 1988 hat sich die mittlere Artenzahl sowohl im Polsterseggenrasen als auch im Horstseggenrasen um elf Arten erhöht. (b) Dieser Anstieg beruht im Wesentlichen auf einer Stetigkeitszunahme bereits damals vorhandener Arten und nicht auf einer Erweiterung der Gesellschafts-Artenpools (Hinzukommen neuer Arten). (c) Die Artenzahlzunahme ist auf ehemals artenarmen Flächen stärker ausgeprägt als auf 1988 schon artenreichen Flächen. (d) Die Arten, die in ihrer Stetigkeit deutlich zugenommen haben, zeichnen sich durch eine niedrige Wuchshöhe, vorzugsweise generative Reproduktion und leichte Samen („mobile“ Arten) sowie im Polsterseggenrasen zusätzlich durch einen späten Blühbeginn aus. Es sind allesamt typische Arten der alpinen Rasenstufe. (e) Arten, die in ihrer Stetigkeit zugenommen haben, haben gleichzeitig auch in ihrer mittleren Deckung zugenommen. Es zeigt sich, dass die floristischen Veränderungen am besten durch die globale Erwärmung erklärt werden können. Natürlich ablaufende Sukzessionsprozesse, Stickstoffeinträge, geänderte Landnutzungsformen und methodenbedingte Unschärfen spielen als Erklärungsmodelle für die Vegetationsveränderungen eine untergeordnete Rolle. (2) Um eine kausale Beziehung zwischen einer Temperaturerhöhung und Veränderungen der Vegetation nachweisen zu können, wurde zwischen 2002 und 2004 zusätzlich zu den Wiederholungserhebungen ein Erwärmungsexperiment in Beständen des Horstseggen- und des Polsterseggenrasens durchgeführt. Die Umgebungstemperatur der Pflanzen und die Oberbodentemperatur wurden mittels Open Top Chambers (OTCs) passiv erhöht. Die Konstruktion der OTCs erwies sich als günstig, da sie die Temperatur deutlich erhöhte, nicht aber den Wasserhaushalt der Bestände änderte. Durch einen Vergleich von erwärmten mit nicht erwärmten Flächen wurden die Auswirkungen einer Temperaturerhöhung auf Wachstum, Reproduktion und Phänologie ausgewählter Schlüssel-Arten untersucht. Bodenkundliche Untersuchungen sollten klären, ob neben direkten auch indirekte Temperatureffekte (verbesserte Nährstoffverfügbarkeit) für die Vegetation eine Rolle spielen. Durch einen Saatversuch wurde geprüft, ob sich die Etablierungswahrscheinlichkeit von Arten tieferer Lagen durch eine Temperaturerhöhung erhöht. Die vorliegende Untersuchung zeigt: (a) Pflanzenarten alpiner Kalk-Magerrasen reagieren sensibel und unmittelbar auf eine experimentell induzierte Temperaturerhöhung. (b) Wachstum, Reproduktion und Entwicklungsgeschwindigkeit der meisten untersuchten Arten werden durch die Erwärmung stimuliert. Nur wenige Arten reagieren nicht, keine einzige Art zeigt eine negative Reaktion. (c) Zwergsträucher und Graminoide regieren insgesamt stärker auf die Temperaturerhöhung als krautige Arten. (d) Signifikante Effekte der Erwärmung auf die Nährstofffreisetzung konnten nicht nachgewiesen werden. Die aufgezeigten Reaktionen der Vegetation beruhen daher aller Voraussicht nach vorwiegend auf direkten und nicht auf indirekten Temperatureffekten. (e) Eine Etablierung von Arten tieferer Lagen in den Beständen ist prinzipiell möglich. Allerdings wurde die Etablierung stärker durch den jeweiligen Vegetationstypus als durch die Temperaturerhöhung beeinflusst. Offenbar spielt für die Etablierung der Arten das Vorhandensein spezifischer Schutzstellen eine größere Rolle als die induzierte Erwärmung. (3) Kombiniert man beide Ansätze miteinander, so zeigt sich, dass man ein hohes Maß an übereinstimmenden Ergebnissen findet und sich gravierende Widersprüche nicht zeigen. Kurzfristig wie mittelfristig dominieren eindeutig positiv gerichtete Reaktionen der Arten; neutrale oder negative Reaktionen spielen in beiden Ansätzen eine deutlich untergeordnete Rolle. Der überwiegende Anteil der Arten, der im Experiment positiv reagiert (Erhöhung von Wachstum/Reproduktion, Verfrühung von Phänophasen), zeigt auch mittelfristig eine ausgeprägte positive Reaktion (deutliche Stetigkeitszunahme). Umgekehrt haben Arten, die im Experiment nicht reagieren, auch im Rahmen der Wiederholungserhebungen nicht reagiert. Durch die Gleichsinnigkeit der Ergebnisse wird einerseits die Hypothese bestätigt, dass die globale Erwärmung tatsächlich die Hauptursache für die nachgewiesenen mittelfristigen Vegetationsveränderungen darstellt. Andererseits kann aufgezeigt werden, dass die im Rahmen des Experiments gewonnenen Ergebnisse durchaus auch auf einen größeren Landschaftsausschnitt bzw. eine längere Zeitspanne übertragen werden können. Die Restriktionen, der die einzelnen Ansätze unterliegen, konnten also tatsächlich durch die Ergebnisse des jeweils anderen Ansatzes abgeschwächt werden, wodurch die Aussagekraft der Untersuchung insgesamt verbessert wird.
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In der vorliegenden Arbeit wurden die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Vegetation alpiner Kalk-Magerrasen untersucht. Die Arbeit konzentriert sich dabei auf Bestände des Horst- und des Polsterseggenrasens, da diese zwei Gesellschaften die flächenmäßig bedeutendsten Vegetationseinheiten der alpinen Kalk-Magerrasen darstellen. Alle Untersuchungen wurden in der unteren bzw. mittleren alpinen Stufe des Nationalparks Berchtesgaden (SO-Deutschland; Nördliche Kalkalpen) durchgeführt. Um erw...
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