Moore akkumulieren in natürlichem Zustand kontinuierlich organische Substanz und wirken als Koh-lenstoffsenken. Weltweit sind in Mooren 20 % des gesamten Bodenkohlestoffs gespeichert, obwohl die Moore nur 3 % der Landfläche bedecken. Durch Entwässerung und Torfabbau werden diese Kohlenstoffspeicher abgebaut, und die Moore wirken als Kohlenstoffquellen. Untersuchungen zum Kohlenstoffhaushalt und zur Klimawirksamkeit wurden bisher vorwiegend in borealen und subarktischen Mooren durchgeführt. Daher wurde mit der vorliegenden Arbeit eine Lücke zur Kenntnis des Spurengashaushaltes von naturnahen, degradierten und renaturierten Regenmoorstandorten am Alpenrand geschlossen. Ziel war es, mittels gashaushaltlicher Messungen die Kohlenstoffbilanz und die Klimawirksamkeit verschiedener Moorstandorte zu erfassen und zu prüfen, inwieweit Renaturierungsmaßnahmen zum Klimaschutz beitragen können. Da unter den Gegebenheiten der potenziellen Untersuchungsstandorte (insbesondere kleinteiliges Mosaik aus naturnahen, degradierten und renaturierten Standorten; fehlender Stromanschluss) und der Notwendigkeit, mehrere Untersuchungsflächen parallel zu beproben, keine etablierte Erfassungstechnik eingesetzt werden konnte, wurde ein eigenes Messsystem entwickelt (Kap. 2). Die wesentlichen Eigenschaften der Messhaube sind das transparente Haubenmaterial und die Klimatisierung mittels eines modularen Kühlungssystems, das ohne Stromanschluss funktioniert. Die Haubenluft (300 – 500 l Volumen je nach Haubenhöhe) kann selbst an Strahlungstagen auf ± 1°C gegenüber der Außenluft geregelt werden. Damit kann die Vegetation weitestgehend ungestört Photosynthese betreiben, und der Nettoökosystemaustausch von CO2 ist differenziert in einem kleinteiligen Mosaik von Ökosystemtypen erfassbar. Vergleichstest mit der etablierten Eddy-Kovarianzmethode erbrachten weitestgehende Übereinstimmung bei den ermittelten CO2-Flussraten (r2 = 0,94, 1:1 plot). Parallel zu CO2 erlaubt die Haube die Erfassung von Methan- und Lachgasflüssen als Voraussetzung für die Ermittlung der aktuellen Kohlenstoffbilanz sowie der Klimawirksamkeit der Ökosystemtypen. Es wurden 12 Untersuchungsstandorte in der Kendlmühlfilze, Lkr. Traunstein, als repräsentative Beispielsflächen für die Ausprägung der Regenmoorökosysteme im voralpinen Moorgürtel ausgewählt. Die Standorte reichen von trockenen ehemaligen Torfstichen über vorentwässerte Regenmoorheiden, wiedervernässte Torfstiche und Regenmoorheiden bis zu einer naturnahen Reihe aus feuchten Regenmoorheiden, Latschengebüsch, Sphagnen-Rasen, Eriophorum-Bulten und Scheuchzeria-Sphagnen-Schlenken. Diese auf Vegetationsausstattung und Geländerelief beruhende Auswahl wurde in einem post-hoc Ansatz hinsichtlich der Differenzierung der Standorte überprüft (Kap. 3). Die Vegetationszusammensetzung und die im Messprogramms erhobenen Standortfaktoren wurden mittels multivariater Methoden auf Ähnlichkeiten untersucht. Eine Kanonische Korrespondenzanalyse (CCA) erbrachte eine klare Differenzierung der Standorte entlang des Degradierungsgra-dienten. Damit konnte die a-priori getroffene Standortauswahl bestätigt werden. Auf diesen Standorten wurden im Standardmessprogramm über ein gesamtes Kalenderjahr hinweg wöchentlich Messungen des Austausches von CO2, CH4 und N2O durchgeführt. Die erhobenen CO2-Flüsse dienten der Parametrierung eines CO2-Austauschmodells (Kap. 4). Als Ergebnis konnte der Nettoökosystemaustausch (NEE) von CO2 in 0,5 Stundenschritten übers Jahr modelliert und zur Netto-Ökosystemproduktion (NEP) integriert werden (negativ, wenn Aufnahme ins System). So sind die ehemaligen trockenen Torfstiche mit mittleren Emissionen von 401,5 ± 47,5 g CO2-C m-2a-1 erhebliche Quellen, während die naturnahen Standorte als Senken für CO2 wirken (-71 ± 40,5 g CO2-C m-2a-1). Die renaturierten Stand-orte liegen im Mittel bei 127 ± 47,3 g CO2-C m-2a-1 und wirken damit noch nicht als Senken für Kohlendioxid, weisen aber nur ca. 30 % der Emissionen der degradierten Standorte auf. Das NEP differenziert entlang des Degradierungsgradienten. Die Bilanzen korrelieren signifikant mit der mittleren elektrischen Leitfähigkeit (r2=0,91), dem Blattflächenindex (r2=0,87) und dem mittleren Wasserstand (r2=0,84). Die Bilanzen der Methan und Lachgasflüsse (Kap. 5) differenzieren ebenfalls entlang des Standortgradienten. Die höchsten Jahresemissionen von Methan weist der naturnahe nasse Schlenkenstandort mit 38,2 ± 2,2 g CH4-C m-2a-1 auf, während sich die trockenen ehemaligen Torfstiche hinsichtlich Methan neutral verhalten. Die renaturierten Standorte liegen mit 1,5 ± 0,2 – 7,1 ± 3,1 g CH4-C m-2a-1 dazwischen. Die Methanflüsse können auf den naturnahen Standorten signifikant mit dem NEE erklärt werden (r2 0,53 – 0,68), was die funktionelle Verknüpfung von Methanproduktion und Kohledioxidaufnahme widerspiegelt. Die Methan-Jahresbilanzen lassen sich signifikant mit dem mittleren Wasserstand (r2 0,54), der Anzahl aerenchymhaltiger Blätter (r2 0,82), einer multiplen Regression der beiden Faktoren (r2 0,85) und schließlich am besten mit dem NEP (r2 0,87) erklären. Alle diese Faktoren haben funktionelle Bedeutung für die Methanproduktion bzw. Emission. Regenmoorökosysteme weisen aufgrund der nährstoffarmen Standorte sehr geringe Lachgasemissionen auf. Einzig auf den beiden ehemaligen trockenen Torfstichen konnten mit 50 ± 47 - 168 ± 94 mg N2O-N m-2a-1 nennenswerte Emissionen nachgewiesen werden. Zur Ermittlung der Kohlenstoffbilanz (Kap. 6) wurde die CH4-C-Bilanz von der CO2-C-Bilanz abgezogen, wobei die gelösten organischen Verluste aus Literaturangaben mit 7 g C m-2a-1 miteinbezogen wurden. Auf den degradierten Standorten wird die Kohlenstoffbilanz nur unwesentlich vom Methan beeinflusst, während auf den naturnahen Standorten die erheblichen Methanemissionen zu einem deutlichen Unterschied zwischen der mittleren CO2-C-Bilanz (-71 ± 40,5 g CO2-C m-2a-1) und der C-Bilanz (-45,6 ± 40,5 g C m-2a-1) führt. Die Klimarele-vanz der Standorte wurde über die Multiplikation der Bilanzen aller drei Gase mit dem jeweiligen globalen Erwärmungspotential (GWP) für 100 und 500 Jahre Bezugszeitraum ermittelt. Es zeigt sich, dass alle Standorte beim kürzeren Bezugszeitraum (100 a) zur Klimaerwärmung beitragen. Besonders eindrücklich ist der Unterschied zwischen C-Bilanz und GWP-Bilanz (Klimarelevanz) auf den nassen naturnahen Standorten, die als C-Senke wirken (-80,5 ± 37,3 g C m-2a-1), aber mit 77,5 ± 40,5 g CO2-C Äquivalenten m-2a-1 (GWP-Bilanz) zur Klimaerwärmung beitragen. Dies liegt an den erheblichen Emissionen von Methan, das eine 21-fach stärkere Klimawirkung aufweist als CO2 (GWP 100). Die degradierten Standorte erreichen dagegen eine klimaerwärmende Wirkung bis zu 465,6 ± 71,1 g CO2-C Äquivalenten m-2a-1. Wird das GWP 500 gerechnet, ändert sich die klimabelastende Wirkung für den degradierten Standort kaum (455,4 ± 70,3 g CO2-C Äquivalenten m-2a-1), die nassen naturnahen Standorte dagegen wirken nun klimaentlastend (-52,6 ± 37,6 g CO2-C Äquivalenten m-2a-1). Dieser Unterschied liegt an der viel höheren Beteiligung von Methan an den Gasbilanzen der naturnahen Standorte, aber des auf lange Sicht zurückgehenden globalen Erwärmungspotentials von Methan auf-grund der gegenüber CO2 kürzeren Verweilzeiten in der Atmosphäre. Die Renaturierung von ehemaligen Torfstichen trägt mit 339,5 ± 53,3 g CO2-C m-2a-1 bzw. 336,8 ± 54 g CO2-C Äquivalente m-2a-1 zur Klimaentlastung bei. Werden die vorentwässerten Hochmoorheiden renaturiert, ist immerhin noch mit einer Einsparung von 108,5 ± 53,3 g CO2-C m-2a-1 bzw. 66,6 ± 55 g CO2-C g Äquivalente m-2a-1 zu rechnen. Bayern hat ein Klimaschutzprogramm aufgelegt, mit dem Ziel, die CO2-Emissionen auf 80 Mio. t zu senken. Es wird allerdings davon ausgegangen, dass eine Lücke von 3 Mio. t verbleibt, die mit technischen Maßnahmen alleine nicht zu schließen sein wird. Auf der Basis der ermittelten Klimaentlastungswirkung durch Regenmoorrenaturierung und der potenziellen Gesamtflächen für die Renaturierung wurde das gesamte Klimaentlastungspotenzial durch Regenmoorrenaturierung abgeschätzt und dem pro-Kopf-Anteil der Einsparungslücke aus dem Klimaschutzprogramm gegenübergestellt. Daraus ergibt sich, dass durch Regenmoorrenaturierung für die Bevölkerung des voralpinen Moorgürtels der pro-Kopf-Anteil der Einsparungslücke zu 27-36 % geschlossen werden kann. Regenmoorrenaturierung kann damit einen relevanten Beitrag zur Umsetzung von Klimaschutzzielen auf regionaler Ebene leisten. Wenn Bayern sich darüber hinaus doch dazu entschließen sollte, die ehrgeizigeren Kyoto-Ziele umzusetzen, könnten immerhin noch 10-13 % der pro-Kopf Reduktionsverpflichtungen im voralpinen Moorgürtel durch Regenmoorrenaturierung erreicht werden. Das bayerische Moorentwicklungsprogramm wäre die geeignete Plattform für die Umsetzung der Synergien von Moorschutz und Klimaschutz.
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