Das Kelso-Finger-Experiment gilt als Meilenstein in der modernen Motorikforschung. Auf dieses Experiment folgte eine ganze Reihe ähnlich gearteter Experimente um die Eigenschaften der menschlichen Koordination zu untersuchen. Gemeinsames Merkmal war, daß bei gekoppelten Bewegungen anti-Phase (homologe Muskelgruppen kontrahieren sich alternierend) instabiler war als in-Phase (homologe Muskelgruppen kontrahieren sich gleichzeitig) und die Bewegungen ab einer kritischen Frequenz plötzlich in den in-Phase Zustand umschlugen. Auch bei einer nachfolgenden Erniedrigung der Frequenz blieben die Versuchspersonen im in-Phase Modus. Dieses über eine große Vielfalt von verschiedenen Experimenten gültige Phänomen wurde von Haken et al. (HKB-Modell) mit einem mathematischen Modell dargestellt. Dabei wurden zwei nichtlinear gekoppelte Differentialgleichungen für die Beschreibung der Bewegung der beiden Gliedmaßen benutzt. Die Instabilität von anti-Phase wurde dabei durch die Steigerung der Frequenz, verbunden mit einem Absinken der Amplitude der Bewegung realisiert. Zu Beginn der Arbeit werden überblicksartig die mathematischen Grundlagen, die zum Verständnis der Modelle nötig sind, das Kelso-Experiment und das Haken-Kelso-Bunz-Modell (HKB-Modell) dargestellt. In dem anschließenden Experiment wird die Koordination bimanueller Bewegungen mittels gleichzeitigem Zeichnen von Kreisen unter verschiedenen Bedingungen untersucht. In diesem Experiment zeichneten die Versuchspersonen die Kreise in zwei verschiedenen Koordinationsmustern (gegenuhrzeiger, einwärts), mit einem Phasenunterschied von jeweils 180°, bei drei verschiedenen Kreisgrößen. Die Bewegungsfrequenz wurde durch ein Metronom vorgegeben und schrittweise gesteigert. Es wird gezeigt, daß die Amplitude der Bewegung auf die Stabilität keinen Einfluß ausübt, d.h. ein zentraler Punkt des HKB-Modells (Absinken der Amplitude) konnte nicht bestätigt werden. Daraufhin wird auf der Grundlage der sog. Hopf-Bifurkation ein neues Modell für die Koordination bimanueller Bewegungen entwickelt, dessen Instabilität der anti-Phase allein auf einem Ansteigen der Frequenz beruht. Programm- und Informationsverarbeitungstheoretische Ansätze zum Lehren und Lernen von Bewegungen, sowie zur Beschreibung ihrer Entstehung, haben sich als klarer Fehlschlag erwiesen. Daher wird abschließend auf den Zusammenhang zwischen der synergetischen Modellierung von Bewegungen auf der Grundlage der Theorie komplexer Systeme und nichtlinearer Dynamik und den sich daraus ergebenden Konsequenzen für das ganzheitliche Lehren und Lernen von Bewegungen eingegangen.
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Das Kelso-Finger-Experiment gilt als Meilenstein in der modernen Motorikforschung. Auf dieses Experiment folgte eine ganze Reihe ähnlich gearteter Experimente um die Eigenschaften der menschlichen Koordination zu untersuchen. Gemeinsames Merkmal war, daß bei gekoppelten Bewegungen anti-Phase (homologe Muskelgruppen kontrahieren sich alternierend) instabiler war als in-Phase (homologe Muskelgruppen kontrahieren sich gleichzeitig) und die Bewegungen ab einer kritischen Frequenz plötzlich in den in...
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