Verschiedene Untersuchungen haben den seit geraumer Zeit bestehenden Eindruck bestätigt, dass die klassische Konstruktionsmethodik im Sinn der VDI 2221 nur geringen Anklang in der industriellen Praxis findet. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus zwanzig Jahren empirischer Konstruktionsforschung kann dieses Resultat eigentlich nicht überraschen: Die strikte Befolgung methodischer Vorgaben ließ sich letztlich nicht als signifikanter Erfolgsfaktor in Konstruktionsprozessen nachweisen. Sehr wohl nachgewiesen werden konnten dagegen Zusammenhänge zwischen der Vernachlässigung zentraler Aspekte des methodischen Vorgehens (Aufgabenklärung, Lösungsanalyse, etc.) und dem Misserfolg von Entwicklungstätigkeiten. Vieles spricht dafür, dass die Konstruktionsmethodik zwar die zentralen Problemstellungen in Entwicklungsprozessen erfasst hat, jedoch bis heute noch nicht zu einer wirklich anwendungsgerechten Definition des methodischen Vorgehens zur Lösung technischer Problemstellungen gelangt ist. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, anhand von Fallbeispielen das konkrete Vorgehen von Produktentwicklern bei der Lösung technischer Problemstellungen zu beobachten und zu analysieren. Die daraus abgeleiteten elementarmethodischen Konzepte sollen einzelne Entwickler und kleinere Teams ohne formalen Zwang bei der handlungslogisch effizienten Lösungsfindung unterstützen. Der zentrale Gedanke besteht dabei in der Ausnutzung der emotionalen Eigendynamik der bei den Beteiligten ablaufenden schöpferischen Prozesse. Die Analyse von Fallbeispielen zeigt, welche Rolle emotionale Aspekte der Lösungssuche und der Entscheidungsfindung für die Entwicklung technisch hochwertiger Lösungsansätze spielen. Mit der diskursiven Lösungssuche und der Lösungsfindung als politischer Prozess werden zwei elementarmethodische Konzepte vorgestellt, die die natürliche kognitive Dynamik bei den Beteiligten fördern, jedoch gleichzeitig auch im Sinn einer Konstruktionsmethodik kanalisieren. Bei der diskursiven Lösungssuche wird eine Abfolge handlungslogisch idealer Mikrozyklen durch abstrakte Zielformulierungen in Gang gesetzt und aufrecht erhalten, um auf diese Weise Teile des Lösungsraums besonders nachhaltig abzusuchen. Die abstrakten Zielformulierungen dienen dabei auch dazu, Methodenwissen im Prozessablauf zu besserer Wirkung zu verhelfen. In allen Fallbeispielen wird deutlich, dass eine individuelle Lösungssuche notwendigerweise subjektiv geprägt ist. Auf dem Weg der unmittelbaren Verhaltensrückkopplung werden vom Einzelnen bestimmte Lösungsansätze weit vor Entscheidungspunkten bevorzugt oder unterdrückt. Um dennoch zu echter Lösungsvielfalt im Sinn der Konstruktionsmethodik zu gelangen, wird die Lösungsfindung als politischer Prozess definiert, bei der im Team konkurrierende Lösungsansätze parallel verfolgt werden. Bestätigung findet die Kombination von diskursiver Lösungssuche und Lösungsfindung als politischer Prozess durch die Interpretation des individuellen Vorgehens bei der Lösungssuche auf der Grundlage der Handlungstheorie von Heckhausen und Gollwitzer: Jede Handlungsausführung bedeutet danach das Unterdrücken konkurrierender Handlungstendenzen. Eine Phase pluralistischer Lösungssuche im Team ermöglicht daher die Erfüllung der konstruktionsmethodischen Grundforderung nach Lösungsvielfalt ohne gleichzeitig die Dynamik der individuellen Lösungssuche zu behindern.
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Verschiedene Untersuchungen haben den seit geraumer Zeit bestehenden Eindruck bestätigt, dass die klassische Konstruktionsmethodik im Sinn der VDI 2221 nur geringen Anklang in der industriellen Praxis findet. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus zwanzig Jahren empirischer Konstruktionsforschung kann dieses Resultat eigentlich nicht überraschen: Die strikte Befolgung methodischer Vorgaben ließ sich letztlich nicht als signifikanter Erfolgsfaktor in Konstruktionsprozessen nachweisen. Sehr wo...
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