Nutzerzentrierte Entwicklung von Ein- und Ausstiegskonzepten im Nutzfahrzeugbereich unter der Betrachtung von Bewegungsstrategien
Übersetzter Titel:
User-Centered Design of Truck Ingress and Egress Concepts under Consideration of Motion Strategies
Autor:
Latka, Jennifer
Jahr:
2020
Dokumenttyp:
Dissertation
Fakultät/School:
Fakultät für Maschinenwesen
Betreuer:
Bengler, Klaus (Prof. Dr.)
Gutachter:
Bengler, Klaus (Prof. Dr.); Fottner, Johannes (Prof. Dr.)
Sprache:
de
Fachgebiet:
MAS Maschinenbau; VER Technik der Verkehrsmittel
TU-Systematik:
TEC 900d
Kurzfassung:
Das Betreten und Verlassen von Nutzfahrzeugen ist ein Unfallschwerpunkt für Berufskraftfahrer. Risikofaktoren bilden Umwelteinflüsse, das Kabinenlayout, fahrerabhängige Aspekte und die Bewegungskoordination. Nutzfahrzeughersteller beeinflussen das Kabinenlayout, welches im Rahmen der Längenänderung von Nutzfahrzeugen (EU-Richtlinien 2015/719) neue Gestaltungsmöglichkeiten erfährt. An diesem Punkt setzt die Arbeit mit der Frage an, wie die Zugangsgeometrie gestaltet werden sollte, um ein sicheres und komfortables Ein- und Aussteigen bei Nutzfahrzeugen zu gewährleisten.
Die Vorgehensweise dieser Arbeit folgt der Design Research Methodology (DRM) nach Blessing und Chakrabarti (2002). Demzufolge teilt sich die Arbeit in vier Abschnitte; der Aufgabendefinition, der Beobachtungs- und Analysephase der IST-Situation, der Erarbeitung der SOLL-Situation und die Nutzerevaluation.
Die Analyse des IST-Zustands zeigt, dass Lkw-Fahrer bewegliche und außenliegende Komponenten für die Zugangsgeometrie auf Grund einer hohen Anfälligkeit für Beschädigungen im Verkehrsalltag ablehnen. Präferiert werden treppenartige Zugangskonzepte mit einem seitlichen Zugang vor oder hinter dem Fahrersitz oder einem Zugang durch die Kabinenrückwand. Überraschenderweise zeigt die Probandenstudie am Realfahrzeug, dass Lkw-Fahrer keine Bewegungsstrategien für die Zugangsbewegung ausbilden. Innerhalb von sechs in kurzen Zeitabständen aufeinander folgenden Bewegungswiederholungen ändert sich die genutzte Bewegungsabfolge. Dies wird auf die Diskrepanz zwischen dem Konzeptmodell der linksseitig angeordneten Zugangsgeometrie und dem Inneren Modell der Fahrer zurückgeführt.
In der dritten Phase der DRM wird im Rahmen einer Szenario-Analyse und zweier Probandenstudien an einem variablen Mock-Up ein optimierter Bewegungsablauf erarbeitet und in einer geführten Zugangsgeometrie umgesetzt. Dazu wird die Einstiegshöhe von 1500 mm mit drei Trittstufen – im gleichmäßigen Abstand (unterste Stufe auf 400 mm) und einem Versatz von 75° zueinander – erklommen. Die Auftrittsbereiche auf den Stufen sind entsprechend dem vorgegebenen Ein- und Ausstiegsmuster – linker Fuß auf der untersten Stufe, rechter Fuß auf der mittleren Stufe, linker Fuß auf der obersten Stufe – angeordnet. Die abschließende Nutzerevaluation zeigt, dass Lkw-Fahrer die Bewegungsstrategie für den Einstieg zu 67% und für den Ausstieg zu 100 % annehmen und sich dementsprechend führen lassen. Für die Einstiegsbewegung wird eine signifikant kürzere Bewegungsdauer für den geführten Zugang (Median = 5,406 s) im Gegensatz zur Seriengeometrie (Median = 7,16 s) nachgewiesen, exakter Mann-Whitney-U-Test: U = 46,000, p < 0.000, r = 0.64 (starker Effekt nach Cohen, 1992).
Die vorliegende Arbeit zeigt, dass für den Lkw-Zugang aktuell keine Bewegungsstrategien existieren. Allerdings lassen sich Lkw-Fahrer durch eine angepasste Gestaltung des Zugangs nach einem vorgegebenen Bewegungsmuster führen. Mit dieser Fußstrategie steigen Lkw-Fahrer schneller und effektiver ein und aus. Diese Ergebnisse sind in einer artifiziellen Situation entstanden und mögliche Einflussfaktoren, wie die Annäherung an das Fahrzeug und das Türöffnen, werden im Versuchsdesign vorgegeben beziehungsweise nicht variiert. Ansatzpunkte für weiterführende Arbeiten bietet der Fokus auf die Handstrategien oder die Untersuchung der auftretenden Handkräfte. Die Ergebnisse von Chateauroux et al. (2012) lassen bei der geführten Zugangsgeometrie die zu präferierenden symmetrischen Handkräfte erwarten.
Übersetzte Kurzfassung:
One of the main contributors to injuries of heavy truck drivers is the ingress and egress motion. Weather influences, the cabin layout, driver-dependent issues, and movement coordination are main risk factors which occur during ascending and descending. However, commercial vehicle manufacturers cannot influence most of these factors and are mainly limited to cabin layout design to mitigate risk. In future, new design solutions for the cabin are possible as the length regulations of commercial vehicles are going to be changed (EU-Directive 2015/719). Consequently, this thesis starts with the following essential question: How can we design a suitable truck ingress and egress geometry which enables a secure and comfortable movement?
This work follows the Design Research Methodology (DRM) according to Blessing and Chakrabarti (2002). Correspondent to the DRM, this work is divided into four parts: The task definition, the analysis of the current situation, the analysis of the desired situation, and the user’s evaluation.
The analysis of the current ingress and egress situation shows that truck drivers refuse movable or external components for entry geometry as these can be damaged easily. Truck drivers prefer a stair-like entry geometry at the cabin side with access in front of or behind the driver’s seat or a rear entry through the rear wall. Surprisingly, no motion strategies for ingress or egress motion on real vehicles are developed by the truck drivers. Even within six motion repetitions the drivers change their motion strategy. We attribute this finding to an incompatibility between the concept model of the entry geometry and the mental model of the drivers.
In the third stage of the DRM, an optimized movement is developed and built in a mock-up as guided entry geometry. The geometry covers an entry height of 1500 mm with three steps located in equal distance to each other. Only the lowermost step has a distance of 400 mm to the ground to ensure an everyday suitability. The steps are located with an inclination angle of 75°. Stepping areas at each step indicate a specific motion strategy for ingress and egress motion: Left foot on lower step, right foot on middle step, left foot on upper step. The user evaluation shows that 67 % of truck drivers adapt to the guided ingress motion. Furthermore, 100 % adapt to the egress motion. The guidance leads to a significantly shorter motion time (median = 5.406 sec) in comparison to the current entry geometry (median = 7.16 sec), Mann-Whitney-U-Test: U = 46,000, p < 0.000, r = 0.64 (strong effect according to Cohen, 1992).
One main finding within this work is, that there are no motion strategies for ingress and egress motion at current heavy truck models. However, it is possible to guide truck drivers along a predefined motion strategy due to the design of stepping areas. By the use of this foot strategy, truck drivers enter and exit the truck faster and more efficiently. These results are determined in laboratory studies which neglected impact factors like the movement towards the vehicle or the door opening. Further works should focus on hand strategies or hand forces. According to Chateauroux et al. (2012), the hand forces occurring at the guided entry geometry should be allocated symmetrically and therefore, be safer and more comfortable.