Wechselt der Aufmerksamkeitsfokus beim motorischen Lernen?
Dokumenttyp:
Konferenzbeitrag
Autor(en):
Ehrlenspiel, Felix; Lammel, Helena
Abstract:
Auf der Basis von Theorien des motorischen Lernens (z. B. Fitts & Posner, 1967) wird vielfach
angenommen, dass zu Beginn des Lernprozesses Aufmerksamkeit auf die Bewegungsausführung
gerichtet wird. Im späteren Lernverlauf, wenn die Bewegung „automatisiert“ ist, richtet
sich die Aufmerksamkeit dann auf externe Reize. Entsprechend führen bewegungsbezogene
Zusatzaufgaben bei Experten zu Beeinträchtigungen, bei Novizen aber zu Leistungsvorteilen,
wohingegen kognitive Zusatzaufgaben zu Vorteilen bei Experten und Beeinträchtigungen bei
Novizen führen (z. B. Beilock, Wierenga & Carr, 2002; Gray, 2004). Die Studien zeigen zudem
einen intra-individuellen Zusammenhang zwischen Leistung und Aufmerksamkeitslenkung. Allerdings
ist bislang nicht untersucht worden, ob bzw. wann innerhalb des intraindividuellen
Lernverlaufs der Wechsel von bewegungsbezogenem zu externalem Aufmerksamkeitsfokus
stattfindet. In dieser Studie wurde daher überprüft, ob sich der Wechsel im Aufmerksamkeitsfokus
im Verlauf des Lernens einer einfachen Fingersequenz nachweisen lässt. Die ProbandInnen
(N = 24 Studierende) sollten 2 Fingersequenzen (3- bzw. 6 Elemente; Stöcker & Hoffmann,
2004) erlernen. In Phase 1 wurden die Elemente der Sequenzen (Tasten) als serielle
Reaktionszeit-Aufgabe auf einem Monitor präsentiert (je 60 trials), die jeweilige Sequenz
wurde mit dem Hinweisreiz "X" bzw. "Y" angekündigt. In Phase 2 sollte in 16 Blöcken á 2 x 12
trials dann die Sequenzen möglichst schnell nach ausschließlicher Präsentation des jeweiligen
Hinweisreizes ausgeführt werden. In Phase 2 wurde während jeder Sequenz an einem der 3
bzw. 6 Elemente ein Ton präsentiert. Die ProbandInnen sollten als Zusatzaufgabe entweder
angeben, ob sie den tiefen (250Hz) oder den hohen Ton (500Hz) gehört hatten („external“),
oder angeben, an welchem Element der Ton erschienen war („bewegungsbezogen“). Die Zusatzaufgabe
wurde geblockt immer abwechselnd präsentiert. Ausgewertet wurde für Phase 2
die Reaktionszeit auf den Hinweisreiz (Initiation Time, IT) und die Gesamtbewegungsdauer
(Movement Time, MT) sowie die Fehlerrate in den beiden Zusatzaufgaben, jeweils getrennt
für die beiden Sequenzen. Über den gesamten Lernverlauf ist die IT tendenziell, die MT signifikant
geringer unter der „externalen“-Zusatzaufgabe im Vergleich zur „bewegungsbezogenen“
Zusatzaufgabe. Die „bewegungsbezogene“ Zusatzaufgabe ist über den gesamten Lernverlauf
schwieriger (= mehr Fehler) als die „externale“. In der kurzen Sequenz (3 Elemente) nimmt
zudem der Fehler in der „bewegungsbezogenen“ Zusatzaufgabe im Lernverlauf zu, bleibt in
der „externalen“ aber konstant niedrig. Die Studie liefert keinen Hinweis auf einen Wechsel im
Aufmerksamkeitsfokus während des Lernens von einfachen Fingersequenzen. Allein die zunehmenden
Fehler in der „bewegungsbezogenen“ Zusatzaufgabe können als Hinweis auf eine
weiter abnehmende bewegungsbezogene Fokussierung interpretiert werden. Die Befunde bestätigen
aber Ansätze, die einen generellen Nachteil eines bewegungsbezogenen Aufmerksamkeitsfokus
für das motorische Lernen postulieren (Wulf, 2015).
Herausgeber:
Zuber, C., Schmid, J., Schmidt, M, Wegner, M. & Conzelmann, A. (Hrsg.)
Kongress- / Buchtitel:
Gelingende Entwicklung im Lebenslauf. Abstractband der 49. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp)