Im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Pflanzenschutzmittel werden Toxizitätstests unterschiedlicher Komplexität durchgeführt, um die Umweltrisiken von Pflanzenschutzmitteln auf Nichtzielorganismen zu erfassen. Insektizide können während der Anwendung in landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Kulturen durch Abdrift, Auswaschung oder Oberflächenabfluss in aquatische Lebensräume gelangen und die dortigen Biozönosen nachteilig beeinflussen. Mesokosmenstudien, als höherrangige Testverfahren kommen im Zuge der Risikoabschätzung beispielsweise zum Einsatz, wenn die Ergebnisse der Labortests Probleme für die Umwelt vermuten lassen. In Mesokosmentests können Toxizitätsdaten unter naturnahen Bedingungen auf verschiedenen trophischen Ebenen erhoben werden. Dadurch können neben den toxischen Effekten auch sekundäre Effekte über das Nahrungsnetz erfasst werden. Die Auswirkungen und die Dauer sekundärer Effekte können die, der primären Effekte überwiegen. In den zur Zeit gültigen Richtlinien für Mesokosmentests werden auch für Pflanzenschutzmittel, die vom Anwender mehrmalig ausgebracht werden, aus verschiedenen Gründen nur Tests mit einer einmaligen Applikation nachgefragt. Wenn jedoch ein Pflanzenschutzmittel öfter in ein Gewässer gelangt, liegt die Vermutung nahe, dass es zu nachhaltigeren und/oder verstärkten Effekten kommen kann. In dieser Arbeit werden die Auswirkungen einer einmaligen Pyrethroidapplikation und einer mehrmaligen Applikation in einem direkten Vergleich untersucht. Dazu wurde das Pyrethroid alpha-Cypermethrin (Handelsname Fastac Sc) ausgewählt. In einem Mesokosmos wurden in Enclosuren fünf verschiedene Konzentrationen getestet. Dazu wurde ein Teil der Enclosures einmal belastet und ein Teil dreimal mit einem zweiwöchigem Abstand. Vier Enclosures fungierten als Kontrolle. Das Monitoring der einfach belasteten Enclosures erfolgte über eine Freilanduntersuchungsperiode, das der mehrfach belasteten dauerte zwei Perioden an. Von April bis November wurden wöchentlich Phytoplankton, Zooplankton und Makroinvertebraten qualitativ und quantitativ ausgewertet. Physikalische und chemische Parameter wurden im Jahr der Belastung erfasst. Zusätzlich wurde mit drei Taxa (Chaoborus cristallinus, Asellus aquaticus, Gammarus roeseli) ein Biomonitoring durchgeführt, um Erkenntnisse über einen möglichen Wiederbesiedelungszeitpunkt zu gewinnen. Die Auswertung dieser komplexen Datenmenge erfolgte unter anderem mit multivariaten Methoden, wie der PRC. Die PRC erwies sich als gut geeignet, die Unterschiede in der Einfach- und Mehrfachbelastung aufzuzeigen. Der Williamstest wurde zur Bestimmung von NOECpopulations- und NOECcommunity-Werten eingesetzt. Die Stärke der Effekte betroffener Endpunkte wurde nach der leicht modifizierten Einstufung von BROCK et al. (2000) bewertet. Generell konnte festgestellt werden, dass Effekte in der Mehrfachbelastung anhaltender waren und häufig bei niedrigeren Konzentrationen auftraten als in der Einfachbelastung. Als empfindlichstes Taxon gegenüber alpha-Cypermethrin erwies sich die Dipterenlarve Chaoborus cristallinus. Chaoborus cristallinus nimmt in fischlosen Gewässern eine wichtige Schlüsselstellung ein, da er in solchen Gewässern zu den Top-Predatoren zählt. Wenn Chaoborus cristallinus beeinträchtigt wird, kommt es zu top-down Effekten über die Nahrungskette. In der Einfachbelastung traten bei 0,015 µg/l Effekte der Stufe drei nach BROCK et al. (2000) auf und bei den beiden höheren Konzentrationen 0,075 µg/l und 0,375 µg/l Effekte der Stufe fünf. Dagegen kam es in der Mehrfachbelastung schon bei der dritten Konzentrationsstufe 0,015 µg/l zu Effekten der Stufe fünf. In der Einfachbelastung fand in der höchsten getesteten Konzentration (0,375 µg/l) eine Wiedererholung der Abundanzen von Chaoborus cristallinus statt. Die Effekte in dieser Konzentrationsstufe dauerten in der Mehrfachbelastung noch im Jahr nach der Belastung an. Weitere toxische Effekte wurden bei Cloeon dipterum und Baetidae ssp. gefunden. Später traten bei diesen beiden Taxa sekundäre Effekte, bedingt durch den Rückgang der Chaoborus cristallinus Abundanzen, auf. Sekundäre Effekte wurden auch bei Chironomidae ssp., Hirudinea, Oligochaeta und Gastropoda gefunden. Bei einigen dieser Taxa kam es in der höchsten mehrfach belasteten Konzentrationsstufe durch zusätzliche leichte toxische Effekte zu Überlagerungen der Reaktionen. Im Zooplankton konnten bei den eingesetzten Konzentrationen vornehmlich sekundäre Effekte aufgezeigt werden. Toxische Effekte können bei Eudiaptomus gracilis nur vermutet werden, da die Höhe der Abundanzen zum Zeitpunkt der Applikationen zu gering war. Direkte (Mehrfachbelastung) und indirekte (Einfach- und Mehrfachbelastung) Effekte traten bei Daphnia longispina agg. auf. In den drei höchsten Konzentrationen der Mehrfachbelastung und der höchsten Konzentration der Einfachbelastung kam es zu einem Anstieg der Abundanzen, der in der Mehrfachbelastung mit steigender Konzentration verzögert eintrat. Dieser sekundäre Effekt zeigte sich in der Mehrfachbelastung schon bei 0,015 µg/l in der Einfachbelastung erst bei 0,375 µg/l und war in den mehrfach belasteten Enclosuren auch im Jahr nach der Belastung noch zu sehen. Die Rotatorien Polyarthra vulgaris-dolichoptera agg., Keratella quadrata und Synchaeta spec. zeigten vor allem in der Mehrfachbelastung signifikante Veränderungen in den Abundanzverläufen. In der Zooplanktongesellschaft traten strukturelle Veränderungen auf, die in der Mehrfachbelastung signifikanter zu erkennen waren. Durch die Pyrethroidbelastung kam es in der Zooplanktongesellschaft zu einer Verschiebung von einer Rotatorien dominierten Gesellschaft hin zu einer Copepoden dominierten Gesellschaft. Verschiebungen im Arteninventar der Phytoplanktongesellschaft traten in der Mehrfachbelastung deutlicher zu Tage als in der Einfachbelastung. Auch die Veränderungen in der Höhe der Gesamtphytoplanktonabundanz waren in der Mehrfachbelastung signifikanter. Weiterhin wurden bei den Abundanzen der Cryptophyceen Chroomonas acuta und Cryptomonas erosa et ovata Abweichungen von den Abundanzwerten der Kontrollen gefunden. Bei der Chrysophyceae Uroglena cf. europaea und der Prasinophyceae Nephroselmis olivacea traten diese Veränderungen vornehmlich in der Mehrfachbelastung auf. Die Ergebnisse der PRC-Analysen, in denen die Einfach- und Mehrfachbelastung miteinander verglichen wurden, zeigten jeweils folgende Reihung der Abweichungen der Konzentrationsstufen von den Kontrollen: MF5 < MF4 < EF5/EF4 < MF3. Bei Phytoplankton, Zooplankton und Makroinvertebraten waren demnach die Veränderungen in den beiden höchsten mehrfach belasteten Konzentrationsstufen stärker als in der der höchsten einfach belasteten Konzentrationsstufe. Demzufolge verursachte die niedrigere Konzentration 0,075 µg/l, mehrfach appliziert, stärkere Effekte als die höhere Konzentration 0,375 µg/l einmalig appliziert. Die NOEAEC wurde für die Einfachbelastung bei 0,015 µg/l und für die Mehrfachbelastung bei 0,0006 µg/l festgelegt. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass eine mehrmalige Applikation zu stärkeren und längerandauernden Effekten führen kann. Daher sollte bei Pflanzenschutzmitteln, die in der Praxis mehrmalig angewendet werden, die mehrfache Applikation in der Risikoabschätzung der Pestizide Berücksichtigung finden.
Übersetzte Kurzfassung:
As a part of the registration procedure for pesticides, toxicity tests were carried out at different levels of complexity in order to assess environmental risks for non-target organisms. These tests were done as the insecticides applied to agricultural or horticultural crops could possibly reach aquatic habitats, by: the effects of spray drift; drainage or run-off; accidents. And therefore possibly have a negative impact to the existing biocoenosis of the water body. Mesocosm studies, as higher tier tests can be applied within a risk assessment if, laboratory tests show results towards probable environmental problems. Mesocosm studies are meant to compile toxic data at different trophic levels. Thus, secondary effects can be assessed by the food chain in addition to toxic effects. The impact and duration of secondary effects can even supercede the primary effects. Current valid regulations for mesocosm (tests) only lay down tests with single applications for pesticides, even if the substance is applied several times. In reality, if a pesticide reaches an aquatic biocoenosis more than once, it might be reasonable to conclude that this will result in the negative effects being longer-lasting and/ or greater. This study assesses the impacts of a single application of pyrethroides compared to multiple applications. For this trial Pyrethroid alpha-Cypermethrin was selected. Five different concentrations were tested in enclosures placed in a mesocosm. Therefore, some of the enclosures were treated once, whilst the others were treated three times with a time interval of two weeks between treatments. Four enclosures served as controls. The single treated enclosures were monitored over one vegetation period (from April to November), whereas the enclosures which were treated several times were monitored over two periods. From April to November phytoplankton, zooplankton and macroinvertebrates, were assessed on a weekly basis concerning different aspects of quantity and quality. Physical and chemical parameters were assessed during the year of treatment. Additionally, biomonitoring was performed with three species (Chaoborus cristallinus, Asellus aquaticus, Gammarus roeseli) to obtain information about a possible point of recovery or recolonization. The assessment of this complex amount of data was carried out using multivariate methods, such as PRC. PRC proved to be very suitable to demonstrate the differences between single and multiple applications. The Williamstest was applied for the determination of values for NOECpopulation and NOECcommunity. The intensity of the treatment effects of affected endpoints were classified according to the slightly modified system proposed by BROCK et al. (2000). Generally, the study came to the conclusion that the effects of multiple applications with lower concentrations are more persistent than those of a single stronger application. The dipteran larvae of Chaoborus cristallinus was found to be the most sensitive taxon towards alpha-Cypermethrin. Chaoborus cristallinus holds a key role in water bodies without fishstocks, because it is one of the top predators in them. If Chaoborus cristallinus is affected, top-down effects in the food chain will evolve. The single treatment with concentrations of 0.015 µg/l resulted in effects of class three according to BROCK et al. (2000), and also in effects of class five after treatments with concentrations of 0.075 µg/l and 0.375 µg/l. In contrast, effects of level five were already reached under multiple applications with concentrations of 0.015 µg/l. In the single application approach the highest concentration rate (0.375 µg/l) showed a recovery of abundances of Chaoborus cristallinus. The effects of this concentration level in the multiple treatment lasted until one year after the third application. Further toxic effects were found by Cloeon dipterum and Baetidae ssp. At a later stage both taxa showed secondary effects due to the decrease in the abundances of Chaoborus cristallinus. Chironomidae ssp., Hirudinea, Oligochaeta and Gastropoda also showed secondary effects. Some of these taxa showed additional toxic effects in the highest multiple application concentration. This led to an overlap of reactions. Concerning zooplankton the concentrations applied mainly caused secondary effects. Toxic effects on Eudiaptomus gracilis could only be presumed, as the amount of abundances were too low at the time of application. Daphnia longispina agg. showed both, direct (multiple application) and indirect (single and multiple application) effects. The highest level of single-treatment and the three highest levels of the multiple-treatment showed increases in abundances of Daphnia. In the multiple treatment this effect was delayed with increasing alpha-Cypermethrin concentrations. This secondary effect already appeared at the level of 0.015 µg/l in the multiple applications and only at the level of 0.375 µg/l in the single treatment. In the multiple applications approach this effect could still be identified even one year after treatment. The rotifers Polyarthra vulgaris-dolichoptera agg., Keratella quadrata and Synchaeta spec. particularly showed significant changes in the development of abundances in the multiple application. The zooplankton community showed structural changes, which were particularly significant under multiple applications. The alpha-Cypermethrin application led to a shift within the zooplankton community from a community dominated by rotifers towards a community dominated by copepods. Shifts within the inventory of species of the phytoplankton community could be more clearly identified under multiple treatments than under a single treatment. Furthermore, the changes concerning the total value of the abundance of phytoplankton were more significant under multiple applications. Additionally, differences in abundances compared to those of the control samples could be stated concerning the abundances of the Cryptophyceen Chroomonas acuta and Cryptomonas erosa et ovata. Changes concerning the abundances of the Chrysophyceae Uroglena cf. europaea and the Prasinophyceae Nephroselmis olivacea occurred especially in the multiple application. The PRC analyses, which compared single and multiple applications, resulted in the following row of differences between the different concentrations and the control samples: MF5 < MF4 < EF5/EF4 < MF3. The results proved that for phytoplankton, zooplankton and macroinvertebrates the changes were more significant under the two highest concentration levels of multiple applications than under the highest concentration level of the single treatment. As a result the multiple applications of the lower concentration 0.075 µg/l produced stronger effects than the single application of the higher concentration (0.375 µg/l). The NOEAEC were defined as follows: 0.015 µg/l for the single application and 0.0006 µg/l for the multiple application. Finally the results proved, that multiple applications can lead to stronger and more permanent effects. Therefore multiple applications should be considered in risk assessment, which are applied several times in practice.
Veröffentlichung:
Universitätsbibliothek der Technischen Universität München