In der vorliegenden Arbeit wurde die Eignung von Proteomik zur Untersuchung von Auswirkungen gentechnischer Verfahren auf Pflanzenproteome überprüft. Als Modell-organismus wurde Arabidopsis thaliana gewählt. Veränderungen im Proteom wurden vor dem Hintergrund der natürlichen Schwankungsbreite bewertet. Zur qualitativen und quantitativen Analyse des Samenproteoms von A. thaliana wurde eine auf zweidimensionaler Gelelektrophorese (2DE) basierende Methodik etabliert und hinsicht-lich Wiederholbarkeit, Empfindlichkeit und Linearität validiert. Mit der entwickelten 2DE-Methode war es möglich, Proteine mit isoelektrischen Punkten (pI) zwischen 4 und 9 und Molekulargewichten (Mw) von 6 bis 120 kD aufzutrennen und im Nanogramm-Bereich nachzuweisen. Auf einem Mittelformat-Gel konnten mehr als 700 Proteinspots aufgetrennt und hinsichtlich ihrer Position und Quantität verglichen werden. Der lineare Zusammenhang zwischen Proteinmenge und Spotquantität wurde am Beispiel von zwei dotierten Proteins-tandards und anhand von 20 Samenproteinen, die einen weiten Bereich an pIs, Mws und Konzentrationen abdeckten, aufgezeigt. Die Reproduzierbarkeit der Proteinmuster war sehr gut; drei Replikate waren ausreichend, um einen 3-fachen Unterschied in Spotquantität für fast alle Proteinspots (~96%) und einen 2-fachen Unterschied für die Mehrzahl (~72%) der aufgetrennten Spots zu ermitteln. Die validierte 2DE Methode wurde eingesetzt, um natürliche Schwankungen von Samenproteinprofilen für den A. thaliana Ökotyp Columbia (Col-0) und innerhalb einer Reihe von A. thaliana Ökotypen zu bestimmen. Trotz standardisierter Umweltbedingungen konnten Unterschiede in den Spotquantitäten individueller Col-0 Pflanzen beobachtet werden. Das qualitative Samenproteinmuster war innerhalb individueller Pflanzen des Ökotypes Col-0 relativ konstant. Die Daten zeigen das Einflusspotential schon geringer Änderungen in den Umweltbedingungen auf das Samenproteom und verdeutlichen die Nachweisempfindlichkeit der optimierten 2DE-Methode. Auch die Lagerung der geernteten Samen beeinflusste das Samenproteom und führte zu Änderungen in der Quantität von Proteinspots. Für die zwölf untersuchten A. thaliana Ökotypen erwies sich die aus den unterschiedlichen genetischen Hintergründen resultierende natürliche Schwankungsbreite der Samenproteinprofile als bemerkenswert groß. Fast die Hälfte der aufgelösten Spots variierten hinsichtlich An-/Abwesenheit und 25% der Spots, die in allen Ökotypen anwesend waren, variierten in Spotquantität (3- bis 53-fach). Die ermittelten Schwankungsbreiten des Proteinprofils innerhalb und zwischen A. thaliana Ökotypen wurden als Grundlage herangezogen, um die in einem direkten Vergleich von transgenen und nicht-transgenen Arabidopsis-Linien ermittelten Unterschiede hinsichtlich ihrer biologischen Relevanz zu beurteilen. Mit Hilfe der 2DE-Methode wurde aus den gen-technischen Veränderungen möglicherweise resultierende Insertionseffekte oder pleiotrope Effekte in zwölf transgenen A. thaliana Linien, die entweder ein neu eingefügtes β-Glucuronidase (gus) Gen, ein überexprimiertes p-Hydroxyphenylpyruvat-Dioxygenase (hppd) Gen oder ein überexprimiertes γ-Tocopherol-methyltransferase (gtmt) Gen enthielten, untersucht. Diese Linien wurden ausgewählt, da sie zwei unterschiedliche Strategien repräsentieren: (i) ein Transgen (gus), das keinen Einfluss auf einen endogenen Stoffwechselweg hat und (ii) Transgene (hppd und gtmt), die einen Einfluss auf einen endogenen Stoffwechselweg (a-Tocopherol-Biosynthese) haben. Die gentechnisch veränderten Arabidopsis-Linien zeigten keine Veränderungen im Phänotyp, die über die natürlichen Schwankungen hinausgingen. Auch die durch Proteomanalytik aufgezeigten Unterschiede in Spotquantitäten zwischen transgenen und nicht-transgenen Linien lagen im Rahmen der natürlichen Schwankungsbreiten oder waren das Ergebnis der beabsichtigten Veränderungen. Die erarbeiteten Daten zeigen, dass 2DE eine zuverlässige Methode zur Untersuchung des Samenproteoms von A. thaliana darstellt. Es wurde deutlich, dass für eine kritische Datenanalyse und eine Beurteilung möglicher Insertionseffekte oder pleiotroper Effekte die Berücksichtigung der analytischen und natürlichen Schwankungsbreite des Proteoms essentiell ist. Eine Proteomuntersuchung sollte daher folgende Schritte beinhalten: (i) Methodenvalidierung, (ii) Erarbeitung von Basisdaten zu natürlichen Schwankungsbreiten, und (iii) direkter Vergleich von transgenen und nicht-transgenen Pflanzen unter Berücksichtigung der etablierten analytischen und natürlichen Schwankungsbreiten. Die hier zur Analyse des Proteoms von A. thaliana vorgestellte Methode verspricht auch zur Untersuchung möglicher Auswirkungen gentechnischer Verfahren auf das Proteom anderer Pflanzen, z. B. Nutzpflanzen, anwendbar zu sein.
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