Das erst späte Ausscheiden neuer Wirkstoffe während deren Erforschung ist einer der Hauptgründe steigender Medikamentenkosten. Sie scheitern, da viele Wirkstoffkandidaten ihr biologisches Zielmolekül nicht erreichen oder binden und somit keinen pharmakologisch relevanten Effekt induzieren. Zudem führen unerwartete Interaktionen des Wirkstoffes mit Biomolekülen, welche mit gängigen Testverfahren nicht entdeckt werden, oftmals zu unerwünschten Nebenwirkungen. Chemoproteomische Analysestrategien in Kombination mit massenspektrometrischen Messverfahren ermöglichen die proteomweite Identifizierung erwünschter und ungewollter Protein-Wirkstoff-Interaktionen. Im Gegensatz zu Methoden, die auf Zelllysat oder rekombinanten Proteinen basieren, geben zelluläre Tests auch Auskunft darüber, ob ein Wirkstoff die Zellmembran durchdringt und seinen Wirkort erreicht. Außerdem ermöglichen sie die Analyse, welche endogen exprimierten Proteine gebunden werden.
Durch den aktuellen klinischen Erfolg kovalenter Kinaseinhibitoren hat das Interesse an irreversiblen Bindungsmechanismen in der pharmazeutischen Industrie und der akademischen Forschung zugenommen. Das kovalente Binden an ein Protein kann in gesteigerter Selektivität und hoher Bindungsstärke bei geringer Wirkstoffgabe resultieren und das Risiko für Resistenzentwicklungen verringern. Bedenken bezüglich unerwünschter Nebenwirkungen aufgrund unspezifischer Reaktivität werden durch das Konzept sogenannter „targeted covalent inhibitors“ reduziert. Diese Inhibitoren vereinen moderate Bindungsaffinität für ein Protein mit einer schwach reaktiven Gruppe, welche nach präziser Positionierung mit stark konservierten, nukleophilen Aminosäuren reagieren kann. Inwiefern die mit lysatbasierten Assays ermittelte Selektivität und Reaktivität solcher Inhibitoren mit der tatsächlichen zellulären Situation korrelieren ist unklar.
Diese Doktorarbeit widmet sich der Charakterisierung kovalenter Proteininhibitoren mittels chemoproteomischer Verfahren in Zelllysaten und lebenden Zellen.
Es wird gezeigt, dass zellbasierte Testverfahren die Bindungsstärke und -selektivität kovalenter Proteininhibitoren besser widerspiegeln als lysatbasierte Experimente. Unterschiede in der Stärke kovalenter Proteinbindungen, gemessen mit einem zellbasierten Kinobeads Assay und einer lysatbasierten Variante, wurden ausgenutzt, um ein Verfahren zur differentiellen Analyse kovalenter und reversibler Proteinbindungen aufzusetzen. Mit diesem Ansatz wurde die Selektivität klinisch relevanter kovalenter Kinaseinhibitoren, einschließlich Ibrutinib und Afatinib, untersucht. Die Ergebnisse werden mit alternativen Methoden zur Charakterisierung von Wirkstoff-Protein-Interaktionen basierend auf bioorthogonaler Chemie, thermischer Proteinstabilität und proteasomaler Degradierung verglichen.
Aufgrund der irreversiblen Bindung können reaktive Moleküle auch genutzt werden, um intrazelluläre Proteininteraktionen nicht-kovalenter Wirkstoffe in Kompetitionsexperimenten zu untersuchen. Das reversible Bindungsgleichgewicht kann dabei mit Hilfe des kovalenten Mechanismus während der Probenaufbereitung stabilisiert werden.
Im zweiten Teil dieser Dissertation wurde die Kinobeads-basierte differentielle Analyse kovalenter und reversibler Proteinbindungen angewandt, um eine Strategie für die Synthese kovalenter Moleküle auf Basis unselektiver Proteininhibitoren zu bewerten. Dazu wurden verschiedene reaktive Inhibitoranaloga synthetisiert, um mit Aminosäuren nahe der Inhibitorbindungsstelle zu reagieren. Es wurde untersucht, ob dieser Ansatz die Synthese neuer kovalenter Proteininhibitoren unterstützen kann oder ob sich die generierten Moleküle zur intrazelluläre Analyse reversibler Proteinbindungen eignen. Auf Basis eines so synthetisierten kovalenten Moleküls und des MAPK9 Inhibitors Tanzisertib wird ein Konzept zur Bestimmung reversibler Proteininteraktionen in lebenden Zellen demonstriert.
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Das erst späte Ausscheiden neuer Wirkstoffe während deren Erforschung ist einer der Hauptgründe steigender Medikamentenkosten. Sie scheitern, da viele Wirkstoffkandidaten ihr biologisches Zielmolekül nicht erreichen oder binden und somit keinen pharmakologisch relevanten Effekt induzieren. Zudem führen unerwartete Interaktionen des Wirkstoffes mit Biomolekülen, welche mit gängigen Testverfahren nicht entdeckt werden, oftmals zu unerwünschten Nebenwirkungen. Chemoproteomische Analysestrategien in...
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