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Sammlung Cuvillies

Folge 1

Oeuvres

Francois de Cuvilliés

Francois de Cuvilliés der Ältere wurde am 23. Oktober 1695 in Soignies, Hennegau, Belgien geboren. Er war Bildhauer, Baumeister, Stuckateur, Ornament-Schöpfer, Lehrmeister vieler Architekten und bayrischer Hofbaumeister. Cuvilliés machte seine Ausbildung in Paris und wurde zu einem der Großmeistern des deutschen Rokokos. 1708 bot er als Hofzwerg Kurfürst Max II. Emanuel von Bayern seine Dienste an. Dank des Exils des Kurfürsten verbrachte Cuvilliés seine erste Dienstzeit in Frankreich und zog 1714 mit in die bayrische Stadt München.

Zu seinen bekanntesten Werken zählt das „Palais Piosasque de Non“ in München, an der er 1728 arbeitete. Dieses wurde bei Luftangriffen im Zweiten Weltkrieg zerstört. Von 1734 bis 1739 arbeitete er an der Amalienburg im Park von Nymphenburg und von 1750 bis 1753 am Residenztheater (heute das nach ihm benannte Cuvilliés-Theater). 1765 beginnt er mit der Ausgestaltung der Fassade der Theatinerkirche. Außerhalb der Stadt München war Cuvilliés auch am Bau der Schlösser Brühl (1728 bis 1740) und Wilhelmsthal (1744) beteiligt.

Er starb am 14. April 1768 in München.

Stichwerk der Cuvilliés (Vater und Sohn)

Gliederung des Bestandes

Mit Vollendung seiner bis dahin prominentesten Bauaufgaben, den „Reichen Zimmern“ in der Residenz und des Lustschlosses „Amalienburg“ im Nymphenburger Schlosspark, sorgte der Münchner Hofbaumeisters François Cuvilliés der Ältere (1695 - 1768) für eine angemessene Resonanz in der Fachwelt. Die Herausgabe von Kupferstichen von Details und anderen wesentlichen Darstellungen der Projekte war hierfür das probate Mittel seiner Zeit - und ein Kaiserliches Druckprivileg, erteilt im Oktober 1738, schützte die Edition vor unerlaubtem Nachdruck. Diese Jahreszahl auf dem ersten Blatt des ersten ‚livre‘ (Geheft von meist 6 Drucken) markiert als einzige sichere Datierung den Beginn des Unternehmens. Bis zum Tode Cuvilliés’ entstanden so drei Folgen oder Druckserien zu 183 (bis 1742), 110 (bis 1754) und 89 (bis 1768) Blättern.

Folge I

Die 30 livres der Folge I (die Nummerierung erfolgt mit römischen Zahlzeichen) enthalten in unregelmäßiger Folge bauliche Schmuckformen im Stil der französischen Regence, dargestellt an Kartuschen, Wandfüllungen, Deckenstuck oder Bilderrahmen. Auch drei Serien reiner Schmuckblätter mit sentimentalen Szenen vor architektonischer, landschaftlicher oder bizarr ornamentaler Kulisse kommen vor. Den Abschluss bilden 8 livres mit einer Vielzahl von Wand- und Deckendekorationen, durchweg kostbares Schnitzwerk höfischer Qualität in Kombination mit Tapisserien, Skulpturen, Spiegeln und edlem Mobiliar.

Folge II

Folge II setzt mit der Kaiserwahl des Bayerischen Kurfürsten Karl-Albrecht 1742 ein, was (in den ersten 8 livres) auch den Titel Cuvilliés’, nun ‚Architecte des Sa Majesté Imperialle’, gebührend schmückt. Sie hat 20 Teile. Die Motive sind jene der Folge I, mit deutlicher Vermehrung der wohl gern gekauften zweckfreien Grafiken (allein 30 Blatt sog. ‚Morceaux de Caprice’). Es treten Bauteilvorlagen wie Hoftore, zahlreiche feinere und gröbere Metallarbeiten und Möbel hinzu. Ein Landschlösschen (livre N) wird mit Schnitten und Ansichten durchgeplant, vier monumentale Brunnenanlagen (livre M) weisen auf die große Form voraus. Im Gegensatz zu Folge I, die Cuvilliés wohl selbst als unvollkommen, wenn nicht unverkäuflich abtun musste, wird Folge II noch mehrfach mit Veränderungen aufgelegt.

Folge III

Folge III entsteht im Anschluss an die - ernüchternde - Parisreise des Meisters 1754/55. Dort wird ihm bewusst, dass sein ornamentaler Überschwang am kulturellen Brennpunkt der Epoche nicht mehr verstanden wird. Die 18 livres zeigen Entwürfe für ländliche Schlossanlagen unterschiedlicher Größe, oft unter Einschluss aufwändiger Parkanlagen streng geometrischen Stils. Einzelne fragmentarische religiöse Motive (livre E) oder ‚etudes’ (livre F), die schon der Sohn unter Mitwirkung des Vaters ausführt, deuten auf die ausklingende graphische Produktivität des älteren Cuvilliés hin. Ein riesenhafter Schlossentwurf für Dresden, Kennbuchstabe X, wird zwar vom Sohn gestochen und in wesentlichen Teilen auch entwickelt - in seiner konservativen Formensprache weist er aber Einflüsse des Vaters auf, die in der Signatur auch angesprochen werden, was eine Zuordnung zu Folge III erlaubt.

Folge IV

François Cuvilliés der Jüngere (1731-77) übernimmt, im Todesjahr des Älteren 1768, ein großes Konvolut an Drucken und auch Druckplatten. Er ist, im Gegensatz zum Vater, zum Kupferstecher ausgebildet und setzt das graphische Werk (wohl auch aus Mangel an größeren Bauaufgaben) unverdrossen fort. Dabei vollzieht er einen Stilwandel im Sinn jenes Frühklassizismus, den er an der Pariser Architekturschule Jacques-François Blondels (1715-74) kennengelernt hatte. Sein neues Vertriebskonzept setzt auf kostbar gebundene Folianten (sog. Sammelbände), 200 - 350 Blätter stark, welches die - gelegentlich stark überarbeitete - Hinterlassenschaft des Vaters aus den Folgen II und III mit eigenen und seinen Vorstellungen nahestehenden fremden Entwürfen kombiniert. Eine Art privater Bauakademie nach Pariser Vorbild liefert ihm ergänzendes Material. Die frühe Produktion des Sohnes Cuvilliés wird als Folge IV des Stichwerkes geführt.

Folge V

In seinen letzten Lebensjahren war François der Jüngere bestrebt, das aufgeklärt Lehrprogramm seiner bescheidenen Münchner Akademie zu codifizieren und damit gewinnbringend zu publizieren. Wieder war Paris des Vorbild, wo Familie Blondel schon seit einem Jahrhundert auf diesem Weg erfolgreich war (François Blondel (1618-96), Lehrwerk ‚Cours d’Architecture’ ab 1675). Ein ausgedünnter ‚Traité des Ordres’ von Nicolas M.Potain, 1767, weiter bearbeitete Architekturlösungen des Vaters und eigener Produktion sowie eine Fülle von Beispielen mit internationalem Horizont, bis hin zu gotischen, nah- und fernöstlichen Bauten, sollten das graphische Gerüst des Werkes bilden; ein Textteil blieb Fragment. Immerhin erschien der Bildteil einer ‚Ecole de l’Architecture Bavaroise’ in kleiner Auflage noch kurz vor dem frühen Tod des Architekten 1777; er weist deshalb auch keine Varianten gleicher Motive auf. Sein Inhalt wird systematisch als Folge V des Stichwerkes eingeordnet.

Insgesamt umfasst das Stichwerk der Cuvilliés Vater und Sohn - Kenntnisstand Anfang 2021 - 788 verschiedene Motive; die Zahl der Varianten in den Folgen II - IV beträgt 199, womit bisher knapp 1000 Drucke unterschieden werden können.

Überlieferung des Stichwerks

Die Strategie François des Jüngeren, große Konvolute eines schwer verkäuflichen Bestandes kostbar zu bündeln, bewahrte ihn nicht vor dramatischer Verschuldung - offensichtlich erzielte er damit nicht den erhofften Gewinn. Wir haben ihm zu danken, damit konzeptionelle Zusammenhänge der Edition und schlicht auch hohe Zahlen gut erhaltener Blätter bewahrt zu haben, die in anderen Fällen vereinzelt und verschlissen wurden. Große Büchersammlungen wie die Bayerische Staatsbibliothek, das Berliner Kupferstichkabinett, die Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena oder das Münchner Zentralinstitut für Kunstgeschichte, allein fünf Bibliotheken in Paris, die Library of Congress und jene der Columbia University New York besitzen solche Sammelbände. Museen in Hamburg, München, Dresden, Wien, London und wieder Paris verfügen über solche Konvolute und Serien von Einzelstücken. Schließlich befindet sich auch manche Rarität, in gebundener und loser Form, in Privatbesitz.

Die systematische Analyse dieser Bestände, welche die moderne Digitaltechnik (Digitalisat online verfügbar - Arbeitsfotografie - scan) in früher nicht verfügbarer Weise unterstützt, hat erst in letzter Zeit die Bandbreite des Oeuvres erkennbar gemacht. Frühere, meist rein textliche Editionen (die mit André Bérards Katalog in der ‚Revue universelle de l’art, Bd. VIII, Paris 1859 einsetzen) verzweifelten hingegen an jeweils unterschiedlichen Anordnungen und Ausstattungen verschiedener Bände, wie auch mangels eines nötigen, letztlich weltweiten Überblicks. Während Blätter aus den Folgen II und III des Stichwerks - meist aus aufgelösten Sammelbänden - häufig sind und heute noch für unter 100 € angeboten werden, ist das Werk François des Jüngeren in Teilen äußerst selten, ja manchmal nur durch ein einziges Blatt belegt. Gleiches gilt für Folge I, die schon zu Lebzeiten der Meister der Geringschätzung verfiel.

Quellenlage in der Bibliothek der Technischen Universität München

Die TU München verfügt mit einem ziemlich späten Sammelband des Stichwerks (Signatur RC 78, nicht ausleihbar) der beiden Cuvilliés über eine bedeutende Quelle zur Architektur der Aufklärung - und somit jenes Formendwandels, der den Übergang von einer absolutistischen hin zu unserer modernen pluralistisch-demokratischen Weltsicht begleitet hat. Er stammt nach Aussage mehrer Stempel auf dem Vorsatzblatt aus den Beständen der 'Obersten Baubehörde', heute Bayerisches Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr. Seine Erhaltung ist exzellent, er weist eine hohe Zahl an großformatigen Drucken auf (z.B. Fassade der Theatinerkirche mit 73,8 x 50cm) und ist mit 368 bedruckten Seiten einer der umfangreichsten Bände der (bisher bekannten) gebundenen Sammlungen überhaupt. Das im folgenden bereitgestellte Digitalisat ergänzt die bereits online erschienenen drei Bände der Bayerischen Staatsbibliothek (Signatur Rara 555, 556 und 557), wobei die Erschließung des Originals, das der Forschung ja auch weiterhin mit gebotener Sorgfalt zur Verfügung stehen soll, nicht aus den Augen verloren werden darf. Kein Digitalisat, und sei es noch so perfekt, ersetzt oder erübrigt gar das Original. Die vollständigen Folgen II und III sowie die meisten Blätter der Folge IV des Stichwerkes der beiden Cuvilliés stehen so den Forschenden an der TU München und, online, auch weltweit zur Verfügung. Doch wie verhält es sich mit Folge I? Es gibt in Bayern keinen einzigen kompletten Bestand der 183 Drucke. Allein das Berliner Kupferstichkabinett besitzt die ganze Folge, wenn auch die in Qualität und Format schwankenden Blätter, als Ersatz von Kriegsverlusten, aus unterschiedlichen Quellen stammen. Die Bayerische Staatsbibliothek verfügt über kein einziges Blatt der Folge. Diesem Defizit wurde unter Vermittlung des früheren Präsidenten der TU München, Otto Meitinger, vor einigen Jahren dadurch abgeholfen, dass (im Wesentlichen) zwei sich ergänzende Bestände der Folge I digitalisiert und über mediaTUM veröffentlicht wurden. Es handelt sich primär um den Band ‚Bibl. 10751’ aus der Bibliothek des Bayerischen Nationalmuseums mit 69 Blättern; der Rest wurde von einem privaten Sammler bereitgestellt, dessen Nachlass heute eine Freisinger Stiftung unter dem Dach des Städtischen Museums Freising verwaltet.

 

Systematik der Quellencodes

Von Anbeginn der Cuvilliés-Forschung behinderte die inkonsequente und oft auch fehlende Bezeichnung der Grafiken eine umfassende Darstellung des Werkes. So konnte Jean Laran in seiner Publikation zum Stichwerk 1925 schreiben: „Il faudrait une vie de benedictin pour dresser un catalogue complet et irréprochable. (Man müsste ein Mönchsleben darauf verwenden, um ein vollständiges und unwiderlegbares Verzeichnis aufzustellen)“. Um hier Abhilfe zu schaffen wurden bei der Einordnung der vorliegenden Grafikdaten folgende Regeln beachtet:

  • Folge I kennt im Original nur die Nummerierung der Titelblätter der 30 livres. Die Einzelblätter werden mit römischer Zahl der Folge, zweistelliger arabischer Zahl des livre und einer einstelligen Blattnummer bezeichnet. Da eine einheitliche ursprüngliche Reihung innerhalb der livres nicht erkennbar ist, wird hier dem System der vollständigsten Sammlung, jener des Berliner Kupferstichkabinetts gefolgt.
  • Auch Folge II bezeichnet die einzelnen Blätter, nach römischem Zahlzeichen II, mit der vom Stecher vergebenen Nummerierung der 20 livres. Die ebenfalls schon ursprünglich an diese vergebenen Buchstaben A - V bleiben unbeachtet. Die Kennzeichnung der Blätter innerhalb der livres mit Zahlen von 1 an aufsteigend ist an den Drucken durchgängig vorgegeben und wird übernommen.
  • Zur besseren Unterscheidung der Folgen II und III wird nach dem Numerator der Folge III hier der von den Autoren vergebene Großbuchstabe zur Codierung der livres A - S sowie X verwendet. Buchstabe F wurde erst vom Sohn vergeben und ist unter Folge IV behandelt. Die Blätter können, wie bei Folge II, mit den vorgegebenen Ziffern gekennzeichnet werden.
  • Folge IV enthält jene große Zahl an Stichen, die François Cuvilliés d.Jüngere erst nach dem Tod des Vaters - und vor Entwicklung seines Lehrwerkes ‚Ecole..’ (Folge V) - dem Stichwerk hinzugefügt hat. Da es gegenüber Folge II zu Dopplungen bei den vergebenen Buchstaben kommt, werden diese im Code als Kleinbuchstaben nach der römischen Folgennummer geführt. Blattnummern wurden von Cuvilliés Sohn sehr inkonsequent, immer wieder gar nicht und am selben Motiv unterschiedlich vergeben. Sie setzen auch nicht immer mit ‚1’ ein. In solchen Fällen wurden Notnummern, motivischen Zusammenhängen folgend, frei vergeben und in eckige Klammern gesetzt. Dies gilt auch für Kleinbuchstaben wenn solche fehlen. Wurden gleiche Buchstaben vom Herausgeber für unterschiedliche Motive mehrfach vergeben, werden diese durch bis zu drei hinzugefügte Apostrophen unterschieden. Der Wille des Herausgebers, der in der Vergabe seiner Codierungen zum Ausdruck kam und immer durch den Wunsch nach sinnvoller Gruppierung der Edition begründet war, hat auch bei scheinbarer Willkür immer Vorrang vor modernen Kennzeichnungen.
  • Folge V, die nicht Gegenstand dieser Online-Edition ist, weist keinerlei zeitgenössische Codierung auf. Hier wurden, in Ergänzung des römischen Folgenzeichens V, Kombinationen von Buchstaben und Laufnummern nach erkennbaren Sinnzusammenhängen zugewiesen.

Durch ergänzte, reduzierte oder sonst veränderte Neuauflage älterer Stiche kam es, besonders unter der Ägide Cuvillés’ des Jüngeren, zu einer größern Zahl von Variationen von grundsätzlich beibehaltenen Motiven. Diese werden durch die Anfügung von Kleinbuchstaben a, b, c ... an die Blattzählung voneinander unterschieden.

Hermann Neumann