Die anhaltende Intensivierung der Milchviehhaltung führte in den letzten Jahren zur Haltung von Milchkühen in Laufställen, wobei meist arbeitswirtschaftliche Aspekte im Vordergrund standen. Wenig Beachtung geschenkt wird dabei den Kriterien, ob sich die Tiere der veränderten "Stallumwelt" angepaßt haben. In Laufstallsystemen beobachtete große Schwankungen der Verhaltensparameter geben Anlaß zur Vermutung, daß die freie Beweglichkeit der Tiere auf engstem Stallraum zu unausgeglichenem und unruhigem Verhalten von Einzeltieren führen kann. Vor allem gibt es noch keine Hinweise, welcher Teil der Verhaltensweisen auf ein natürliches Grundbedürfnis der Tiere nach Bewegung, Fressen und Liegen zurückgeht und welcher auf die unmittelbare Stallumwelt zurückzuführen ist.
Anhand eines Aktivitätsmustervergleiches von drei Kühen in einem herkömmlichen Liegeboxenlaufstall und in einem speziell zu Versuchszwecken entwickelten Versuchsstall mit Einzelhaltung der Tiere wurde versucht, Anhaltspunkte für das unbedingte Fress-, Liege- und Lokomotionsbedürfnis von Milchkühen zu finden. Dabei wurden den quantitativen Ergebnissen aus einer 72-Stunden-Beobachtungsphase - registriert und quantifiziert nach dem Prinzip der "Nahbereichsphotogrammetrie" - die Verhaltensanalysen aus den Liegeboxenlaufstall-Beobachtungen gegenübergestellt.
Die in entsprechenden Tabellen und Abbildungen dargestellten Resultate des Vergleiches sollen nachfolgend kurz zusammengefaßt werden:
1. Bei Einzelhaltung der Tiere lag die zurückgelegte tägliche Wegstrecke zwischen 97 und 216 m pro Tag. Als Durchschnittswert für die drei Tiere ergab sich ein Wert von 158 m pro Tag. Im Laufstall hingegen wurden tägliche Wegstrecken zwischen 254 und 999 m zurückgelegt, der Durchschnittswert der drei Kühe lag bei 583 m. Die Gesamtsteh- und -laufzeit betrug im Mittel der drei Tiere im Einzelboxenstall 252 min und im Laufstall 395 min pro Tag. Die "theoretische Laufgeschwindigkeit" verringerte sich bei Einzelhaltung der Tiere auf durchschnittlich 0,7 m/min, wogegen sie im Laufstall bei 1,9 m/min lag.
2. Die Gesamtfreßzeit betrug im Einzelhaltungssystem im Mittel 239 und im Laufstall 386 min pro Tag. Die Zahl der Freßphasen verringerte sich im Einzelboxenstall gegenüber dem Laufstall von 41 auf 12 pro Tag. Die durchschnittliche Dauer einer Freßphase betrug bei Einzelhaltung 22,5 min, während im Laufstall durchschnittlich nur 10,5 min pro Freßphase möglich waren.
3. Die Gesamtliegezeit erhöhte sich gegenüber den Untersuchungen im Liegeboxenlaufstall von durchschnittlich 631 auf 919 min pro Tag, wobei die Zahl der Liegephasen annähern gleich blieb (9,2 bzw. 9,6 pro Tag). Im Einzelhaltungssystem konnte ein Tier durchschnittlich 103 min in einer Liegephase verbringen, während es im Laufstall nur 69 min waren.
4. Als Anhaltspunkte für das Mindestlokomotionsbedürfnis wurden täglich zurückgelegte Wegstrecken im Bereich von 100 bis 200 m angegeben. Allgemein hat sich das Bewegungspotential der Tiere, bei unterschiedlichsten Werten im Laufstall, auf ein Mindestmaß reduziert. Bei Einzelhaltung wurden außerdem Benachteiligungen von rangniedrigeren Tieren bei der Futteraufnahme verhindert und dem Einzeltier die Möglichkeit zur Erfüllung des tierindividuellen "Ruhebedürfnisses" gegeben.
5. Abschließend wird das Konzept eines neuen Stallsystems zur Diskussion gestellt, bei dem eine tiergerechte und artgemäße Haltung im Vordergrund steht. Dadurch soll auch dem "schwächeren" Tier die Möglichkeit zur vollen Leistungsentfaltung gegeben werden. Der Nachteil des hohen Stallflächenbedarfs könnte durch eine Verringerung der Baukosten durch vertretbare Einsparungen bei der Bauausführung ausgeglichen werden.
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Die anhaltende Intensivierung der Milchviehhaltung führte in den letzten Jahren zur Haltung von Milchkühen in Laufställen, wobei meist arbeitswirtschaftliche Aspekte im Vordergrund standen. Wenig Beachtung geschenkt wird dabei den Kriterien, ob sich die Tiere der veränderten "Stallumwelt" angepaßt haben. In Laufstallsystemen beobachtete große Schwankungen der Verhaltensparameter geben Anlaß zur Vermutung, daß die freie Beweglichkeit der Tiere auf engstem Stallraum zu unausgeglichenem und unruhig...
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