Neumeier, Dieter (Prof. Dr.); Martinek, Vladimir (Priv.-Doz. Dr.)
Format:
Text
Language:
de
Subject group:
MED Medizin
Keywords:
hohe Tibiakopf-Umstellungsosteotomie; HTO; Biomechanik; Varus-Gonarthrose
Translated keywords:
high tibial osteotomy; hto; biomechanics; varus gonarthrosis
Abstract:
In dieser biomechanischen in-vitro Versuchsreihe wurde an frischen Lammtibiae der Effekt einer schrägen Spongiosaschraube auf die primäre Rotationsstabilität von kompletten und in-kompletten lateralen subtraktiven Korrekturosteotomien an der proximalen Tibia untersucht. Die Hypothese des Studiendesigns war, dass durch die zusätzliche, den Osteotomiespalt durch-querende Spongiosaschraube sowohl bei kompletten als auch bei inkompletten valgisierenden Korrekturosteotomien an der proximalen Tibia um 8° ein Benefit bezüglich der primären Rota-tionsstabilität unter axialer Belastung erreicht wird. Von den 51 im Prüfstand getesteten Präparaten wurden 48 in die Auswertung der Ergebnisse einbezogen. Die mit L-Platte (Allopro, Sulzer Orthopedics GmbH, Freiburg, Deutschland) fixierten Osteotomien der Lammpräparate wurden in 4 Untergruppen aufgeteilt: komplette und inkomplette - zu 4/5 des tibialen Quer-durchmessers in Höhe der horizontalen Sägevorrichtung durchgeführte - Osteotomien wurden mit und ohne zusätzliche Stabilisierung durch die schräge Spongiosaschraube im Prüfstand (U-niversalprüfmaschine, Firma Wolpert, Deutschland) hinsichtlich der primären Rotationsstabili-tät [Nm/°] unter einer axialen Belastung von 200 Newton getestet. Die Rotationsgeschwindig-keit betrug bei allen Versuchen gleichbleibend 0,496°/sec. Als Vergleichsgruppe - Gruppe 5 - dienten 8 Lammtibiae, welche nativ, das heißt ohne Osteotomie und osteosynthetische Stabili-sierung, im Prüfstand untersucht wurden. Die Präparate wurden proximal und distal stan-dardisiert mit Epoxidharz in Edelstahlformen eingebettet. Das Maß der maximalen Breite des Tibiaplateaus diente standardisiert als Bezugspunkt für die Einbetthöhe des Knochens in der distalen Form. Gemessen vom höchsten Punkt der Area intercondylaris tibiae erfolgte distal in einer Entfernung, die dem 3-fachen des bemessenen maximalen Querdurchmessers des Tibi-aplateaus entsprach, eine Markierung, welche die Einbetthöhe des Tibiaschaftes in der distalen Fixierungsform definierte. Weitere Parameter, die standardisiert präoperativ festgehalten wur-den und deren Einfluss auf die primäre Rotationsstabilität der Knochen untersucht werden soll-te, waren die Gesamtlängen der Tibiae, der maximale Querdurchmesser der Tibiae in Höhe der horizontalen Osteotomie sowie das Gewicht der bis auf das Periost freipräparierten Tibi-ae. Nach Aushärten des Epoxidharzes wurde im Prüfstand das aufgebrachte Drehmoment pro Verdrehwinkel aufgezeichnet (Drehmomentdose Firma Burster, Typ 8628, 100 Nm; Daten-erfassungssoftware Snapmaster V 3.1, Firma HEM Data corporation). Die Versuche wurden bis zur Fraktur des Knochens oder des Implantatmaterials bzw. maximal 50° Verdrehwinkel durch-geführt. Das Hauptaugenmerk im Bemühen, standardisiert reproduzierbare Ergebnisse zu ge-winnen, lag auf dem anfänglichen, linearen Teil der aufgezeichneten Graphen [Nm/°], welcher die genauesten Rückschlüsse auf die primäre Rotationsstabilität der osteotomierten Lammtibiae unter axialer Belastung zulässt. Abschließend erfolgte eine zusätzliche Dokumentation des Prä-paratestatus und der Osteotomie mit einer Digitalkamera. Für die statistische Auswertung der Versuchsreihe wurde bei der Verteilung der Präparate auf die Gruppen der Kruskal-Wallis-Test herangezogen. Signifikanzunterschiede (p < 0,05) wurden paarweise mit dem Mann-Whitney-Test ermittelt. Für die nachfolgende Auswertung der Statistik wurde das Programm SPSS (Version 11.0) verwendet. Die graphischen Darstellungen erfolgten als Boxplot im SPSS-Programm. Aufgrund der geringen Fallzahlen wurde bei den einzelnen Parametern nicht der Mittelwert, sondern der Median gebildet. Die Boxplots lieferten zusätzlich die 25%- und 75%-Quartile sowie die Minimal- und Maximalwerte der einzelnen Verteilungen. Außerdem wurden Regressionen und Korrelationen zwischen den vor den Versuchen gemessenen Parametern der einzelnen Präparate und der primären Rotationsstabilität der Knochen als abhängige Variable abgeleitet. Die Darstellung der zu korrelierenden Einflussgrößen erfolgte nach Pearson. Die primäre Rotationsstabilität von Gruppe 1 (intakte mediale Kortikalisbrücke bei inkompletter Osteotomie mit schräger Spongiosaschraube) war signifikant (p < 0,05) höher als in den Grup-pen 2, 3 und 4. In dieser Gruppe waren die gemessenen Drehmomente pro Verdrehwinkel im linearen Anteil der aufgezeichneten Graphen sogar - statistisch allerdings nicht signifikant - höher als bei den Nativknochen aus der Vergleichsgruppe 5. Die gemessenen Werte der Gruppe 2 (inkomplette Osteotomie ohne schräge Spongiosaschraube) zeigten ebenfalls eine statistisch signifikant höhere primäre Rotationsstabilität im Vergleich zu den Gruppen mit kompletter Osteotomie (Gruppen 3 und 4) auf. Kein signifikanter Unterschied bezüglich der primären Ro-tationsstabilität der durchgeführten Osteotomien hingegen fand sich innerhalb der Gruppen mit komplett durchgeführten Osteotomien (Gruppen 3 und 4). Das maximal während der Ver-suchsdurchführung aufgebrachte Drehmoment wurde zwar graphisch aufgezeichnet und statis-tisch erfasst, war aber für die Auswertung der Ergebnisse nicht von primärer Wichtigkeit, da einige Versuche zum Schutz der Drehmomentdose und des Implantatmaterials aufgrund extrem hoher Verdrehwinkel zu einem für die Primärstabilität des Operationsverfahrens nicht mehr relevanten Zeitpunkt absichtlich unterbrochen wurden. In den durchgeführten Korrelations-tests nach Pearson bezüglich des Einflusses der gemessenen Knochenparameter (Länge, Ge-wicht, maximale Breite des Tibiaplateaus und maximale Tibiabreite in Osteotomiehöhe) auf die primäre Rotationsstabilität der operierten Präparate konnten keine Zusammenhänge mit einem Signifikanzniveau p < 0,05 gefunden werden. Auch konnte in den einzelnen Gruppen und in der gesamten Versuchsreihe kein statistisch signifikanter Unterschied (p < 0,05) zwischen rechten und linken Tibiae hinsichtlich ihres Einflusses auf die primäre Rotationsstabilität der osteosynthetisch stabilisierten Osteotomien gefunden werden. Somit hatte die durch den Motor (Firma Imofa, Frequenz regelbar; Getriebe: Firma Flender-Himmel, 1:1210 Untersetzung) in-duzierte Innen- bzw. Außenrotation keine Auswirkung auf die Stabilität und Rigidität der getes-teten Präparate. Für den Zeitraum der gesamten Testreihe standen 3 Operationssets (Natu-ral-Knee HTO System (High Tibial Osteotomy) von Intermedics Orthopedics, Inc. (Allopro, Sulzer Orthopedics GmbH, Freiburg, Deutschland)) zur Verfügung, von welchen jedes je 2 L-förmige Osteotomieplatten für rechte und linke Tibiae enthielt. Somit kamen für die im Prüf-stand getesteten 51 Präparate 12 Osteotomieplatten zur Anwendung, so dass jede Platte unge-fähr 4-mal den rotatorischen Krafteinwirkungen während der Versuchsdurchführung ausgesetzt war. Während der gesamten Versuchsreihe kam es lediglich bei einem einzigen Präparat zur plastischen Verformung implantierter Schrauben nach der durch den Versuchsaufbau induzier-ten rotatorischen Krafteinwirkung. Die zwei distal gelegenen Kortikalisschrauben bei einem Präparat aus Gruppe 2 wurden sofort aus dem Operationsset entfernt und fanden somit in den nachfolgenden Versuchen keine Wiederverwendung. In dieser biomechanischen in-vitro Untersuchung konnte eindeutig aufgezeigt werden, dass eine intakte mediale Kortikalisbrücke einen statistisch signifikanten Einfluss (p < 0,05) auf die primäre Rotationsstabilität von latera-len valgisierenden subtraktiven Korrekturosteotomien an der proximalen Tibia unter axialer Belastung hat; einen zusätzlichen stabilisierenden Effekt auf die mit L-Platte (Allopro, Sulzer Orthopedics GmbH, Freiburg, Deutschland) fixierte Osteotomie übt eine schräge, durch den Osteotomiespalt verlaufende Spongiosaschraube aus. Wird der Tibiakopf hingegen kom-plett osteotomiert oder geht intraoperativ aufgrund zu großer Korrekturwinkel oder einer un-sachgemäßen Operationstechnik der stabilisierende Effekt der medialen Kortikalisbrücke verlo-ren, ist die Osteotomie nicht rotationsstabil und eine ausreichend rigide Fixierung nicht mehr gewährleistet. In diesem Fall führt die additiv eingebrachte, den Osteotomiespalt querende und bis unter das dorso-mediale Tibiaplateau reichende Spongiosaschraube zu einer Sicherung der Osteotomie gegen Rotationskräfte, da sie auf einer größtmöglichen Strecke das distale Frag-ment mit dem proximalen verbindet. Dabei hat die Drehrichtung des Knochens keinen statis-tisch signifikanten Einfluss auf die primäre Rotationsstabilität der Osteotomie. Eine rigide osteosynthetische Stabilisierung von Korrekturosteotomien an der proximalen Tibia scheint also Voraussetzung für den Erhalt des gewünschten Korrekturwinkels sowie das Vermeiden von postoperativen Korrekturverlusten zu sein und ermöglicht außerdem eine frühe Rehabilitation und Belastbarkeit der operierten Extremität. Inkomplette Osteotomien mit erhaltener medialer Kortikalisbrücke und zusätzlicher schräger Spongiosaschraube zeigten sich in dieser Versuchs-reihe sogar rotationsstabiler als native, nicht osteotomierte Knochen.
Translated abstract:
The objective of the study was to verify a positive effect of an additional oblique can-cellous screw on the primary rotational stability of complete and incomplete high tibial closed-wedge osteotomies (8°) in ovine tibiae. Of 51 specimen 48 were employ-ed for final results. The osteotomy site was stabilized with L-shaped plates (Allopro, Sulzer Orthopedics GmbH, Freiburg, Germany). The specimen were subdivided in 4 groups: complete and incomplete (4/5 of the mediolateral tibial diameter in height of the horizontal sawing-jig) osteotomies each with and without an additional oblique cancellous screw. Constant axial load of 200 Newton and rotational velocity of 0,496°/sec. was applied during testing (Universal Testing Machine, Fa. Wolpert, Ger-many). 8 ovine specimen were tested without osteotomy or rigid fixation as a control group. For statistical analysis the Kruskal-Wallis test was used for distribution of the specimen. Statistical significance (p<0,05) was determined via the nonparametric Mann-Whitney U-test. The results were charted with SPSS (version 11.0). Correlati-on between objective measurement parameters and primary rotational stability of the specimen was displayed according to Pearson. The primary rotational stabilty in group 1 (intact medial cortical bone, incomplete osteotomy with additional oblique cancellous screw) was significantly (p<0,05) higher than in groups 2, 3 and 4. In this group the resulting torsional moments in the initial part of the charted graphs were even higher than in the control group (p>0,05). Group 2 (incomplete osteotomy without a oblique cancellous screw) showed a significantly higher primary rotational stability compared to the groups with complete osteotomy (group 3 and 4). Between the groups with complete osteotomy (3 and 4) no significant differences in rotational stability occured. No significant correlation could be found between the objecti-ve measurement parameters of the specimen (length, weight, maximal width of the tibial plateau) and the primary rotational stability of the rigidly fixated ovine tibiae (p>0,05). This biomechanical in-vitro assessment showed that an intact medial cortical bone bridge has a statistically significant impact on the primary rotational sta-bility of lateral closed-wedge osteotomies in proximal tibiae (p<0,05). An oblique can-cellous screw through the osteotomy gap has an additional effect concerning rotatio-nal stability. In case of complete osteotomy of the proximal tibiae or due to ina-dequate operative technique the stabilizing effect of the medial cortical bone bridge gets lost. This results in a deterioration of rotational stability at the osteotomy site and in a sufficicantly rigid fixation is no longer guaranteed. In this case an additionally inserted oblique cancellous bone screw leads to higher resistance against rotational forces. The direction of rotation has no statistically significant impact on the primary rotational stability of the osteotomy site. A rigid osteosynthetic stabilization of cor-rective osteotomies in proximal tibiae seems a condition precedent to obtain the desi-red correction angle. Besides it enables the patient to paticipate in early rehabilitation and to perform full weight-bearing on the operated extremity. Incomplete osteotomies with intact medial cortical bone bridge and additional oblique cancellous screw through the osteotomy gap an even higher primary rotational stability than the native specimen of the control group.
Publication :
Universitätsbibliothek der Technischen Universität München