Wandel der Sterblichkeitsverteilung Schwerverletzter – Eine Analyse des TraumaRegisters® der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie
Übersetzter Titel:
Change in the temporal distribution of mortality in severely injured patients – is trimodality still up to date? An analysis of the TraumaRegister DGU®
Autor:
Rauf, Rauend
Jahr:
2018
Dokumenttyp:
Dissertation
Fakultät/School:
Fakultät für Medizin
Betreuer:
Huber-Wagner, Stefan (Prof. Dr.)
Gutachter:
Huber-Wagner, Stefan (Prof. Dr.); Biberthaler, Peter (Prof. Dr.)
Sprache:
de
Fachgebiet:
MED Medizin
Stichworte:
Polytrauma, Mortalität von Schwerverletzten, TraumaRegister
Übersetzte Stichworte:
Trauma, Mortality, Severe Injuries, Trauma Registry
TU-Systematik:
MED 530d
Kurzfassung:
Das Polytrauma stellt für jedes Gesundheitssystem, in Entwicklungs- und Industrieländern gleichermaßen, eine große Herausforderung dar. In Deutschland werden schwer verletzte Patienten in den meisten Regionen aufgrund der effizienten Zusammenarbeit aller beteiligter Disziplinen und einer modernen Infrastruktur auf hohem Niveau behandelt. Zwar konnte die Mortalität des Polytraumas durch Organisation und Weiterentwicklung der Traumasysteme deutlich gesenkt werden, sie bleibt jedoch mit ca. 18% auch heute noch relativ hoch.
Aus diesem Grund hat die Analyse der Traumaletalität und ihrer zeitlichen Verteilung eine entscheidende Bedeutung für Weiterentwicklung und Fortschritt der Versorgung schwerverletzter Patienten und in gleicher Weise auch für Unfallpräventionsmaßnahmen.
Fragestellung: Historische, bisher nicht neu verifizierte Daten legen eine trimodale Sterblichkeitsverteilung Schwerverletzter mit drei Gipfeln nahe: 1. Präklinisch Verstorbene, 2. Früh innerklinisch Verstorbene (<48h) und 3. Spätverstorbene durch Sepsis und MOV nach mehr als 1 Woche nach Trauma. Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, anhand von Daten des TraumaRegisters® der DGU (TR-DGU) zu überprüfen, ob diese historische Verteilung angesichts eines veränderten Traumamanagements noch zutreffend ist.
Methodik: Retrospektive Auswertung des TR-DGU 2002-2015. Einschlusskriterien: Verstorbene Patienten mit ISS ≥ 16. Analyse der zeitlichen Mortalitätsverteilung, des Unfallmechanismus und Verletzungsmusters sowie der Altersverteilung verstorbener Schwerverletzter (Kaplan-Meier Kurven). Untersucht wurde ausschließlich die Gruppe der primär in einem Traumazentrum aufgenommenen Patienten unter Ausschluss von Zu- und Weiterverlegten. Daten von Unfalltoten, die noch am Unfallort bzw. vor Ankunft in der Klinik versterben, werden im TR-DGU nicht erfasst, weshalb diese nicht miteinbezogen werden konnten.
Ergebnisse: Insgesamt waren im untersuchten Zeitraum n = 78.310 registrierte Schwerverletzte zu verzeichnen, davon waren 14.816 verstorben, was einer Mortalität von 18,9% entspricht. Der ISS der Verstorbenen betrug im Mittel 36,0 ± 16,0 (Überlebende 25,2 ± 9,3). Männlich 66,7%. Verstorbene hatten ein mittl. Alter von 59,5 J. ± 23,5 (Überlebende 47,3 J. ± 20,9). Im Kollektiv der Verstorbenen betrug der Anteil jener, die innerhalb der ersten Stunde nach Einlieferung in die Klinik verstorben waren 10,8%, nach 6 h 25,5%, nach 12 h 40,0%, nach 24 h 53,2% und nach 48 h bereits 61,9%.
Der Anteil der Verstorbenen wies einen konstanten Rückgang auf, ein sog. dritter Gipfel nach mehreren Tagen oder Wochen konnte nicht nachgewiesen werden.
Ein schweres SHT (AIS Kopf ≥ 3) lag bei 76,4% der Verstorbenen vor, ein schweres Thoraxtrauma (AIS Thorax ≥ 3) bei 50,7%, ein schweres Extremitätentrauma bei 28,7% und ein schweres Abdominaltrauma bei 17,1%. Ein höheres Lebensalter (> 55 Jahre) ist mit einer längeren Zeit bis zum Eintritt des Todes vergesellschaftet.
Schlussfolgerung: Anhand von Daten aus dem TR-DGU lässt sich ein klarer Wandel in der Sterblichkeitsverteilung Polytraumatisierter aufzeigen. Ein sog. dritter Peak der Sterblichkeit nach mehreren Tagen oder Wochen nach Trauma kann in einem modernen System der Versorgung von Polytraumapatienten nicht mehr nachgewiesen werden. Mögliche Ursachen könnten auf die Etablierung neuer Behandlungsalgorithmen, der Implementierung von Traumanetzwerken und auf Fortschritte in der intensivmedizinischen Therapie zurückzuführen sein.
Übersetzte Kurzfassung:
Background: The temporal distribution of trauma mortality has been described as a trimodal pattern with an immediate, early and late peak. The studies postulating this pattern were conducted almost half a century ago. In modern health care systems such a distribution might not be applicable any more.
Methods: Data from the TraumaRegister DGU® was analysed retrospectively. Between 2002 and 2015, all registered in-hospital deaths with an ISS ≥ 16 were evaluated considering time of death, trauma mechanism, injured body area, age distribution, rates of sepsis and multiple organ failure. Surviving patients represented the control group. Pre-hospital trauma deaths were not considered.
Results: In total, 78,310 trauma patients were registered. Non-survivors constituted 14,816 representing a hospital mortality rate of 18.9%.
Mean ISS of non-survivors was 36.0±16.0, 66.7% were male, mean age was 59.5±23.5. Within the first hour after admission to hospital, 10.8% of deaths occurred, after 6 hours the percentage increased to 25.5%, after 12 hours 40.0%, after 24 hours 53.2% and within the first 48 hours 61.9%. Mortality showed a constant temporal decrease with no pattern of bi- or trimodal distribution. The main trauma mechanism was blunt trauma in about 95%. Traffic accidents accounted for 47.0% of deaths with car accidents as leading cause. 18.1 % died of a fall > 3m and 26.0 % suffered from a fatal fall < 3m. Severe head injury (defined by Abbreviated Injury Scale, AIS-Head≥3) was found in 76.4% of non-survivors, 69.2% had an initial Glasgow-Coma-Scale of ≤ 8. Patients with an isolated head injury showed a more distinct decrease in survival rate, which was accentuated in the first days after admission. 50.7% of the fatalities had a severe thorax trauma (AIS≥3), 28.7% had a severe extremity trauma (AIS≥3) and 17.1% had a severe abdominal trauma (AIS≥3). The correlation of age and time of death showed a proportional increase with age. The rate of sepsis and multiple organ failure among non-survivors was 11.5% and 70.1%, respectively.
Conclusion: In a modern trauma care system, the mortality distribution of severely injured patients does not follow a trimodal distribution, but shows a constant decrease.