Die zwei nachfolgend beschriebenen Entwicklungen im Bereich des Maschinen- und Anlagenbaus dienten als Motivation für das Forschungsvorhaben AutoVIBN:
(1) Die Funktionalität moderner Produktionssysteme wird zunehmend durch die Steuerungssoftware realisiert. Zudem steigt durch neue technische Möglichkeiten und Kundenwünsche der Funktionsumfang der Maschinen. Bedingt durch die starke Kopplung der Steuerung an das Produktionssystem ist allerdings ein isolierter Test der Steuerungssoftware nur sehr eingeschränkt möglich. Aus diesem Grunde findet ein großer Teil der Testaktivitäten meist in der Integrations- und Inbetriebnahmephase statt. Ein Ansatz, die Software frühzeitig zu prüfen, ist die virtuelle Inbetriebnahme (VIBN). Hierbei wird die reale Anlage durch ein virtuelles Maschinenmodell ersetzt. Dadurch ist es möglich, den Gutablauf des Programms sowie Fehlerszenarien schon während der Konstruktionsphase zu durchlaufen und aufwandsarm zu prüfen. Der Aufbau dieser Simulationsmodelle gestaltet sich derzeit noch sehr aufwändig, weshalb die VIBN im industriellen Umfeld als Methode der Qualitätssicherung noch wenig Anwendung erfahren hat.
(2) Moderne mechatronische Produktionssysteme sind durch ein Zusammenwirken der Disziplinen Mechanik, Elektrotechnik und Software gekennzeichnet. Vor allem in der Entwicklungsphase stellt die Integration der unterschiedlichen Fachbereiche eine Herausforderung für die Maschinenhersteller dar. Sequenziell aufgebaute Prozesse führen zu langen Entwicklungszeiten. Zusätzlich erschweren die mangelnde Dokumentation und die unzureichend unterstützte Kommunikation die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen.
Im Rahmen des Forschungsvorhabens AutoVIBN wurden diese Problemstellungen aufgegriffen und eine Beschreibungstechnik entwickelt, die eine disziplinunabhängige, funktionale Modellierung einer Anlage erlaubt. Die Modellierungstechnik, im weiteren Verlauf des Dokuments Funktionsbeschreibung genannt, wurde durch ein hier entwickeltes Softwarewerkzeug ergänzt. Dieses ermöglicht die Erstellung und die frühzeitige Simulation von Funktionsbeschreibungen sowie die Nutzung der gesammelten Informationen für die Anlagenentwicklung.
Des Weiteren ist für eine bessere Integration mit disziplinspezifischen Modellen eine werkzeuggestützte Rückführung und Konsistenzprüfung von CAD-Daten in die Funktionsbeschreibung umgesetzt. Zusätzlich wurden Richtlinien bezüglich der CAD-Modellierung erarbeitet, die einen maximalen Automatisierungsgrad für die nachfolgende Modellgenerierung der VIBN sicherstellen sollen.
Für die Anwendung im Bereich der Validierung mechatronischer Systeme wurde im Projektvorhaben AutoVIBN zudem eine Technik zur orthogonalen Fehlermodellierung für Hardware-Komponenten entworfen und in der Funktionsbeschreibung implementiert. Dieser Ansatz erlaubt es, das Fehlverhalten von Systembestandteilen zu spezifizieren und die Auswirkungen auf das Gesamtverhalten zu beobachten. Zudem wurden randomisierte Testgenerierungsverfahren konzipiert und in das Funktionsmuster integriert. Damit lassen sich automatisiert Testfälle aus den Modellen ableiten.
Die Funktionsbeschreibung bildet zudem die Grundlage zur Generierung des VIBN-Modells. Dieses wird um entsprechende Informationen erweitert und als C++-Code direkt ausgeleitet. Der Simulationskern kann anschließend mit Hilfe spezieller Hardware an die reale Steuerung gekoppelt werden.
Ausgehend von den oben genannten Aspekten wurde eine Methode erarbeitet, die eine interdisziplinäre Entwicklung von mechatronischen Systemen unterstützt und die eine Modellerstellung für die VIBN von Produktionssystemen weitestgehend automatisiert. Hierfür wurden Daten genutzt, die im Entwicklungsprozess bereits vorhanden sind. Die entwickelten Techniken und Methoden wurden an zwei industriellen Fallstudien erfolgreich erprobt.
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