In den letzten Jahren ist der Druck auf landwirtschaftliche und gartenbauliche Erzeuger gestiegen, Aspekte des Umweltschutzes in unternehmerische Entscheidungen einzubeziehen. Dieser Druck, der nicht nur vom Endverbraucher, sondern auch vom Gesetzgeber, von der Nahrungsmittelindustrie und dem Lebensmitteleinzelhandel ausgeht, führt zu einer steigenden Nachfrage nach Informationen zur „ökologischen Qualität“ landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Erzeugnisse und der zugrundeliegenden Produktionsprozesse. Derzeit existiert eine Vielzahl allgemeiner methodischer Ansätze, die als Verfahren zur Bewertung der Umweltleistung diskutiert werden und vor allem im Bereich der industriellen Produktion häufig Anwendung finden. Während bereits verschiedene, den speziellen Anforderungen landwirtschaftlicher Produktionssysteme angepasste Umweltbewertungsverfahren verfügbar sind, ist eine entsprechende Entwicklung im Bereich der gartenbaulichen Produktion derzeit noch nicht erkennbar. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung eines Konzeptes für ein EDV-gestütztes Verfahren zur Umweltdokumentation und -bewertung (BUIS) gartenbaulicher Produktionssysteme. Im Gegensatz zu den meisten der vorgestellten landwirtschaftlichen Bewertungsansätze, die sich in ihrer Umsetzung primär an den vorhandenen Möglichkeiten der Einzelbetriebe orientieren, stand beim Entwurf und der Implementierung des Gartenbau-BUIS auch die Nachfragerseite, d.h. die variablen Anforderungen potentieller Adressaten der Umweltinformationen als Entwicklungsrichtlinie im Vordergrund. Da das BUIS nicht nur das Informationsbedürfnis externer Zielgruppen befriedigen, sondern gleichzeitig den Betrieb bei der Entscheidungsfindung unterstützen soll, wurde ein systemanalytischer Ansatz gewählt, der zu einem besseren Verständnis der Kausalitäten und komplexen Wechselwirkungen innerhalb des Systems „Gartenbaubetrieb“ beiträgt. Um den Aufwand der Erfassung umweltrelevanter Daten zu minimieren, wurde darauf geachtet, dass das BUIS die Möglichkeit bietet, vor Ort verfügbare Datenquellen für die Umweltbewertung zu erschließen. Die modulare Anbindung vorhandener Datenquellen verringert nicht nur den Arbeitsaufwand, sondern macht den Anwendungskern des BUIS unabhängig von den einzelnen Erfassungsverfahren. Erweist sich eine Datenquelle, z.B. ein mathematisches Modell, ein Messverfahren etc., aus praktischen, technischen oder fachlichen Gründen als ungeeignet für den Einsatz im Rahmen des BUIS, so kann diese problemlos durch eine geeignetere Alternative ersetzt werden. Angesichts der Vielfalt gängiger Umweltbewertungsverfahren und der grundsätzlichen Subjektivität einer Bewertung wurde ein ähnlicher Plugin-Ansatz für den Bewertungsteil des BUIS verfolgt. Die eigentliche Bewertung wurde dazu komplett von der Datenerfassung und Systemmodellierung getrennt. Dies ermöglicht die Anwendungganz unterschiedlicher Bewertungsschemata (unterschiedliche methodische Ansätze, unterschiedliche Wertepools) auf die gesammelten Umweltdaten. Als Nachweis für die Umsetzbarkeit des entwickelten Konzeptes dient die Referenzimplementierung jemih. Im Rahmen der Referenzimplementierung wurde der komplette Funktionsumfang des entwickelten Konzeptes realisiert. Als Umweltaspekte bildet jemih in der vorliegenden Version die Komplexe „Wasser“ und „Stickstoff“ ab. Als Erweiterungsmodule steht eine Auswahl an Plugins zur Datenerfassung sowie ein Bewertungsplugin zur Verfügung. Abschließend wurde auf der Basis von jemih eine Analyse zur Bedeutung des Einflusses der klimatischen Rahmenbedingungen auf das Ergebnis einer Umweltbewertung durchgeführt. Als Klimagrößen standen die Referenzevapotranspiration ET0 und der Niederschlag als wichtige Einflussfaktoren auf den Wasser- und damit auch auf den Stickstoffhaushalt eines gartenbaulichen Produktionssystems im Vordergrund. Zunächst wurde die Eignung der in jemih verfügbaren Plugins zur Abbildung der Referenzevapotranspiration (die Modelle FAO 56 Penman-Monteith, Hargreaves, Turc und Priestley-Taylor) untersucht. Dabei erwiesen sich vor allem das Turc-, aber auch das Hargreaves-Modell als mögliche Alternativen zum Standardverfahren Penman-Monteith, das gegenüber den beiden erstgenannten Ansätzen sehr viel höhere Anforderungen an die Klimadatenerfassung stellt. Voraussetzung für die Anwendung der Alternativverfahren ist eine regionale Kalibrierung der Originalmodelle. Anschließend wurde der Einfluss der kleinräumigen Variabilität der Klimagrößen ET0 und Niederschlag anhand von Messdaten des Agrarmeteorologischen Messnetzes Bayern analysiert. Bereits für sehr geringe räumliche Abstände zwischen den Einzelstandorten ergeben sich zum Teil erhebliche Abweichungen hinsichtlich der Klimagrößen. Die Bedeutung dieser kleinräumigen Unterschiede wurde in einer abschließenden Szenariorechnung demonstriert. Das Ergebnis dieser Szenariountersuchung belegt die Notwendigkeit einer standortindividuellen Betrachtung bei der Implementierung von Umweltbewertungsansätzen im Gartenbau. Ein entsprechendes Konzept, das eben diese Grundanforderung der standortindividuellen Bewertung erfüllt, wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit erstellt und in Form des Prototyps jemih realisiert.
«
In den letzten Jahren ist der Druck auf landwirtschaftliche und gartenbauliche Erzeuger gestiegen, Aspekte des Umweltschutzes in unternehmerische Entscheidungen einzubeziehen. Dieser Druck, der nicht nur vom Endverbraucher, sondern auch vom Gesetzgeber, von der Nahrungsmittelindustrie und dem Lebensmitteleinzelhandel ausgeht, führt zu einer steigenden Nachfrage nach Informationen zur „ökologischen Qualität“ landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Erzeugnisse und der zugrundeliegenden Produktion...
»