In den letzten zehn Jahren hat das automatisierte Fahren hinsichtlich seines Potenzials zur Transformation der städtischen Mobilität an Dynamik gewonnen. Automatisiertes Fahren ist keine vorgefertigte Technologie, sondern ein sozio-technischer Prozess. Daher sind seine Potenziale ambivalent und mit Herausforderungen verbunden, die neue Richtlinien und Vorschriften erfordern. Diese Herausforderungen entstehen aus der untrennbaren Verbindung mit der Dynamik verschiedener sozio-technischer Systeme wie dem System der Automobilität, dem System der IKT, dem öffentlichen Verkehr sowie mit mehrstufigen Governance-Umgebungen. Das automatisierte Fahren wurde demnach durch eine Vielzahl von industriellen, technologischen und administrativen Vereinbarungen geprägt. Das Zusammenspiel dieser Regelungen schafft Unsicherheit und Unklarheit darüber, wie die Umsetzung des automatisierten Fahrens geplant werden soll, was zu einer institutionellen Leere in der Politikgestaltung führt, da es keine vordefinierten Regeln für den Umgang damit gibt. Was passieren wird und zu welchem Effekt, ist durch die Politikgestaltung zu bestimmen. Politikgestaltung ist der Prozess, bei dem die verschiedenen Vereinbarungen interagieren, gesammelt werden und letztendlich definiert wird, was aus automatisiertem Fahren werden wird.
In dieser Dissertation wird untersucht, wie automatisiertes Fahren in der Politikgestaltung produziert wird und welche Auswirkungen diese Produktion auf die Mobilität hat. Zu diesem Zweck wird eine Analyse des Studiums der Politikgestaltung entwickelt, indem das Konzept der Storylines als analytische Linse neu entwickelt wird. Storylines ermöglichen die Untersuchung der historisch entstehenden und dynamischen Prozesse, in denen Akteure, Technologien, Praktiken, Erzählungen und Umgebungen interagieren und politische Entwicklungen hervorbringen. Das Konzept ermöglicht ein Gleichgewicht zwischen der Interpretation von Entwicklungen und ihrer Performativität, womit gezeigt wird, wie diese Entwicklungen entstehen und ablaufen. Aufgrund dieser Konzeptualisierung können die Eventualitäten und Unsicherheiten der Politikgestaltung sowie deren Ergebnis und Potenzial für die künftige Mobilität umfassend untersucht werden.
Basierend auf verschiedenen qualitativen Methoden wie Interviews, Dokumentenanalyse und teilnehmender Beobachtung von Ereignissen, wird die Politikgestaltung des automatisierten Fahrens in zwei Fallstudien analysiert. Die erste Fallstudie zu München zeigt die Politikgestaltung als einen Weg der Dispersion des automatisierten Fahrens von der autozentrischen inkrementellen Automatisierung aus Industrie- und Bundesumgebungen hin zu verschiedenen Mobilitätsdiensten auf städtischer Ebene. Das Kapitel zeigt, wie automatisiertes Fahren neue Perspektiven für das Überdenken langjähriger städtischer Probleme wie Urbanisierung und Platzmangel eröffnet, ohne dass automatisiertes Fahren implementiert wird. Die zweite Fallstudie zu Stuttgart zeigt einen Verlauf der Relegation des automatisierten Fahrens von einem vernetzten Verkehrssystem als Strategie zur wirtschaftlichen Umstrukturierung des Landes Baden-Württemberg hin zu einem Stellvertreter für den öffentlichen Nahverkehr auf städtischer Ebene. Das Kapitel zeigt schließlich, wie das automatisierte Fahren als Stellvertreter eine Änderung der Richtlinien zugunsten des öffentlichen Verkehrs hervorrief.
Insgesamt spiegeln beide Fälle die Potenziale der Nichtumsetzung des automatisierten Fahrens in der Mobilitätspolitik durch zwei unterschiedliche Ansätze wider: einen branchenorientierten Ansatz und einen städtischen Ansatz. Die Dissertation schließt mit der Zusammenfassung dieser Potenziale im Hinblick auf die institutionelle Leere und Unsicherheit. Letztendlich könnten defensive Reaktionen auf Unsicherheiten, wie die Nichtimplementierung einer bestimmten Technologie, die Lücke produktiv füllen, indem neue Erkenntnisse und Lösungen eingeführt werden, wenn die Technologie auf städtischer Ebene kontextualisiert wird.
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In den letzten zehn Jahren hat das automatisierte Fahren hinsichtlich seines Potenzials zur Transformation der städtischen Mobilität an Dynamik gewonnen. Automatisiertes Fahren ist keine vorgefertigte Technologie, sondern ein sozio-technischer Prozess. Daher sind seine Potenziale ambivalent und mit Herausforderungen verbunden, die neue Richtlinien und Vorschriften erfordern. Diese Herausforderungen entstehen aus der untrennbaren Verbindung mit der Dynamik verschiedener sozio-technischer Systeme...
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