In dieser Arbeit wurde zum einen die lokale Durchseuchung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV), zum anderen die Inzidenz, das klinischem Bild und die Therapie der EBV-assoziierten Infektiösen Mononukleose (IM) untersucht. Zu diesem Zweck wurden vier verschiedene Kohorten analysiert. Sie schlossen Studierende der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität München (TUM), Patienten der Kinderklinik München Schwabing mit Neudiagnose einer Krebserkrankung oder frisch diagnostizierter IM und internistische Patienten der München Klinik (MüK) mit IM ein.
Für den ersten Teil der Arbeit wurden prospektiv über drei konsekutive Semester bei insgesamt 647 Studierenden der EBV-Serostatus bestimmt. In diesen drei Semestern zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2017 waren jeweils 221/ 265 (83%), 138/168 (82%) und 173/214 (81%) und insgesamt 532/647 (82%) Studierende positiv für EBNA-1-IgG-Antikörper (Ak). Von den 146 Studierenden, bei denen keine EBNA1-IgG-Ak nachgewiesen werden konnten, zeigten 31 (21%) ein positives Ergebnis für VCA-IgG-Ak. Somit zeigten sich insgesamt 563/647 (87%) als mit EBV durchseucht.
Im zweiten Teil der Arbeit wurden im Rahmen einer Klausurpflichtveranstaltung zu Beginn des Jahres 2016 insgesamt 339 Studierende gebeten, einen anonymisierten anamnestischen Fragebogen zum Thema IM auszufüllen. 236/339 (70%) Studierende beantworteten den Fragebogen. Von diesen 236 Studierenden konnten sich 36 (15%) an eine klinisch manifeste IM erinnern, 192 (81%) gaben an, sich nicht erinnern zu können, an einer IM erkrankt gewesen zu sein, und acht (3%) machten keine Angaben. Das durchschnittliche, erinnerte Manifestationsalter lag bei 15,4 (+/- 4,5) Jahren.
Für den dritten Teil der Arbeit wurden retrospektiv die Ergebnisse der EBV-Serologie von insgesamt 443 Patienten ausgewertet, die zwischen 2007 und 2015 mit gesicherter onkologischer Neudiagnose in der Kinderklinik München Schwabing zur weiteren Therapie vorstellig waren. Die Patienten im Alter von 0 bis 27 Jahren waren zu 57% bzw. 43% männlichen und weiblichen Geschlechts. 218/443 Patienten wiesen sowohl EBNA1- als auch EBV-EA-IgG-Ak auf, fünf (1%) Patienten waren nur positiv für EBNA1- und negativ für EBV-EA-IgG-Ak, 30 (7%) Patienten waren positiv für EBV-EA-, aber negativ für EBNA1-IgG-Ak, und 190/443 (43%) Patienten waren negativ sowohl für EBNA1- als auch EBV-EA-IgG-Ak. Folglich waren insgesamt 253/433 (57%) Patienten mit EBV durchseucht. Die Durchseuchungsraten der älteren Patienten (18-27 Jahre, 86%) in dieser Kohorte lagen nahe an denen der jungen Studierenden (82%).
Für den vierten Teil der Studie wurden retrospektiv über einem Zeitraum von 13 Jahren (2003 bis 2015) insgesamt 178 Patienten mit der Diagnose IM (ICD10 B27.0, B27.8 oder B27.9) identifiziert, die in der Kinderklinik München Schwabing stationär behandelt wurden und deren Serologie mit einer frischen EBV-Infektion vereinbar war. Das Durchschnittsalter lag bei 8,4 Jahren. Von diesen 178 Patienten waren 97 (46%) weiblich und 81 (54%) männlich. Im Durchschnitt waren die Patienten 5,27 Tage stationär im Krankenhaus. Die fünf häufigsten klinischen Symptome waren mit 160/178 (90%), 152/178 (86%), 148/178 (83%), 116/178 (65%) und 70/178 (39%) Tonsillitis, Lymphadenopathie, Abgeschlagenheit, Fieber und Splenomegalie (SM). Die häufigsten pathologischen Laborveränderungen waren mit 130/144 (90%), 117/174 (67%), 108/173 (67%), 103/171 (60%) bzw. 74/178 (42%) atypische Lymphozyten, CRP-Erhöhung, Lymphozytose, Hypertransaminasämie und Anämie. Insgesamt hatten 126/178 (71%) Patienten ein Antibiotikum erhalten, entweder ambulant durch den vorbehandelnden Arzt und/oder während des Krankenhausaufenthaltes.
In einem fünften Abschnitt der Arbeit wurden zusätzlich zu den 178 Kindern 17 erwachsene Patienten der Internistischen Abteilung des Klinikum Schwabings analysiert, die mit der wie oben definierten Diagnose einer IM und passender EBV-Serologie in den Jahren 2014 und 2015 stationär behandelt worden waren. Diese Patienten waren im Schnitt 26 Jahre alt. 10/17 (59%) Patienten waren männlich und 7/17 (41%) weiblich. Durchschnittlich verbrachten die Patienten sechs Tage im Krankenhaus. Die häufigsten klinischen Symptome waren mit 14/17 (82%), 12/17 (71%), 12/17 (71%), 7/17 (41%) bzw. 7/17 (41%) SM, Abgeschlagenheit, Lymphadenopathie, Fieber und Tonsillitis. Die häufigsten pathologischen Laborveränderungen waren mit 12/12 (100%), 16/16 (100%), 16/17 (94%), 8/15 (53%) bzw. 9/17 (53%) atypischen Lymphozyten, CRP-Erhöhung, Hypertransaminasämie, Lymphozytose und Thrombozytopenie. Insgesamt haben zehn (59%) Patienten ein Antibiotikum erhalten, entweder durch den vorbehandelnden Hausarzt und/oder während des Krankenhausaufenthaltes.
Eine bekannte große Herausforderung bei der IM-Diagnostik ist die Abgrenzung von der bakteriell bedingten, im Besonderen der GAS-Tonsillopharyngitis, obwohl es für beide Krankheiten Scores gibt, die bei der Diagnostik unterstützen können (Hoagland-Score für die IM, McIsaac-Score für die GAS-Tonsillits). Wendete man die ursprüngliche Version der Hoagland-Kriterien auf die eigene Kohorte an, erfüllte nur ein sehr geringen Teil der Patienten alle fünf nicht-serologischen Kriterien, die zusätzlich zur EBV-Serologie für die Diagnose einer IM gefordert wurden, nämlich nur 7/142 (5%). Änderte man die ursprüngliche Version der labormedizinischen Kriterien des Hoagland-Scores dahingehend ab, dass einen Punkt für ≥ 10% atypische Lymphozyten oder L/L-Quotienten von > 0,35 oder Hypertransaminasämie vergeben wurde, erfüllten 75% der Patienten en Score. Man hätte durch diese klinisch-chemischen Parameter wegweisende Befunde für eine IM gesammelt, die eine zusätzliche Anforderung der EBV-Serologie rechtfertigten und gleichzeitig mögliche Komplikationen der IM, wie eine Anämie, Thrombozytopenie und höhergradige Leberbeteiligung erfassen. Allerdings ist für diese diagnostische Option im Gegensatz zu einem alleinigen Differenzialblutbild eine venöse Blutabnahme erforderlich und eine kapilläre Blutabnahme nicht ausreichend.
Verwendete man den McIsaac-Score, so erzielten insgesamt 92/141 (66%) Patienten der pädiatrischen Kohorte einen Score von mindestens vier der fünf maximalen Punkte, was laut der damals gültigen Leitlinien die empirische Gabe eines Antibiotikums rechtfertigte. Passend dazu erhielten tatsächlich insgesamt 71% der pädiatrischen und 59% der internistischen Kohorte eine antibiotische Behandlung.
Ein Ergebnis dieser Arbeit ist, dass vor allem eine ausführlichere Labordiagnostik bei Patienten mit Tonsillopharyngitis und unsicherer Diagnose richtungsweisend sein könnte. Die Labordiagnostik sollte ein Differentialblutbild, eine Analyse der hepatischen Transaminasen und eine Bestimmung des CRP-Werts einschließen, da in der eigenen pädiatrischen IM-Kohorte 91/141 (65%) eine Lymphozytose, 97/141 (69%), eine fehlende, milde oder moderate Leukozytose, 90/141 (64%) erhöhte Transaminasen und 116/141 (82%) einen normalen oder nur leicht erhöhten CRP-Wert und damit IM-typische (wenngleich nicht spezifische) Laborveränderungen zeigten.
Ganz wesentlich für die sichere Diagnose der IM bleibt weiterhin die moderne EBV-Serologie, wobei in unklaren Fällen der ELISA durch einen EBV-Immunoblot und/oder eine EBV-PCR ergänzt werden kann. Für das Einsparen von Antibiotika im Kontext der IM ist es darüber hinaus entscheidend, dass zunächst nur eine symptomatische Behandlung und nicht primär eine antibiotische Therapie erfolgt. Dieses Vorgehen kann bei hohem McIsaac-Score und Behandlungswunsch der Patienten bzw. Sorgeberechtigten (wie vom aktuellen DGPI-Handbuch empfohlen) durch eine GAS-Diagnostik im Rachenabstrich ergänzt werden und sollte nur im positiven Falle oder bei Risikopatienten von einer antibiotischen Behandlung gefolgt werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass EBV zwar schon vor 54 Jahren entdeckt wurde, es aber immer noch viele ungeklärte Fragen zur Diagnostik, Therapie und Prävention von EBV-assoziierten Erkrankungen gibt. Eine der wichtigsten Botschaften dieser Arbeit ist, dass die IM eine häufige Erkrankung in Deutschland ist und häufig falsch behandelt wird. Angesichts der Herausforderung, vor der das Gesundheitssystem aufgrund der zunehmenden Antibiotikaresistenzen und des steigenden Kostendrucks steht, ist es von großer Wichtigkeit, Leitlinien zu entwickeln, die dabei helfen diejenigen Patienten sicher zu identifizieren, die signifikant von einer Antibiotikatherapie profitieren bzw. ohne dieselbe abwendbaren Schaden nehmen.
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