Wegen des Strukturwandels und den damit einhergehenden größeren Beständen entwickelte sich die arbeitswirtschaftliche Situation auf milchviehhaltenden Betrieben in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr zu einem Engpaß. Einen Ausweg aus dieser Situation versprechen automatische Melksysteme. Seit Beginn der 80er Jahre arbeiten mehrere Forschergruppen an der Automation der Milchviehhaltung. Einige dieser Ansätze wurden in den letzten Jahren zur Marktreife entwickelt. Vor allem aus Holland sind auch schon erste Ergebnisse über den Praxiseinsatz bekannt. Seit Jahresbeginn 1997 sind auch in Deutschland die ersten Systeme im Einsatz. Was die Auswirkungen des Einsatzes eines AMS auf den Arbeitszeitbedarf und die Anforderungen an Tier und -halter angeht, bestehen noch zahlreiche offene Fragen. Auch über die Zuverlässigkeit automatischer Melksysteme liegen noch keine Erfahrungen vor.
Daher wurden zur Anfertigung dieser Arbeit auf dem Betrieb mit dem ersten automatischen Melksystem in Bayern über 12 Monate hinweg Untersuchungen durchgeführt. Im letzten Monat vor der Umstellung wurden Daten über die Milchviehherde im Anbindestall mit 28 Kuhplätzen erfaßt und mit einer Arbeitszeitstudie der Arbeitszeitaufwand in der Milchviehhaltung ermittelt. Während der Umstellungsphase war der Autor ständig auf dem Betrieb anwesend und unterstützte das Landwirtsehepaar bei der hohen Arbeitsbelastung. So war es ihm möglich, diese zu dokumentieren. Nach der Eingewöhnung von ca. 1 Monat wurden über weitere 10 Monate Daten gewonnen und Erfahrungen gesammelt. Als sich im neuen Stall mit AMS eine Routine eingespielt hatte, wurde dort ebenfalls eine Arbeitszeiterhebung durchgeführt.
Der Arbeitszeitverbrauch im Anbindestall betrug insgesamt 69,8 APh/Kuh x a, wovon 58,8 % auf das Melken entfielen, was als hoher Wert für dieses Haltungssystem anzusehen ist. Ursachen waren eine veraltete Melktechnik, eine schlechte Melkbarkeit einiger Kühe und die ungünstige Kombination von fünf Melkzeugen und zwei Melkern. Als weiteres Merkmal kam hinzu, daß die Kühe im Bestand als sehr sensibel zu bezeichnen waren.
Die Umstellungsphase war sehr zeitintensiv und der Umgang mit den Tieren körperlich anstrengend, weil die Tiere in die Melkbox geschoben werden mußten und nicht geschlagen wurden. Obwohl zu Anfang nur 17 Kühe einzugewöhnen waren, waren die Arbeitspersonen täglich 18 bis 20 Stunden im Stall. Ein geduldiger und behutsamer Umgang mit den Kühen war aber sehr wichtig, um ihnen die Scheu vor der Melkbox zu nehmen, und um den Tieren das selbständige Aufsuchen des AMS beizubringen. Damit wurde gleichzeitig der Grundstein für einen reibungslosen Betrieb des AMS gelegt. So suchten bereits nach drei Tagen die ersten Kühe die Melkbox von alleine auf. Schon nach zwei Wochen war bei über 80 % der Kühe kein Eingreifen mehr nötig. Im Nachhinein entstand der Eindruck, daß die Kühe mehr mit der anderen Umgebung als mit dem neuen Melksystem zu kämpfen hatten.
Im Außenklimastall mit AMS ergab die Arbeitszeitstudie einen täglichen Arbeitszeitaufwand von durchschnittlich 156,6 APmin für die vorhandenen 50 Milchkühe ohne Nachzucht. Von Tag zu Tag traten dabei aber erhebliche Schwankungen auf Das Melken nahm 61,8 APmin in Anspruch. Davon wurden jeweils ein Viertel für Arbeiten am Computer und für Reinigungs- und Wartungsarbeiten am AMS verbraucht. Die andere Hälfte entfiel auf das Zutreiben und Melken von Problemkühen sowie das Eingewöhnen von Färsen. Daraus resultierte ein Arbeitszeitaufwand von 7,5 APh/Kuh x a für das Melken und von 19,1 APh/Kuh x a insgesamt. Somit reduzierte sich der Gesamtarbeitszeitbedarf durch das AMS gegenüber konventioneller Melktechnik (2 x 4 Fischgrätenmelkstand) um 52 % (1 - 19,1 APh I (19,1 APh- 7,5 APh + 28,0 APh)).
Beim Verhalten wurde ein deutlicher Unterschied zwischen den Kühen, die aus dem Anbindestall stammten, und Jungkühen, die nur vom AMS gemolken wurden, festgestellt. Letztere suchten die Melkbox deutlich häufiger auf. Für den Melkrhythmus wurde eine zweigipflige Verteilung mit über fünf Melkungen/h am zeitigen Vormittag und späten Nachmittag gefunden. Über die Mittagszeit und in der Nacht war die Aktivität der Tiere deutlich geringer mit 3 bis 4,5 Melkungen/h. Die Zahl der Melkungen pro Kuh und Tag schwankte im Beobachtungszeitraum im Durchschnitt zwischen 2,5 und 2,9. Bei den einzelnen Kühen reichten die Werte von 1,7 bis 4,7. Von der Zahl der Melkungen pro Kuh und Tag abhängig war die Zwischenmelkzeit In zwei Drittel aller Fälle vergingen zwischen zwei Melkungen einer Kuh zwischen 6 und 10 Stunden. Zeiten unter 5 Stunden deuteten auf einen nicht korrekt verlaufenen Melkvorgang hin, so daß das Tier vorzeitig wieder zugelassen wurde. Zwischenmelkzeiten über 14 Stunden kamen nur sehr selten vor und waren auf ,,Langschläfer'' unter den Kühen oder Tiere mit Klauenerkrankungen zurückzuführen. Deutliche Indizien für die Tierfreundlichkeit des Haltungssystems waren die angenehme Ruhe im Stall und der sehr individuelle Rhythmus, den die Kühe im Laufe der Zeit entwickelten. Diesen Rhythmus durch Beobachtungen im Stall und Datenkontrolle am PC kennenzulernen, war für den Betreuer der Herde sehr wichtig, um die richtigen Managemententscheidungen treffen zu können, denn auf Veränderungen in der Umgebung und Eingriffe in ihren Rhythmus reagierten die Tiere äußerst sensibel.
Während des Beobachtungszeitraums funktionierte das AMS zur vollen Zufriedenheit des Landwirts. Der Ansetzerfolg lag stets über 96 %. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß einzelne Kühe zumindest zeitweise (zwei bis drei Wochen nach dem Kalben, bis sich das Euterödem zurückgebildet hatte) unter Aufsicht gemolken wurden. Im Beobachtungszeitraum erwiesen sich von 60 Kühen 10 % als nicht und 5 % als bedingt AMS-tauglich. Einzelne davon wurden daraufhin als Nutz- oder Schlachtkühe verkauft. Störungen und Defekte kamen recht selten vor; im Durchschnitt etwa alle 14 Tage eine. Sie genügten aber völlig, um eindrucksvoll zu demonstrieren, wie wichtig eine ständige Funktionsbereitschaft aller Bauteile ist.
Die Entwicklung der Milchleistung und der Eutergesundheit wurde lediglich dokumentiert. Ein Einfluß des AMS auf Milchleistung und Eutergesundheit wurde nicht untersucht, da sich außer der Einführung des AMS weitere wesentliche Faktoren auf dem Betrieb verändert hatten. Mit einer deutlichen Leistungssteigerung von 10 bis 15 % als Regelfall ist, vor allem bei einer hohen Auslastung des AMS, vermutlich nicht zu rechnen. Eine Verbesserung der Eutergesundheit bei qualifizierter Betreuung der Herde ist aus Sicht des Autors hingegen anzunehmen.
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