Wie schon eingangs erwähnt, sollten erneuerbaren Ressourcen wie den „nachwachsenden Rohstoffen" verstärkte Aufmerksamkeit zuteilwerden; dies aus mehreren Gründen: fossile Energieträger sind nicht unbegrenzt verfügbar, ein aktiver Beitrag zum Umweltschutz wird geleistet und der Landwirtschaft werden (begrenzt) neue Absatzmöglichkeiten geschaffen.
Neue bzw. ausbaufähige Märkte für Pflanzenöle sind unter anderem in der chemisch technischen Industrie vorhanden. Oft jedoch scheitern pflanzliche Öle an ihren schlechteren physikalischen Eigenschaften (z. B. geringe Alterungsstabilität) als ihr Konkurrent Mineralöl im technischen Sektor. In der chemischen Industrie sind verbreitete einheimische Ölsaaten durch ihre ungünstige Fettsäurezusammensetzung den ausländischen Ölen (vor allem Palmöl und Palmkernöl) unterlegen. Der nach wie vor hohe Preis für inländische Pflanzenöle schlägt in beiden Bereichen negativ zu Buche.
In der Bundesrepublik werden jährlich rund 1 ,8 Mio. t pflanzliche Öle verbraucht; etwa zwei Drittel davon fließen in die Ernährungsindustrie und ein Drittel in die chemisch-technische Industrie. 1983 betrug der Anteil des industriell verwerteten Öles nur ein Viertel der Gesamtmenge. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei 41 %.
Von den Ölpflanzen sind der Raps und der Öllein für hiesiges Klima am besten geeignet; Sonnenblumen- und Sojaanbau ist örtlich begrenzt in Süddeutschland möglich. 1991 wurden in der Bundesrepublik 944 000 ha Raps, 34 000 ha Sonnenblumen, 2 000 ha Sojabohnen und 3 000 ha Öllein angebaut. Dies entspricht jeweils einem Ölertrag von 1,2 Mio. t Rapsöl, 50 000 t Sonnenblumenöl, 1 000 t Sojaöl und 1 800 t Leinöl.
Neben den erwähnten Ölpflanzen gibt es "neue Ölpflanzen", die teilweise noch Wildpflanzencharakter haben, und züchterisch noch bearbeitet werden müssen, um sie anbaufähig zu machen. Sie scheinen die Mühe zu lohnen durch die speziell für die chemische Industrie günstigen Fettsäurezusammensetzungen ihres Öles.
Der Einsatz von Pflanzenölen im "non-food"-Bereich ist als Rohstoff für die chemische Industrie oder im dem technischen Sektor (z.B. als Schmierstoff) möglich.
In der chemischen Industrie werden aus dem Öl verschiedene Ausgangsprodukte (z.B. Fettsäuren, Fettalkohole, Fettamine, Glycerin) gewonnen, die dann in vielen, teils sehr unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten verarbeitet werden. Etwas mehr als zwei Drittel der Industriefette fließen in den Bereich Seifen, Wasch- und Reinigungsmittel und Kosmetika; das restliche Drittel unter anderem in die Bereiche Kunststoffe, Textilhilfsmittel und Farben. Die einheimisch erzeugten Pflanzenöle besitzen oftmals nicht die von der chemischen Industrie gewünschten Fettsäuremuster, nämlich mit einem hohen Gehalt an mittelkettigen Fettsäuren oder mit einem hohen Anteil an einer bestimmten Fettsäure. So werden in der Regel Palmkernöle oder Kokosnußöle dem Raps- oder Sonnenblumenöl vorgezogen. Lediglich Leinöl ist aufgrund seiner spezifischen Fettsäurezusammensetzung ein „lndustrieöl" und wird im Farbensektor und als Grundstoff für Linoleum herangezogen. Um einen vermehrten Einsatz auch von inländischen Ölsaaten in der chemischen Industrie zu erreichen, wird einerseits versucht, das herkömmliche Fettsäuremuster zu verändern, wie beim Raps (+0-Raps) und bei der Sonnenblume (hochölsäurehaltiger Typ). Andererseits wird versucht die neuen Ölpflanzen", die von Natur aus eine interessante Fettsäurezusammensetzung besitzen, praxisreif zu machen.
Momentan werden jedes Jahr 20 000 t Leinöl für die Linoleumproduktion und Farbenherstellung verbraucht. Rapsöl wird dagegen in der chemischen Industrie in allen Sparten in etwa mit der gleichen Menge veranschlagt, jedoch nirgends bevorzugt verwendet. Die jährlich in den alten Bundesländern 410 000 t oleochemisch produzierten Tenside werden hauptsächlich aus dem billigen Rindertalg und ausländischem Palmöl hergestellt. Könnte das momentan mindestens doppelt so teure Rapsöl zum gleich niedrigen Preis angeboten werden, stünde ihm dieses riesige Potential zur Verfügung. In der Pharma-, Kosmetik- und Lebensmittelindustrie werden ebenso Palmöle bevorzugt. Zur Zeit beträgt der Anteil von einheimischen Ölsaaten als Grundstoff in der chemischen Industrie zwei bis drei Prozent der gesamt verwendeten Rohstoffe; wie sich dieser Anteil in Zukunft ändern wird, wird primär von der eigenen Preisentwicklung und vom Preis der konkurrierenden Rohstoffe, vor allem dem Rindertalg, abhängen. Schätzungen liegen bei einer Steigerung um bis zu 20 %, wobei der +0-Raps eine größere Rolle spielen wird. Auch die neuen Ölpflanzen", deren Entwicklung sehr schwer prognostizierbar ist, sind darin berücksichtigt.
Im technischen Verwendungsbereich ist gegenwärtig der Einsatz von Pflanzenölen in bestimmten Bereichen bereits möglich; im Gegensatz zur chemischen Industrie stehen hier nicht das Fettsäuremuster sondern mehr die physikalischen Eigenschaften des Öles selber im Vordergrund. So konkurriert das Pflanzenöl direkt mit dem Mineralöl und auch hier spielt der Preis eine entscheidende Rolle: Pflanzenöle kosten noch bis zweieinhalbmal so viel wie Mineralöle. Somit konnten sich die pflanzlichen Öle bis dato hauptsächlich auf den Märkten etablieren, bei denen der positive Umwelteffekt (rasche Abbaubarkeit) ins Gewicht fällt (z.B. Sägekettenöle). In der Bundesrepublik werden momentan rund 12 000 t pflanzliche Öle im technischen Sektor eingesetzt, wovon der größte Teil (ca. 8 500 t) als Sägekettenöl verbraucht wird. Dem steht eine Gesamtproduktion von 1,245 Mio. t an Schmierstoffen und Hydraulikölen 1991 in der Bundesrepublik gegenüber. Der Sägekettenbereich ist auch der einzige Sektor in dem sich die Pflanzenöle schon einen Marktanteil von ca. 85% erobert haben; in allen anderen Sparten wie Schmierfette, Kühlschmierstoffe für die Metallbearbeitung, Hydrauliköle und Schalungsöle herrscht nach wie vor das Mineralöl vor, und die aus Pflanzenölen gewonnenen Produkte bewegen sich immer um die 0,5 bis 3 % der Gesamtmenge. Daran wird sich auch in naher Zukunft aufgrund gewisser physikalischer Eigenschaften der Pflanzenöle, die sie nicht überall einsatzfähig erscheinen lassen, nichts ändern. Lediglich bei den Hydraulikölen erwartet die betreffende Industrie noch ein stärkeres Ansteigen des Anteils der pflanzenölbasierten Produkte auf ca. 25 % in den nächsten Jahren, was etwa 50 000 t entspräche. Hierzu müssen aber zuerst noch die nachteiligen Wirkungen der Pflanzenöle, vor allem die geringe Alterungsstabilität, in den Griff bekommen werden. Insgesamt dürfte sich also nach Schätzungen das Gesamtpotential der pflanzlichen Öle im technischen Sektor dann bei rund 75 000 t jährlich einpendeln. Hierzu wird hauptsächlich Rapsöl herangezogen, was dann einer Anbaufläche von ca. 62 000 ha entspräche (momentan werden um die 12 000 ha Raps zur technischen Nutzung angebaut). Manche Firmen ziehen bei „Bio-Öien" auch den Weg über die synthetischen Ester den Pflanzenölen vor. Diese sind zwar teurer, weisen aber oft bessere technische Eigenschaften auf und besitzen somit ein breiteres Einsatzspektrum.
Es sind also gemeinsame Anstrengungen aller involvierten Bereiche wie der Pflanzenzüchtung, der Landwirtschaft, der verarbeitenden Industrie und des Bundes (Forschung, gesetzliche Auflagen im Umweltschutz) vonnöten, um allen Seiten gerecht werdende Perspektiven zu öffnen
Bei den in dieser Arbeit untersuchten Märkten für pflanzliche Öle handelt es sich zwar um ein relativ geringes Potential; dieses dürfte zukünftig für die chemisch technische Industrie schon auf rund 75 000 ha Rapsanbaufläche und 50 000 ha Leinanbaufläche bereitzustellen sein, was zusammen etwa 8 % der momentanen Rapsanbaufläche und 0, 7 % der gesamten ackerbaulich genutzten Fläche in der BRD entspricht. Jedoch handelt es sich dabei nur um einen Bruchteil aus dem riesigen Verwendungsbereich der Pflanzenöle. Das mit Abstand größte Potential für pflanzliche Öle, die Verwendung als Treibstoff, wurde hier nicht berücksichtigt, aber dabei treten prinzipiell die gleichen, schon eingangs erwähnten positiven Effekte auf: günstige Auswirkungen auf die Umwelt (rasche und hohe biologische Abbaubarkeit, geschlossener Kohlenstoffkreislauf) und eine alternative Energiequelle zu den begrenzten fossilen Ressourcen. Schließlich werden die in der Landwirtschaft dringend benötigten neuen Absatzmärkte außerhalb der Nahrungsmittelproduktion erschlossen. Die derzeitige Situation der Landwirte als Nahrungsmittelerzeuger in der EG kennzeichnet sich durch einen drastischen Preisverfall der landwirtschaftlichen Produkte, bedingt durch weltweit größere Freihandelszonen. Diese ermöglichen Importe aus Ländern, die unter wesentlich günstigeren Voraussetzungen billiger produzieren können.
Vor diesem Hintergrund muß der Weg der nachwachsenden Rohstoffe, also unter anderen auch Ölpflanzen, zwangsläufig gegangen werden, und auch noch so klein erscheinende Märkte untersucht werden.
«