Rechnergestützte Produktionsverfahren gewinnen durch die wachsenden Herdengrößen in der Milchviehhaltung zunehmend an Bedeutung. Schlüsseltechnologie hierfür ist die elektronische Tiererkennung mittels RFID-Technologie. Sie ermöglicht durch eine automatische und berührungslose Identifikation von Einzeltieren den Einsatz neuer Techniken zur Automatisierung vieler zeitintensiver Arbeitsabläufe wie beispielsweise automatische Fütterungssysteme und das automatische Melken.
Auch zur Überwachung des Einzeltieres stehen heute in Kombination mit der elektronischen Tiererkennung zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung. So kann mittels elektronischer Wiegetröge oder dem Einsatz des Fütterungsroboters Atlantis von Lely die Gesamtfutteraufnahme individuell ermittelt werden. Dies ermöglicht eine bedarfs- und leistungsgerechte Fütterung des Einzeltieres über alle Laktationsphasen hinweg {WENDL und HARMS, 2007).
Die Reproduktionsleistung einer Kuh stellt einen bedeutenden wirtschaftlichen Faktor in der Milchviehhaltung dar (PACHE, 2007). Infolge schwankender Zykluslängen, einer geringeren Brunstintensität und kurzer Brunstdauer bei leistungsstarken Milchkühen werden häufig nur noch 50 % der Brunsten erkannt (BREHME et al., 2004). Um dem entgegen zu wirken, wurden neben Systemen zur Aktivitätserfassung (Pedometer) Geräte zur Überwachung des Progesterongehaltes entwickelt. Zusätzlich zur Aktivität können auch die Parameter Milchmenge und -Ieitfähigkeit zur Brunsterkennung herangezogen werden, welche während des Melkvorganges automatisch erfasst werden können.
Zur Gesundheitsüberwachung, insbesondere der Eutergesundheit, können während des Melkvorganges mehrere Parameter einzeltierbezogen erfasst und ausgewertet werden. Hierzu zählen die Bestimmung der somatischen Zellzahl mittels DNA-spezifischer fluoreszenzmikroskopischer Methoden, die Erfassung der Milchmenge durch volumetrische Messung, Erfassung des Massestroms oder Nah-Infrarot-Technologie sowie die Ermittlung der elektrischen Leitfähigkeit der Milch zur Brunst- und Mastitiserkennung über Elektroden und die viertelspezifische Farbmessung anhand eines Farbsensors. Durch die elektronische Tiererkennung können die genannten Parameter tierbezogen erfasst werden.
Auch die Körpertemperatur kann über die Gesundheit eines Tieres Aufschluss geben. Prototypen für eine kontinuierliche Erfassung stehen heute integriert in Soli oder lnjektate, die zur elektronischen Tieridentifikation eingesetzt werden, zur Verfügung. Klauenerkrankungen haben oft schwerwiegende Auswirkungen auf die Milch- und Fruchtbarkeitsleistungen und führen zu großen finanziellen Einbußen. Eine von Boumatic entwickelte Durchlaufwaage analysiert die Verteilung der Auftrittskräfte eines Tieres und ermöglicht so eine frühzeitige Diagnose von Klauenerkrankungen.
Die Erforschung des Sozialverhaltens von Milchkühen kann z.B. Aufschluss darüber geben, wie sich ein bestimmtes Haltungssystem auf die Tiere auswirkt. Ein System, das die Erfassung der Position von Tieren auch in Gebäuden ermöglicht, ist das LPM der Firma Abatec Electronic AG, Regau (A).
Um die Vielzahl an erfassbaren Informationen für den Landwirt nutzbar zu machen wurden Herdenmanagementprogramme entwickelt. Sie werten die Daten aus und stellen sie für den Nutzer übersichtlich dar.
Bei der Bewertung der Tiergerechtheit konnten sowohl positive als auch negative Aspekte des PDF dargelegt werden. So beeinträchtigt die Automatisierung an manchen Stellen die Synchronisation von Verhaltensweisen, also die Neigung der Tiere, ihr Verhalten dem der Herdengenossen anzugleichen. Darüber hinaus kann das Ausmaß, in dem rangniedrige Kühe ihre Bedürfnisse befriedigen können, eingeschränkt werden. Dies äußert sich vor allem darin, dass sie dafür auf unattraktive Zeiten ausweichen müssen.
Positiv ist zu werten, dass durch den Einsatz von Sensorsystemen aussagekräftige Daten zur Betreuung des Einzeltieres zur Verfügung stehen, mit denen diese intensiver und genauer durchgeführt werden kann als es der Mensch allein vermag. Zudem wirkt sich die Automatisierung entscheidend auf das Tierverhalten aus, indem sie der Kuh eine individuelle Bestimmung ihres Tagesablaufes gewährt.
So stellt das Precision Dairy Farming insgesamt einen Ansatz dar, mit dem die Tiergerechtheit in der Milchviehhaltung bedeutend beeinflusst werden kann. Dennoch sollte durch die vorliegende Arbeit auch ersichtlich geworden sein, dass das System nur so gut sein kann, wie es der Mensch durch seine Nutzung zulässt.
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