Das Potential von C-S β-Lyasen und Lipasen zur Freisetzung sensorisch aktiver Thiole aus nichtflüchtigen schwefelhaltigen Vorstufen wurde untersucht. Die Substrate wurden durch Michael-Addition von Nucleophilen (Cystein, Thioessigsäure) an α,β-ungesättigte Carbonylverbindungen (Pulegon, E-2-Hexenal) synthetisiert. Ihre Strukturen wurden mittels GC/MS, LC-MS und 1H/13C NMR untersucht. Als Quellen für C-S β-Lyasen wurden ein aus Eubacterium limosum gewonnener zellfreier Extrakt, eine kommerziell erhältliche Tryptophanase aus E. coli sowie Hefe (Saccharomyces cerevisiae) verwendet. Für die Lipase-katalysierten Hydrolysen wurden kommerziell verfügbare Enzympräparate mikrobiellen, pflanzlichen und tierischen Ursprungs eingesetzt. Der stereochemische Verlauf der Umsetzungen wurde mittels kapillargaschromatographischer Untersuchungen auf chiralen stationären Phasen verfolgt. Die Addition von Cystein an die Doppelbindung von Pulegon resultierte in der bevorzugten Bildung der trans-konfigurierten diastereoisomeren Produkte, unabhängig von der Konfiguration an Position C1 des Ausgangsmaterials. Die eingesetzten β-Lyasen akzeptierten 8-S-L-Cysteinyl-p-menthan-3-on als Substrat und setzten 8-Mercapto-p-menthan-3-on, eine intensiv nach Cassis riechende Verbindung frei. Die Spaltung verlief mit nur geringer Enantioselektivität; für Tryptophanase war eine Bevorzugung des (1S,4S)-Stereoisomers zu beobachten. Die Diastereoselektivität war stärker ausgeprägt; Tryptophanase und der Extrakt aus E. limosum zeigten eine Bevorzugung der (1R,4S)- und (1S,4R)- Diastereoisomere. Ein Screening von β-Lyasen aus anderen Quellen, z.B. Pflanzen, in denen Thiole wichtige Aromastoffe darstellen, zeigte, dass Passionsfrüchte sowie die Blätter von Schwarzer Johannisbeere und Buchsbaum Cysteinkonjugat-β-Lyase-Aktivitäten aufwiesen. Das aus der Reaktion von E-2-Hexenal und L-Cystein resultierende Produkt konnte als 2-(2-S-L-Cysteinylpentyl)-1,3-thiazolidin-4-carbonsäure identifiziert werden. Die Umsetzung dieses Konjugats mit Tryptophanase aus E. coli bzw. dem Extrakt aus E. limosum führte zur Bildung von 3-Mercaptohexanal. Die Reaktion verlief unter leichter Bevorzugung des (S)-konfigurierten Produkts, jedoch mit nur geringer Umsatzrate. Die Rolle von 3-S-L-Cysteinylhexanal als Substrat für β-Lyasen wurde durch in situ Bildung dieser Komponente aus 3-S-(N-acetyl-L-cysteinyl)hexanal mittels Acylase aufgezeigt. Entgegengesetzte Enantioselektivitäten wurden für die Freisetzung von 3-Mercaptohexanol, der in Passionsfrüchten und verschiedenen Traubenmosten vorkommenden Schlüsselaromakomponente, aus 3-S-L-Cysteinylhexanol durch den Extrakt aus E. limosum bzw. Tryptophanase beobachtet. Verschiedene Hefen bildeten 3-Mercaptohexanol ausgehend sowohl von 2-(2-S-L-Cysteinylpentyl)-1,3-thiazolidin-4-carbonsäure als auch von 3-S-L-Cysteinylhexanol. Die Reaktionen verliefen ohne bevorzugte Bildung eines Enantiomers. Strukturelle Einflüsse auf die Aktivitäten von β-Lyasen wurden durch Umsetzung synthetisierter Substratanaloge untersucht. Die Hydrolyse von 3-Acetylthiohexanal wurde durch alle getesteten Lipasen katalysiert. Die Enzympräparate zeigten deutliche Unterschiede hinsichtlich Aktivität und Enantioselektivität. Die Lipase B aus Candida antarctica zeigte die am stärksten ausgeprägte Enantioselektivität und setzte die (S)-konfigurierte Thiol-Verbindung frei. Durch Immobilisierung des Enzyms und Einsatz von tert.-Butanol als zusätzliches Lösungsmittel konnte die Enantioselektivität gesteigert werden. Eine Modifizierung des Acylrestes im Substrat durch eine voluminösere Gruppe (3-Benzoylthiohexanal) verringerte die Umsatzrate, hatte jedoch keinen signifikanten Einfluss auf die Enanatioselektivität. Für die meisten der getesteten Enzympräparate waren Aktivität und Enantioselektivität für die Hydrolyse von 3-Acetylthiohexanol deutlich geringer als für die des Aldehydsubstrats. Die untersuchten 3-Acetylthioverbindungen besitzen attraktive sensorische Eigenschaften. Die Stereoisomere zeigten deutliche Unterschiede; nur eines der Enantiomere besaß die angenehme Zitrus-Note. Die erarbeiteten Daten zeigen, dass es lohnenswert ist, in Methoden zur Gewinnung optisch reiner (angereicherter) Stereoisomere schwefelhaltiger Aromastoffe zu investieren und die Stereoselektivität Enzym-katalysierter Reaktionen zu nutzen. Die für β-Lyasen und Lipasen im Zuge kinetischer Racematspaltungen aufgezeigten Eigenschaften sollten sowohl für präparative Anwendungen als auch für weitere biogenetische Studien von Nutzen sein.
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Das Potential von C-S β-Lyasen und Lipasen zur Freisetzung sensorisch aktiver Thiole aus nichtflüchtigen schwefelhaltigen Vorstufen wurde untersucht. Die Substrate wurden durch Michael-Addition von Nucleophilen (Cystein, Thioessigsäure) an α,β-ungesättigte Carbonylverbindungen (Pulegon, E-2-Hexenal) synthetisiert. Ihre Strukturen wurden mittels GC/MS, LC-MS und 1H/13C NMR untersucht. Als Quellen für C-S β-Lyasen wurden ein aus Eubacterium limosum gewonnener zellfreier Extrakt, eine kommerziell e...
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