Das Ziel der Arbeit ist die Analyse des Naturgefahrenbewusstseins der Bevölkerung im Bayerischen Alpenraum über Sturzfluten und Rutschungen und der Wirkung von Kommunikationsinstrumenten. Kommunikationskonzepte über Naturgefahren bedürfen einer genauen Klärung der Ansprüche und Überzeugungen der Zielgruppen, damit sie die erwünschten Wirkungen entfalten können. Im Zentrum des Untersuchungsansatzes steht das trimodale Modell von MERTEN (1994), das die Wirkung (massenmedialer) Informationen mit den Kriterien Informationsvermittlung, interner und externer Kontext beschreibt. Besonders der Beschreibung des internen Kontextes wurde großes Gewicht beigemessen. Dafür wurde das Naturgefahrenbewusstsein schwerpunktmäßig im Bereich der Wissensdimensionen analysiert. Das Untersuchungsdesign entspricht dem einer Evaluationsstudie. In vier Gemeinden des Bayerischen Alpenraums wurde als Grundlage für die Entwicklung eines Kommunikationskonzepts das Naturgefahrenbewusstsein mittels qualitativer und quantitativer Methoden der empirischen Sozialforschung erhoben. Gemeinsam mit Vertretern der Gemeinden und den verantwortlichen Behörden wurden anschließend Informationsinstrumente entwickelt und eingesetzt. Diese Informationsinstrumente wurden kurz- bis mittelfristig evaluiert. Zusätzlich zu diesem Vorgehen wurden zwei Ausstellungen, die zum 100-jährigen Bestehen der Wildbachverbauung in Bayern gezeigt wurden, evaluiert. Das Wissen über vergangene Schadereignisse nimmt sehr schnell ab. Ca. 50% der Befragten erinnerten sich an ein großes lokales Schadereignis, das sich vor 10 Jahren ereignet hatte. Liegt das Ereignis über 40 Jahre zurück, nannten nur noch wenige dieses Ereignis. Die Halbwertszeit des Vergessens beträgt somit für Sturzfluten ca. 14 Jahre. Das Wissen über die auslösenden Prozesse für Sturzfluten ist deutlich besser als das für Rutschungen und Muren. Dies liegt u.a. daran, dass die Prozesse bei Sturzfluten einfacher zu beobachten sind als bei Rutschungen. Treibholz, das sich an Brücken zu Verklausungen führt, ist beobachtbar, die Veränderungen des Bodenwassergehalts, die eine Rutschung auslösen, dagegen nicht. Vorstellungen über Natur- und Umweltschutz und Hochwasserkatastrophen im Flachland beeinflussen oft die Vorstellung der Bevölkerung über die Naturgefahrenprozesse und mögliche Vorsorgestrategien. Fehlkonzepte wie Sturzfluten können nur nach lang anhaltenden Regenfällen auftreten bzw. man müsse an Wildbächen natürliche Retentionsräume wiederherstellen, sind daher weit verbreitet. Unter Eigenvorsorge stellen sich die Befragten am ehesten Dämme bzw. Maßnahmen, die das Eindringen des Wassers ins Haus verhindern vor. Notfallmaßnahmen werden fast ausschließlich von solchen Personen genannt, die bereits Schäden durch Naturgefahren erlitten haben. Innerhalb des Forschungsprozesses hat sich herausgestellt, dass mittels des Konzepts der Bewältigungsmodi der Angst nach KROHNE (1998) das Handeln der Befragten gut erklärt werden könnte. Bisher wurde diesem Thema in den relevanten Forschungsrichtungen mit Ausnahme der Post-Disaster-Phase zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Bevölkerung informiert sich hauptsächlich über die Massenmedien über die Naturgefahren. Mittels einer Clusteranalyse konnten dabei drei Gruppen unterschieden werden. Gut ein Viertel der Befragten informiert sich insgesamt wenig über Naturgefahren. Diese Personengruppe können also nur Multiplikatoren, die diese Personen direkt ansprechen, für das Naturgefahrenthema interessieren. Ca. 40% der Befragten nutzen überwiegend die Massenmedien und rund ein Drittel informiert sich zusätzlich auch über das lokale Umfeld, d.h. Nachbarn, Gemeindevertreter usw. Die primäre Zielgruppe für eine Kommunikationsstrategie, die von Naturgefahren bedrohten Einwohner der Gemeinden, zeichnen sich durch ein leicht besseres Wissen als die Nicht-Bedrohten aus. Sie informieren sich stärker mit Hilfe der lokalen Quellen und sind (trotzdem) unzufriedener mit der Information durch die Gemeinden und die zuständige Verwaltung. 30-40% der Befragten konnten sich erinnern, Informationsinstrumente, die an alle Haushalte verteilt wurden, gelesen zu haben. Eine deutlich höhere Wahrnehmungsquote erreichte nur ein Lehrpfad, der seit 1996 in dem Naherholungsgebiet einer Untersuchungsgemeinde besteht. Über 70% der Befragten gaben an, diesen im letzten Jahr besucht zu haben. Im Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag ist eine Serie über lokale Naturgefahren, die in einem Gemeindebrief veröffentlicht wurde und von 29% der Befragten wahrgenommen wurde, viel besser zu bewerten als ein mit hohen Kosten erstelltes Faltblatt, das von ca. 40% der Befragten gelesen wurde. Durch den Informationskanal Gemeindebrief werden Personen verstärkt angesprochen, die gut in das lokale Umfeld eingebunden sind. Die Wurfsendung eines Faltblatts in die Briefkästen aller Haushalte führt zu einer verstärkten Wahrnehmung durch die von Naturgefahren Bedrohten bzw. Geschädigten. Für Ausstellungen und Lehrpfade wurden folgende Zusammenhänge ermittelt. Je textreicher die Informationstafeln sind, desto selektiver werden die Inhalte wahrgenommen. Eine kleine Ausnahme bilden dabei sehr textreiche Ausstellungstafeln, die aufgrund ihrer Aufmachung nur von am Thema interessierten Besuchern betrachtet und somit auch länger gelesen werden Der Median der Betrachtungszeiten schwankt für unterschiedlich textreiche Ausstellungsteile zwischen 5 und 25 Sekunden. Nur beim Lehrpfad, bei dem einzelne Tafeln einen unmittelbaren Bezug zur Landschaft bzw. wasserbaulichen Maßnahmen hatten, traten deutlich längere Betrachtungszeiten auf. Besonders Bilder von vergangenen lokalen Schadereignissen bleiben sehr gut in der Erinnerung haften. Auch werden Themen, die sich mit Natur(schutz) auseinandersetzten, verstärkt wahrgenommen und erinnert. Darüber können teilweise die Botschaften der Verwaltung, d.h. der Mensch braucht Schutz vor Naturgefahren, in den Hintergrund gedrängt werden. Besonders effektiv sind die Informationsmittel dann, wenn sie offene Fragen, die durch Naturereignisse oder bei der Auseinandersetzung mit der Natur entstehen, zeit- und ortsnah beantworten. In der Diskussion wird das der Arbeit zugrunde liegende Kommunikationsmodell entsprechend der Ergebnisse um die Einflüsse der Vorstellungen über Natur ("Naturbrille") und über Naturgefahren allgemein ("Flachlandbrille") erweitert. Außerdem werden die Grenzen einer Kommunikationsstrategie herausgearbeitet. In dem langen Zeitraum, in dem keine Schadereignisse in den Gemeinden auftreten, nimmt das Naturgefahrenthema einen sehr niedrigen Platz auf der persönlichen wie öffentlichen Agenda ein. Handlungsanreize durch eine Pflichtversicherung wie in der Schweiz dürften daher stärkere Wirkungen hervorrufen als eine Verstärkung des Informationsinputs. Folgerungen für einfach umsetzbare Informationsinstrumente für die Praxis bilden den Abschluss der Arbeit.
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Das Ziel der Arbeit ist die Analyse des Naturgefahrenbewusstseins der Bevölkerung im Bayerischen Alpenraum über Sturzfluten und Rutschungen und der Wirkung von Kommunikationsinstrumenten. Kommunikationskonzepte über Naturgefahren bedürfen einer genauen Klärung der Ansprüche und Überzeugungen der Zielgruppen, damit sie die erwünschten Wirkungen entfalten können. Im Zentrum des Untersuchungsansatzes steht das trimodale Modell von MERTEN (1994), das die Wirkung (massenmedialer) Informationen mit de...
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