Die vorliegende Arbeit umfasste zwei Studien zum langfristigen Einfluss einer Hochproteinernährung sowie einer langfristigen Leucinsupplementierung der Diät auf den Proteinmetabolismus adulter Ratten als Tiermodell. Bisherige Isotopenmodelle zu den Auswirkungen einer hohen Proteinzufuhr finden zumeist über einen kurzen Zeitraum bei einmaliger oraler oder intravenöser Verabreichung des Tracers statt. Dadurch werden längerfristige Prozesse im Proteinstoffwechsel nicht ausreichend berücksichtigt. Die in vorliegender Studie angewandte Methode beruhte dagegen auf der alimentären Markierung des Tierkörpers durch die langfristige Verfütterung eines Gemischs 15N-markierter Aminosäuren an juvenile, wachsende Sprague-Dawley-Ratten. Nach Abschluss der Markierung konnte anhand des 15N-Eliminationsverlaufs die Austauschdynamik des Körperproteins in einzelnen Organen und Geweben der Tiere über einen langen Versuchszeitraum untersucht werden. Eine langfristig hohe alimentäre Proteinaufnahme von 26,6 % RP führte über einen Zeitraum von 41 Tagen gegenüber 9,9 % RP zu keiner zusätzlichen Akkumulation von Protein im Gesamtkörper. Im Verlauf des Versuchs wuchsen die Tiere beider Gruppen geringfügig, jedoch zeigte sich der Stickstoffansatz nahezu indifferent gegenüber der Behandlung. Der Überschuss an diätetischem Stickstoff wurde über erhöhte Harn- und Kotausscheidungen ausgeglichen. Eine exzessive Proteinaufnahme beschleunigte den Austausch von Körperstickstoff im Blutplasma, den Organen und Gewebefraktionen im Vergleich zur adäquaten Proteinversorgung. Dies könnte ein Hinweis auf einen erhöhten Proteinturnover und eine Verringerung der Rezyklierung des endogenen Stickstoffs körpereigener Aminosäuren im Gewebe sein. Die Höhe des Proteinaustauschs unterschied sich zwischen den analysierten Gewebefraktionen und nahm in der Reihenfolge Blutplasma > Leber > Verdauungstrakt > Nieren > Milz > Lunge > Herz > Gehirn > Skelettknochen > Haut > Skelettmuskulatur ab. Eine langfristig gesteigerte Leucinaufnahme von bis zu 2,76 % in der Diät führte über einen Zeitraum von 30 Tagen zu keiner Veränderung der Proteinmenge im Gesamtkörper im Vergleich zur Kontrollgruppe (0,46 % Leucin). Die Erhöhung der Leucinversorgung führte zu keiner signifikanten Steigerung des Proteinaustauschs im Plasma und den einzelnen Organen und Gewebefraktionen. Insgesamt zeigt sich in vorliegender Arbeit die breite homöostatische Kompensationsfähigkeit des Organismus angesichts eine langfristigen nutritiven Protein-Überernährung. Die einzelnen Organe und Gewebefraktionen reagierten auf eine langfristige Steigerung der Proteinversorgung durchwegs mit einer zunehmenden Erhöhung und Beschleunigung des Proteinaustauschs bei einem gleichzeitig unveränderten Gesamtbestand an Körperprotein. Mit zunehmender Proteinaufnahme (6,4 % vs. 9,9 % vs. 26,6 % RP) sank die Halbwertszeit des Austauschs im Proteinpool des Gesamtkörpers (40 vs. 34 vs. 22 Tage). Die Differenzierung im Austausch des markierten Stickstoffs im Vergleich zwischen den untersuchten Organen und Geweben ergibt sich möglicherweise langfristig aus den gewebsspezifisch unterschiedlichen Anteilen an mobilen und immobilen Proteinfraktionen.
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