Für die internationale Migration gibt es (noch) keine effektive Form der internationalen Zusammenarbeit. Die vorliegende Arbeit stellt einen ökonomischen Beitrag zu der kontroversen Debatte über die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit in der Migrationspolitik dar.
In einem modelltheoretischen Ansatz wird die strategische Interaktion zwischen den Ziel- und Herkunftsländern der Migranten vor dem Hintergrund der Anreizwirkung internationaler Migrationsmöglichkeiten auf die Humankapitalbildung potentieller Migranten untersucht. Eine solche Anreizwirkung besteht, da die Möglichkeit mit einem hinreichend hohen Bildungsniveau in ein reiches Zielland zu migrieren für die Menschen in den armen Herkunftsländern einen zusätzlichen Anreiz darstellt, in die eigene Ausbildung zu investieren. Da ex ante – zum Zeitpunkt der Bildungsentscheidung – noch nicht klar ist, wer tatsächlich migriert und wer im Herkunftsland verbleibt, haben alle politischen Entscheidungen in Ziel- und Herkunftsländern, die einen Einfluss auf die Bildungsentscheidungen der potentiellen Migranten haben, externe Effekte auf die jeweils anderen Länder. Die Bildungspolitik der Herkunftsländer beeinflusst das Humankapital der in die Zielländer kommenden Migranten und die Einwanderungspolitik der Zielländer das Humankapital derjenigen potentiellen Migranten, die in den Herkunftsländern verbleiben. Die mit diesen externen Effekten zusammenhängende strategische Interaktion zwischen Ziel- und Herkunftsländern ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Im Einzelnen untersucht werden die strategische Interaktion zwischen Ziel- und Herkunftsland (Kapitel 2), die strategische Interaktion zwischen verschiedenen Herkunftsländern (Kapitel 3) und die strategische Interaktion zwischen verschiedenen Zielländern (Kapitel 4). Die wichtigsten Ergebnisse sind die Folgenden:
Die optimale Bildungspolitik eines Herkunftslandes wird von der Einwanderungspolitik des Ziellandes bestimmt. Insbesondere besteht zwischen der Höhe der Mindestanforderungen, die das Zielland an die Ausbildung der Migranten stellt und der Höhe der optimalen Bildungssubventionen im Herkunftsland ein nicht-monotoner Zusammenhang, so dass eine Erhöhung der Mindestanforderungen über ein bestimmtes kritisches Niveau hinaus zu einem Anstieg der optimalen Subventionshöhe im Herkunftsland führt. Mit verschiedenen hinreichend symmetrischen Herkunftsländern, die durch ihre Bildungssubventionen ihren jeweiligen inländischen Humankapitalstock maximieren, führt die strategische Interaktion zwischen den Herkunftsländern zu einem Koordinationsdilemma bezüglich der Höhe der optimalen Bildungssubventionen. Die potentielle Folge ist ein für die Herkunftsländer nicht optimales Gleichgewicht der Bildungssubventionen, indem sie im Verhältnis zu den Migrationsmöglichkeiten ihrer Einwohner zu hohe Bildungssubventionen bezahlen, was zu einem überproportional starken Abfluss öffentlich subventionierten Humankapitals aus den meist ohnehin schon armen Herkunftsländern führt. Mit verschiedenen hinreichend symmetrischen Zielländern, die durch ihre Einwanderungspolitik um die gut ausgebildeten Migranten aus einem gemeinsamen Herkunftsland konkurrieren, führt die strategische Interaktion zwischen den Zielländern zu einem Gefangendilemma bezüglich der Höhe der Mindestanforderungen, die die Zielländer an die Ausbildung der Migranten stellen. Die potentielle Folge sind ineffizient niedrige Mindestanforderungen in allen Zielländern, was das Humankapital aller zukünftigen Migranten negativ beeinflusst.
Ohne die entsprechende internationale Zusammenarbeit sind sowohl der Wettbewerb zwischen den Zielländern als auch der Wettbewerb zwischen den Herkunftsländern mit Koordinationsproblemen verbunden. Die gefundenen Ergebnisse begründen daher die Notwendigkeit einer stärkeren internationalen Zusammenarbeit zwischen Ziel- bzw. Herkunftsländern.
«