Mehrdimensionale Bildungsziele in internationalen Large-Scale Assessments: Konzeptualisierung, Entwicklung und Entstehungsbedingungen am Beispiel der MINT-Fächer
Translated title:
Multidimensional educational goals in international Large-Scale Assessments: Conceptualization, development and determining conditions in the context of STEM subjects
Abstract:
Sowohl gesellschaftlich als auch auf das Individuum bezogen beschränkt sich der Bildungsauftrag der Schule nicht nur auf die Vermittlung von (Fach-)Wissen und kognitiven Fertigkeiten. Zwar bilden diese eine wichtige Grundlage, um selbstbewusst und verantwortlich mit den Herausforderungen der heutigen Zeit umgehen zu können, sie reichen allein jedoch nicht aus. Allgemeine und fachbezogene positive Einstellungen zum Lernen ergänzen Fachwissen und kognitive Fertigkeiten und werden als wichtige Voraussetzungen für lebenslanges Lernen und die aktive Teilhabe an der Gesellschaft gesehen (vgl. Fend, 2008; Prenzel, 2012; Schiepe-Tiska & Schmidtner, 2013). Das Herausbilden von Interessen, Wertvorstellungen und einer positiven Wahrnehmung der eigenen Fertigkeiten sind zentral für weiterführende Ausbildungsentscheidungen und beeinflussen die Bereitschaft, sich auf neue Sachverhalte einzulassen sowie lebenslang zu lernen. Auch in Bildungspolitik und Forschung rückt die Auffassung, dass schulische Bildung mehrere Ziele verfolgt, (wieder) verstärkt in den Mittelpunkt der Betrachtung (Blossfeld et al., 2015; Danner, Lechner & Spengler, 2019). Bereits in den achtziger Jahren betonten Treiber und Weinert (1982), dass die Frage nach dem Erreichen multipler Zielkriterien eine der theoretisch spannendsten und gleichzeitig praktisch bedeutsamsten Fragen darstellt. Dementsprechend wurde die Forderung nach der Berücksichtigung verschiedener Bildungsziele auch in empirischen Untersuchungen regelmäßig wiederholt (z. B. Baumert, 1997, Möller, 2016). Auch wenn sich hier langsam ein Wandel abzeichnet, folgert Möller (2016), dass in aktuellen Untersuchungen nach wie vor selten das Erreichen multipler Ziele thematisiert wird. Daran knüpft die vorliegende publikationsbasierte Habilitation an. Ihr Gegenstand ist es am Beispiel des Programme for International Student Assessments (PISA) die Berücksichtigung und Erfassung mehrdimensionaler Bildungsziele in groß angelegten Schulleistungsstudien (Large-Scale Assessments) zu betrachten, diese empirisch für Deutschland in den internationalen Vergleich einzuordnen und darüber hinaus den Zusammenhang mit Effekten des Kontextes wie der Institution oder der Klassenkomposition sowie Qualitätsmerkmalen des Unterrichts als zentrale Bedingungen für das Erreichen mehrdimensionaler Bildungsziele zu untersuchen. Dabei werden vor allem die Fächer Mathematik und Naturwissenschaften in den Blick genommen. Beide Bereiche sind für die aktive und selbständige gesellschaftliche Teilhabe an der heutigen durch Globalisierung, technologischen Wandel und Digitalisierung geprägten Kultur von zentraler Bedeutung. Außerdem bieten Berufe in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) gute Zukunftschancen und es gilt, fähige Jugendliche für diese Bereiche zu interessieren (vgl. Schiepe-Tiska, Simm & Schmidtner, 2016). Die Arbeit verknüpft erziehungswissenschaftliche und pädagogisch-psychologische Perspektiven der Schul- und Unterrichtsforschung miteinander. Sie setzt sich zum einen mit normativ durchwirkten Rahmenkonzeptionen internationaler Vergleichsstudien wie PISA auseinander, die für die Auswahl und Operationalisierung mehrdimensionaler Ziele in Large-Scale Assessments wichtig sind. Zum anderen wird eine stärker pädagogisch-psychologische Perspektive eingenommen, wenn qualitätsvolle Lehr-Lernprozesse im Hinblick auf unterschiedliche Bildungsziele untersucht werden. Durch die Fokussierung auf Mathematik und Naturwissenschaften wird darüber hinaus die jeweilige fachdidaktische Perspektive mitberücksichtigt.
Translated abstract:
In terms of both, society and the individual, the educational mandate of schools is not limited to impart content knowledge and cognitive skills. Although these form an important basis for dealing confidently and responsibly with today's challenges, they alone are not enough. General and subject-related positive attitudes towards learning complement content knowledge and cognitive skills and are important prerequisites for lifelong learning and an active participation in society (cf. Fend, 2008; Prenzel, 2012; Schiepe-Tiska & Schmidtner, 2013). The development of interests, values and a positive perception of one's own skills influence career decisions, educational attainment, and labor market success as well as the willingness to engage in new situations and to learn throughout one's life. In education policy and research, the view that school pursues several goals is increasingly becoming the focus of attention again (Blossfeld et al., 2015; Danner, Lechner & Spengler, 2019). Already in the 1980s, Treiber and Weinert (1982) emphasized that the question of achieving multiple goals is one of the most exciting question theoretically but at the same time one of high practical relevance. Accordingly, the demand for the consideration of different educational goals was regularly repeated in empirical studies (e.g. Baumert, 1997, Möller, 2016). Even though a change is slowly emerging, Möller (2016) concludes that current studies still rarely address the achievement of multiple goals. The present publication-based habilitation draws on these considerations. Using the example of the Programme for International Student Assessments (PISA), it focuses on the implementation and assessment of multidimensional educational goals in international large-scale assessments. For Germany, these goals are examined and compared internationally with other educational systems. Furthermore, the relations with effects of the context such as the institution or class composition as well as quality characteristics of teaching - as central conditions for achieving multidimensional educational goals - are examined. The focus of the analyses is on mathematics and science. Both subjects are important for the active and independent participation in today's culture shaped by globalization, technological change and digitalization. In addition, careers in science, technology, engineering and math (STEM) offer good job opportunities for the future and it is important to interest capable young people in these areas (cf. Schiepe-Tiska, Simm & Schmidtner, 2016). The habilitation combines educational science perspectives and educational psychology perspectives of research on teaching and learning. On the one hand, normatively influenced frameworks of international comparative studies such as PISA are discussed, that are important for the selection and operationalization of multidimensional goals in large-scale assessments. On the other hand, a more educational psychology perspective is adopted when high-quality teaching processes are examined with regard to different educational learning goals. By focusing on mathematics and science, the respective didactic perspective is also taken into account.
Subject:
EDU Erziehungswissenschaften
DDC:
370 Bildung und Erziehung
Advisor:
Prenzel, Manfred (Prof. Dr.); Seidel, Tina (Prof. Dr.); Lüdtke, Oliver (Prof. Dr.)