Der steigende Wettbewerbsdruck, dem die klassischen Retailbanken durch die sinkenden Zinsspannen und durch den vermehrten Eintritt der Direktbanken gegenüberstehen, führt zur Notwenigkeit, die Prozessabläufe und somit die Kostenseite bei Kreditinstituten neu zu gestalten. Die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise verstärkt den Ergebnisdruck der Banken zusätzlich. Aus diesem Grund müssen die Schwerpunkte der Optimierungsanstrengungen bei Banken nicht wie bisher allein auf den Vertrieb gelegt werden. Vielmehr ist eine Optimierung der Kostensituation in den Kreditinstituten der Schlüssel zum Erfolg. Hinzu kommt, dass durch den verstärkten Wettbewerb und die stark zunehmende Angebotstransparenz auf dem Markt die Kundenbindung bei Kreditinstituten deutlich abgenommen hat.
Um in dieser verstärkten Konkurrenzsituation dem Kunden wettbewerbsfähige Konditionen anbieten zu können, müssen die Prozessabläufe bei Banken neu strukturiert werden. Die Hauptproblematiken, die innerhalb der Prozessabläufe bei Kreditinstituten identifiziert wurden, sind die mangelnde Prozessstandardisierung, die Prozessinstabilität, die hohe Prozessdauer sowie die suboptimale Prozessunterstützung durch die IT. Die in der Literatur beschriebenen Vorgehensweisen des Prozess- und Qualitätsmanagements wurden primär für Industrieunternehmen erstellt. Aus diesem Grund werden die Vorgehensweisen an die Kreditinstitute angepasst und auf sie übertragen.
Um grundlegende Zusammenhänge zu ermitteln, werden theoretische Ansätze zur Prozessoptimierung untersucht. Aus den theoretischen Ansätzen im Kontext des Prozessreengineerings können erste grundsätzliche Optimierungsrichtungen für eine methodische Unterstützung der Geschäftsprozessoptimierung bei Banken abgeleitet werden. Ergänzt werden die Methoden des Prozessreengineerings durch Ansatzpunkte des Qualitätsmanagements und -controllings.
Im Gegensatz zu bisher veröffentlichten Ansätzen liegt der Schwerpunkt dieser Arbeit auf der Adaption industrieller Methoden für den Einsatz bei kundenorientierten Transaktionsprozessen innerhalb von Retailbanken. Das Modell bildet die Grundlage für die Diskussion der Einflussgrößen sowie die Ausgestaltung der modellelementspezifischen Gestaltungsfelder. Als weiteres Element im theoretischen und empirischen Bezugsrahmen wird eine empirische Fallstudienanalyse durchgeführt. Sie dient gemeinsam mit der Diskussion der theoretischen Ansätze der Ermittlung von Einflussgrößen auf das Prozessreengineering. Über eine Cluster- und Relevanzanalyse wird die Grundlage für die Ableitung von Prozesstypen und deren empirischer Verifizierung gelegt.
Im Anschluss folgt mit der theoretischen Untersuchung der Einflussgrößen die Analyse der Rahmenbedingungen für die Anwendung des methodengestützten Konzepts. Auf der obersten Ebene werden die Einflussgrößen in die Prozesskomplexität und das Prozessrisiko unterteilt.
Um zu allgemeingültigen Empfehlungen des Prozessreengineerings bei Retailbanken zu gelangen, andererseits aber situationsspezifische Unterschiede zu berücksichtigen, muss eine begrenzte und zugleich ausreichende Zahl an Strukturecktypen entwickelt werden. Um diese Typen zu identifizieren, werden die durchschnittlichen Ausprägungen der Einflussgrößen der beiden Hauptfaktoren Prozessrisiko und Prozesskomplexität einem Portfolio zugeordnet. In dieser Gesamtportfolio-Darstellung werden die vier Grundtypen über unterschiedliche Ausprägungen der Prozesskomplexität und des Prozessrisikos gebildet. Der Prozesstyp I „Teilproduktion“ entspricht einer geringen Ausprägung der Prozesskomplexität sowie einer niedrigen Ausprägung des Prozessrisikos. Dagegen stellt der Prozesstyp III „Kredit“ eine hohe Ausprägung der Prozesskomplexität und eine hohe Ausprägung des Prozessrisikos dar. Die Typen II „Konto“ und III „Depot“ stellen Zwischenformen mit Variation der Ausprägung jeweils einer Sichtweise dar. Die erarbeiteten Ecktypen werden im weiteren Verlauf einer empirischen Überprüfung unterzogen. Die Fallstudienanalyse beinhaltet in einem ersten Schritt eine fallstudienbezogene Ermittlung der jeweiligen Einflussgrößen und einen übergreifenden Einflussgrößenvergleich. Ein Teilergebnis der Fallstudienanalyse liefert der Vergleich der Fallstudien mit den Ausprägungen der erarbeiteten Prozesstypen. Dabei kann jede Fallstudie eindeutig einem Prozesstypen zugeordnet werden. Die Einflussgrößenanalyse der Fallstudien führt zu zwei wesentlichen Erkenntnissen: Zum einen konnte zu den empirisch erhobenen Einflussgrößen das Spektrum möglicher Ausprägungen in der theoretischen Analyse vervollständigt werden. Zum anderen konnten die erarbeiteten Prozesstypen empirisch verifiziert werden. Die in der empirischen Analyse bei 21 Banken untersuchten zehn Geschäftsprozesse lassen sich gemäß ihrem Einflussgrößenprofil den vier Prozesstypen zuordnen. Sie weisen insgesamt nur geringe Abweichungen von den vorgegebenen Einflussgrößen-Eckprofilen auf.
Die Gestaltung des Reengineering-Prozesses bei Retailbanken orientiert sich stark an einem Phasenmodell. Die Analyse der Gestaltung des Prozessreengineerings beginnt mit der Phase der Prozessanalyse und -dokumentation. Innerhalb dieser Phase werden die Methoden der Auditierung, des Prozessmodells, der Prozesslandkarte und des Prozessbenchmarkings an den jeweiligen Prozesstypen adaptiert. Die Phase der Prozessoptimierung besteht – je nach Prozesstyp – aus den Methoden bzw. den Organisationskonzepten der Variantenbildung, der Standardisierung, den Prüfungsvorgängen, der Schnittstellenanalyse und der Umsetzung. Die Phase des Prozess- und Qualitätscontrollings besteht – je nach Prozesstyp – aus den Methoden des Messsystems, des Berichtswesens, der Fehlerkennzahlen und -analysen, der Prozessverantwortlichen, des Qualitätszirkels, des Eskalationsmodells sowie den Qualitätsrankings und -anreizprogrammen.
Auf Basis der erarbeiteten theoretischen Grundlagen schließt sich eine empirische Analyse der eingesetzten Methoden zum Prozessreengineering nach industriellem Vorbild an. Neben den empirischen Erkenntnissen, die durch die Analyse der Einflussgrößen und Gestaltungsfeldern eingeflossen sind, erlaubt die Analyse der zehn Geschäftsprozesse bei 21 Kreditinstituten einen detaillierten Einblick in den Methodeneinsatz in der Unternehmenspraxis.
Um zu einer Lösung der Probleme im Zuge der Prozessbearbeitung bei Retailbanken zu kommen, ist eine spezifische Definition von Gestaltungsempfehlungen je Prozesstyp erforderlich. Die Notwendigkeit einer prozesstypspezifischen Erarbeitung von Gestaltungsempfehlungen resultiert aus der Tatsache, dass weder in der bisher veröffentlichten Literatur, noch in der Unternehmenspraxis ein differenziertes Konzept für unterschiedliche Rahmenbedingungen existiert. Die in dieser Arbeit konzipierte Systematik für einen fallspezifischen Methodeneinsatz schließt diese Lücke und bietet einen umfassenden Ansatz für das Prozessreengineering bei Retailbanken nach industriellem Vorbild.
Die Bedeutung des Prozessreengineerings wird bei Retailbanken aufgrund des stetig wachsenden Wettbewerbs- und Ergebnisdrucks weiter zunehmen. Dabei werden in Zukunft die Banken erfolgreich sein, denen es nicht nur gelingt, ihre Produkte erfolgreich zu vertreiben, sondern auch die Kostensituation im Kreditinstitut zu optimieren. Die Fähigkeit, die zum Produktverkauf notwendigen Unternehmensprozesse kostenoptimal abbilden zu können, wird in Zukunft nicht nur zu einem margensteigernden Faktor für die Kreditinstitute, sondern wird die Wettbewerbsfähigkeit der Retailbanken insgesamt beeinflussen.
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Der steigende Wettbewerbsdruck, dem die klassischen Retailbanken durch die sinkenden Zinsspannen und durch den vermehrten Eintritt der Direktbanken gegenüberstehen, führt zur Notwenigkeit, die Prozessabläufe und somit die Kostenseite bei Kreditinstituten neu zu gestalten. Die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise verstärkt den Ergebnisdruck der Banken zusätzlich. Aus diesem Grund müssen die Schwerpunkte der Optimierungsanstrengungen bei Banken nicht wie bisher allein auf den Vertrieb gelegt we...
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