Die Weißbeerige Mistel (Viscum album) als epiphytischer Halbparasit der forstlich wichtigen Waldbaumarten Kiefer (Pinus sylvestris) und Tanne (Abies alba) hat intensive, langanhaltende und möglicherweise forstwirtschaftlich negative Effekte auf Waldökosysteme.
Während bisherige Arbeiten sich meist mit Fallstudien in einzelnen oder mehreren Beständen beschäftigten, kombiniert diese Studie landesweit vorliegende Langzeitmonitoringdaten aus verschiedenen Monitoringprogrammen, um auf größerer Skalenebene und mit längeren Zeitreihen Aussagen über die Entwicklung, Ursachen und Auswirkungen des Mistelbefalls in Bayern zu treffen. Neben flächigen Aussagen aus Inventurtrakten in ganz Bayern wurden auch zwei Intensivmonitoringflächen einbezogen.
Terrestrische Aufnahmen des Mistelbefalls wurden mit Mistelvorkommen, die aus hochauflösenden Luftbildern einer Drohnenbefliegung kartiert worden waren, bezüglich ihrer Aussagekraft verglichen. Beide Verfahren für sich eignen sich nur eingeschränkt für detaillierte Aussagen über die Befallssituation einzelner Bäume. Bei der Arbeit mit den Daten musste somit stets eine hohe Unsicherheit der Ergebnisse einkalkuliert werden.
Anhand der terrestrischen Ansprache an den Inventurpunkten wurde der Anteil betroffener Bäume an der Gesamtstichprobe berechnet. Der Mistelbefall hat sich in den letzten Jahren deutlich verstärkt: Sowohl die mittlere Anzahl befallener Kiefern und Tannen (von unter 1% auf über 7%) als auch der Anteil von Inventurtrakten mit Mistelbefall (von ca. 6% auf fast 25%) hat sich seit 2007 deutlich erhöht. Schwerpunkte des Befalls liegen in Mittelfranken und im Bayerischen Wald.
Zur Quantifizierung der Bestandesstrukturvielfalt wurde ein Strukturindex berechnet und seine Werte zwischen Trakten mit und ohne Mistelbefall verglichen. Es konnte jedoch kein Zusammenhang zwischen Mistelbefall und Strukturvielfalt festgestellt werden. Auch bei Betrachtung der horizontalen Verteilung der Mistelbäume auf den Intensivmonitoringflächen konnte kein besonders geklumptes Muster festgestellt werden, lediglich beim Vergleich zwischen Traktecken eines Inventurtraktes fiel auf, dass häufig keine oder alle Traktecken, wesentlich seltener nur einzelne Ecken befallen sind.
Für Waldränder konnte gegenüber geschlossenen Waldgebieten kein statistisch sicherer Zusammenhang mit dem Mistelbefall nachgewiesen werden. Das Mistelvorkommen war jedoch in 5 bis 10 m Abstand von Waldrändern gegenüber anderen Abstandsklassen auffällig höher.
Anhand von Umweltvektordaten, welche Informationen zu Standort- und Wasserhaushaltsparametern für alle Inventurtrakte liefern, wurden in einer logistischen Modellierung die Ursachen des Mistelbefalls untersucht. Hauptursachen waren die Temperatur in der Vegetationszeit, der Magnesiumvorrat im Boden und die Transpirationsdifferenz als Maßzahl für potentiellen Trockenstress.
Topographische Effekte wurden durch den statistischen Vergleich von Höhe, Hangneigung und Hangrichtung zwischen Traktecken mit und ohne Mistelbefall analysiert. Vor allem in der unteren Höhenverbreitung (Kiefer: unter 450 m ü. NN, Tanne: unter 800 m ü. NN) der jeweiligen Wirtsbaumart ist mit häufigem und intensivem Mistelbefall zu rechnen, während in den höheren Lagen wesentlich weniger Traktecken Mistelbefall zeigen. Mistelbefall ist v.a. an weniger geneigten Hängen und in Südsüdwestrichtung zu erwarten. Interaktionen zwischen Topographie und Temperatur als Einflussfaktoren sind sehr wahrscheinlich.
Der Radialzuwachs wird an den Intensivmonitoringflächen mit permanenten Zuwachsmaßbändern gemessen. Mistelbefallene Bäume sind sozial bessergestellt – besonders häufig ist ein Mistelbefall bei vorherrschenden Bäumen zu beobachten. Folglich zeigten mistelbefallene Bäume zweier untersuchter Intensivmonitoringflächen oft einen größeren Zuwachs als unbefallene. Bei getrennter Auswertung nach bestandessozialen Klassen zeigte sich jedoch ein gegenüber dem unbefallenen Baumkollektiv leicht rückläufiger, seit 2013 teilweise auch geringerer Zuwachs der mistelbefallenen Bäume.
Eine kritische Schwelle, ab wann ein Mistelbefall an welchem Standort langfristige und irreversible Auswirkungen auf Vitalität und Zuwachs von Bäumen und Beständen hat, konnte in dieser Studie nicht festgestellt werden. In der weiteren Forschung wäre neben genaueren Betrachtungen hierzu besonderes Augenmerk auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Mistelbefalls zu legen. Während durch Minderzuwächse und erhöhte Mortalitäten wirtschaftliche Verluste in der Holzproduktion zu erwarten sind, könnte die Nutzung von Misteln für andere Zwecke eventuell neue, zusätzliche Einnahmequellen für Forstbetriebe und Waldbesitzer ermöglichen.
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Die Weißbeerige Mistel (Viscum album) als epiphytischer Halbparasit der forstlich wichtigen Waldbaumarten Kiefer (Pinus sylvestris) und Tanne (Abies alba) hat intensive, langanhaltende und möglicherweise forstwirtschaftlich negative Effekte auf Waldökosysteme.
Während bisherige Arbeiten sich meist mit Fallstudien in einzelnen oder mehreren Beständen beschäftigten, kombiniert diese Studie landesweit vorliegende Langzeitmonitoringdaten aus verschiedenen Monitoringprogrammen, um auf größerer Skale...
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