Die zentrale Aufgabenstellung der Arbeit bestand in der Identifzierung von mittels Lasermassenspektrometrie (REMPI-TOFMS) meßbaren Surrogaten für das Toxizitätsäquivalent (I-TEQ) der polychlorierten Dibenzo-p-dioxine und Dibenzofurane (PCDD/F) an großtechnischen Verbrennungsanlagen, z.B. Hausmüll- und Biomassenverbrennung (Holz). Bei der Bearbeitung dieser zentralen Fragestellung ergab sich ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit im Bereich der Bildungsprozesse der untersuchten chlorierten und unchlorierten Aromaten. Insgesamt wurden in dieser Arbeit drei großtechnische Verbrennungsanlagen und eine Pilotverbrennungsanlage auf Chloraromaten (PCDD/F, PCB, PCBz und PCPh) und Aromaten (BTX und PAK) im Temperaturbereich zwischen circa 700oC und 90oC untersucht. Die Anzahl der untersuchten Proben betrug 108. Die Fragestellungen und Ergebnisse dieses Datensatzes und der REMPI-TOFMS Messungen können in vier zentrale Punkte gegliedert werden: 1. Untersuchung zu den statistischen Beziehungen chloraromatischer Spurenverbindungen im Rauchgas von unterschiedlichen Verbrennungsanlagen mit dem Ziel der Identifizierung von Leitverbindungen zur indirekten Bestimmung des I-TEQ Wertes der PCDD/F mittels on-line Lasermassenspektrometrie (REMPI-TOFMS) (Kapitel 4.1 und 4.2). An allen Anlagen wurden hohe Werte für die Korrelationskoeffizienten von Einzelverbindungen, z.B. der PCBz, mit dem I-TEQ Wert der PCDD/F gefunden. Unter der Maßgabe der Eignung dieser Einzelverbindung für die Messbarkeit mit REMPI-TOMFS konnte an den vier untersuchten Anlagen Monochlorbenzol als ein geeigneter Leitparameter identifiziert werden. Darüber hinaus wurde an einer Anlage gezeigt, daß niedrig chlorierte PCDD/F unter bestimmten Anlagenbedingungen, wie z.B. geringe Chlorgehalte des Brennstoffes und hohe CO-Konzentrationen im Rauchgas, keine geeigneten Surrogate für den I-TEQ Wert darstellen (Kapitel 4.1). An zwei Anlagen, der Sondermüllverbrennungsanlage (SMVA) und der Hausmüllverbrennungsanlage (MVA), wurde Monochlorbenzol on-line mit REMPI-TOFMS gemessen und damit über die bekannte statistische Abhängigkeit eine indirekte Bestimmung des I-TEQ Wertes der PCDD/F durchgeführt (Kapitel 4.2). 2. Untersuchungen zur Bildung aromatischer und chloraromatischer Verbindungen entlang des Rauchgaskanals mit dem Ziel, die unter 1. genannte statistische Beziehung der Chloraromaten zu erklären (Kapitel 4.3). Mit den zur Bildung der Chloraromaten durchgeführten Probenahmen wurde gezeigt, daß auch oberhalb des bekannten Bildungsfensters der Chloraromaten von 300-450oC Bildungsprozesse der untersuchten Substanzen stattfinden. Die Nachbildung der untersuchten Chloraromaten zwischen circa 700oC und 200oC ist zehnmal größer als die der PAK. Im Gegensatz zu den Chloraromaten zeigten die BTX sogar eine Konzentrationsabnahme entlang des Rauchgaskanals. Für PCDF, PCB und PCBz wurde eine höhere Bildungsrate im Hochtemperaturbereich der Anlagen als für die PCDD und PCPh gefunden. Verglichen mit den PCDF, PCB und PCBz wiesen die PCDD und PCPh eine um den Faktor 2 höhere Nachbildung entlang des Rauchgaskanals auf. Dieses Ergebnis und der Vergleich mit dem PCDD-Kongenerenmuster aus Kondensationsreaktionen der PCPh, lassen den Schluss zu, daß die PCDD-Kongenerenverteilung in Verbrennungsprozessen stark von PCPh-Kondensationsreaktionen beeinflußt ist. Ferner gibt das für die PCPh gefundene Kongenerenmuster einen Hinweis darauf, daß die PCPh durch einen Angriff von OH-Radikalen an den PCBz entstanden sein könnten. Wie semiempirische quantenchemische Rechnungen zeigten, unterliegen die Kongenerenmuster der PCPh und der PCBz keiner thermodynamischen Kontrolle. Dieses Ergebnis gibt einen Hinweis auf Bildungsprozesse der Chloraromaten, welche nicht nur aus den allgemein gültigen chemischen Gesetzmäßigkeiten ableitbar sind, sondern vielmehr von Anlagenparametern wie Brennstoff, Wandbelegung und Vorhandensein von Spurenstoffen (z.B. Cu vs. Al) abhängen. Für diese Zusammenhänge hat sich der Begriff trace chemistry of fire etabliert, der versucht, die vielen möglichen, aber z.T. nicht näher verstandenen Reaktionswege zu den Chloraromaten aufzuklären. Aus der Analyse des PCDF-Kongenerenmusters ist z.T. mit Hilfe der Literatur die Dechlorierung von höher chlorierten Kongeneren und eine eventuelle Ringschlußreaktion der PCB zu PCDF als die das PCDF-Kongenerenmuster beeinflussenden Prozesse identifiziert worden. Durch die kongenerenspezifische Auswertung der untersuchten Chloraromaten konnten für die verschiedenen Verbindungen mögliche Bildungswege zugeordnet werden. Diese Zuordnung zeigte, daß es für jede chloraromatische Substanzgruppe wahrscheinlich einen spezifischen Bildungsmechanismus gibt und die Bildungswege der Chloraromaten auch miteinander verbunden sein könnten. Die gefundenen Zusammenhänge bei der Bildung der Chloraromaten ermöglichen es, die unter 1. dargestellte Korrelation zwischen dem I-TEQ Wert der PCDD/F und Chlorbenzol besser zu verstehen. Da 60 -70 % der Toxizität des I-TEQ Wertes von den PCDF getragen werden und diese in engem Zusammenhang mit der Bildung der PCBz stehen, ist es schlüssig, dass die PCBz generell gute Surrogate für den I-TEQ Wert der PCDD/F darstellen. Die Kongenerenmuster aller untersuchten Chloraromaten zeigten eine sehr stabile Verteilung. Mit Hilfe von multivariater Statistik wurde gezeigt, dass es im Bereich der Verbindungen mit einer hohen Anzahl an Kongeneren zu einer höheren Varianz der Kongenerenverteilungen kommt. Dieses Ergebnis wurde auf die größere Anzahl der möglichen Reaktionswege für das jeweilige Kongener zurückgeführt. Unter instationären Betriebsbedingungen, wie z.B. Spitzen der CO-Emission, weisen vor allem die ein- bis dreifach chlorierten Homologen aller chloraromatischen Verbindungen eine sehr hohe Konzentrationszunahme entlang des Rauchgaskanals auf, welche unter normalen Anlagenbedingungen nicht beobachtet werden konnte. Dieser Unterschied könnte auf eine Chlorierungsreaktion des bei hohen CO-Konzentrationen in großen Konzentrationen im Rauchgas gefundenen unchlorierten Dibenzo-p-dioxin und Dibenzofuran zurückzuführen sein (siehe 3.). 3. Untersuchungen zu den beobachteten Memory-Effekten für Chloraromaten und Aromaten mit dem Ziel, eine Erklärung sowohl für die erhöhten Konzentrationen als auch für die Musterverschiebung der Chloraromaten zu finden (Kapitel 4.4). Um die Bildung von chlorierten und unchlorierten Aromaten bei gestörten Verbrennungsbedingungen zu untersuchen, wurde an drei Anlagen die CO-Konzentration des Rauchgases gezielt durch substöchiometrische Verbrennungsbedingungen erhöht. Sowohl bei induzierten als auch bei zufällig beobachteten CO-Spitzen wurden über mehrere Stunden erhöhte Konzentrationen aller untersuchten Verbindungen im Rauchgaskanal gemessen (Memory-Effekt). Dabei zeigten die Aromaten vor allem im Bereich der dreifach und höher kondensierten Ringsysteme, wie z.B. Phenanthren und Benzo[a]pyren, nach den CO-Spitzen eine stark erhöhte Konzentration über Stunden hinweg, wohingegen die Konzentration der kleineren Aromaten, Benzol oder Naphthalin, nach der Betriebsstörung wieder auf normale Werte absanken. Da diese Memory-Effekte bereits bei Temperaturen um 700oC auftraten, wurden sie auf thermisch stabile Kohlenstoffablagerungen an den heißen Anlagenwänden in der Nachbrennzone zurückgeführt, die im Laufe der Zeit oxidiert werden. Für die Chloraromaten zeigte sich an allen Anlagen während der CO-Spitzen vor allem ein starker Konzentrationsanstieg der ein- bis dreifach chlorierten Homologen der PCDD/F. Die Homologenkonzentrationen der übrigen untersuchten Chloraromaten wiesen einen wesentlich schwächeren Konzentrationsanstieg während der CO-Spitzen auf. Einige Stunden nach den CO-Spitzen sanken an der SMVA und MVA die Konzentrationen der ein- bis zweifach chlorierten Homologen der PCDD/F und PCB wieder ab, wohingegen für die höher chlorierten Homologen dieser Verbindungen ein deutlicher Konzentrationsanstieg beobachtet werden konnte. An einer Pilotverbrennungsanlage (PVA) wurde ein anderes Verhalten für den Konzentrationsverlauf der niedrig chlorierten PCDD/F-Homologen nach instationären Betriebsbedingungen gefunden. Die Konzentrationen der niedrig chlorierten PCDD/F-Homologen stiegen auch Stunden nach den CO-Spitzen noch an. Der beobachtete Unterschied für die Memory-Effekte der niedrig chlorierten PCDD/F-Homologen zwischen der PVA und der MVA könnte auf die niedrigen Chlorkonzentrationen des Brennstoffes (Holz) und auch auf die pyrolytischen Prozeßbedingungen an der PVA zurückzuführen sein (vgl. 4.). Im allgemeinen war das Kongenerenmuster der PCBz an allen Anlagen am wenigsten durch Memory-Effekte beeinflußt, was diese Substanzgruppe (PCBz) zu geeigneten Surrogaten für die Vorhersage des I-TEQ Wertes der PCDD/F macht. Die beobachteten Memory-Effekte der Chloraromaten an drei Anlagen wurden, wie schon für die PAK, auf die bei hoher Temperatur in der Nachbrennzone gebildeten kohlenstoffhaltigen Ablagerungen an den Anlageinnenwänden zurückgeführt, die sowohl die Quelle für die Kohlenstoffgrundgerüste als auch eine katalytische Oberfläche für eine Chlorierungsreaktion darstellen können. 4. Untersuchung der Bildung von chloraromatischen Verbindungen bei der Holzverbrennung (Kapitel 4.5). An zwei großtechnischen Feuerungsanlagen wurden ausschließlich Brennstoffmischungen aus Holz und Altholz verbrannt, um zu klären, ob und in welchem Ausmaß der Einsatz dieser Brennstoffe eine Auswirkung auf die Menge und die Zusammensetzung der im Rauchgas gefundenen Chloraromaten hat. Es konnte gezeigt werden, dass das Bildungspotential chloraromatischer Verbindungen in Verbrennungsprozessen mit Holz vermutlich aufgrund des niedrigen Chlorgehaltes des Brennstoffes limitiert ist. Ein steigender Chlorgehalt, z.B. durch die Zugabe von Altholz im Brennstoff, führte zu einem deutlichen Anstieg der Chloraromatenkonzentration im Rauchgas. Allerdings wurde durch die Untersuchungen auch klar, daß die Verbrennungsbedingungen für die beobachtete Konzentrationszunahme eine größere Rolle spielen als der Chlorgehalt des Brennstoffes. Auffällig für die gefundenen Chloraromatenkonzentrationen bei der Holzverbrennung im Vergleich zur Hausmüllverbrennung ist der im Verhältnis höhere Anteil der PCDD an der Gesamtkonzentration der PCDD/F. Vermutlich treten aufgrund der höheren Konzentrationen der chlorierten Phenole, welche aus dem thermischen Abbau des Holzes stammen könnten, verstärkt Phenolkondensationsreaktionen bei der Bildung der PCDD auf (siehe 2.). Abschließend läßt sich festhalten, daß die absoluten Konzentrationen der Chloraromaten bei der Holzverbrennung im Vergleich zur Hausmüllverbrennung deutlich niedriger lagen. Dieses Ergebnis ist im wesentlichen auf den niedrigen Chlorgehalt und zum Teil auch auf den um Größenordnungen niedrigeren Kupfergehalt des Brennstoffes zurückzuführen.
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