Im weitesten Sinne ist die Agroforstwirtschaft die Kombination von Bäumen und landwirtschaftlichen Verfahren auf ein und derselben Fläche, wobei die Kombinationsmöglichkeiten unbegrenzt sind. Diese Praktiken werden oft den Tropen zugeschrieben, aber auch in Europa und Deutschland gewinnen sie an Bedeutung. Agroforstwirtschaft ist ein interessantes, aufstrebendes Thema, und dies ist ein besonderer Moment: Die deutsche Regierung ist dabei, der Agroforstwirtschaft in Deutschland einen rechtlichen Status zu verleihen - und festzulegen, was als Agroforstwirtschaft gilt.
Diese Arbeit kartiert die aktuelle Agroforstlandschaft in Deutschland und ihre Institutionalisierung. In einer induktiven Forschung spricht das Material. Und das Material ist vielfältig: Wissenschaftliche Literatur, schriftliche Dokumente, Internetpräsenzen und Experteninterviews mit Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen. Je nach Kontext liefert das Material faktische Informationen oder Material für die Analyse in der Grounded Theory-Methodik (Charmaz, 2006).
Aus historischer Sicht werden Praktiken, Lobbygruppen, Politik und Wissenschaft co-produziert (Jasanoff, 2004a). Agroforstwirtschaft in Deutschland war für die Biomasseproduktion gedacht und sowohl Politik als auch Wissenschaft konzentrierten sich auf diesen Bereich. Lobbygruppen gingen aus wissenschaftlichen Projekten hervor und versuchen, die politischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Agroforstpraxis für die Praktiker:innen erleichtert wird. Der aktuelle politische Rahmen setzt der Arbeit der Lobbygruppen jedoch Grenzen. Die historische Trennung von Land- und Forstwirtschaft kann nicht überwunden werden und Agroforstwirtschaft wird auf landwirtschaftliche Flächen beschränkt sein.
In der heutigen Praxis haben die Praktiker:innen ganz unterschiedliche Lebenswege. Die befragten Personen waren Neo-Praktiker:innen, d.h. sie wechselten nicht von anderen Praktiken zur Agroforstwirtschaft, sondern begannen mit ihrem Vorhaben gleich nach ihrer Berufsausbildung. Diese Neo-Praktiker:innen betreiben Realexperimente (Gross und Krohn, 2005) und treiben die Agroforstwirtschaft außerhalb des Labors voran. Ihre Motivation ist ökologischer oder ökonomischer Natur, aber oft teilen die Akteure nicht dieselben Motivationen. In diesem Zusammenhang wird die Agroforstwirtschaft zu einem Grenzobjekt (Star und Griesemer, 1989) und ist in der Lage, verschiedene soziale Welten zu überbrücken. Die Definitionen, die die Akteur:innen von Agroforstwirtschaft haben, sind ebenfalls individuell, werden aber stark von dem Bild beeinflusst, das die Politik oder die Lobbygruppen vermitteln. Einige Praktiker:innen betrachten ihre eigenen Praktiken nicht als Agroforstwirtschaft, obwohl sie in der Tat landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Praktiken auf der gleichen Fläche kombinieren. Aus den Antworten der Befragten habe ich fünf Kategorien herausgearbeitet, die die Agroforstwirtschaft klassifizieren: Die Art der Praxis, Intentionalität, Komplexität, Intensität und Produkte. Das Konzept der Klassifizierung (Bowker und Star, 1999) geht davon aus, dass die künftige rechtliche Definition möglicherweise nicht alle Praktiken berücksichtigen und die Vielfalt einschränken könnte, wenn sie die Agroforstwirtschaft anhand der Baumdichte auf landwirtschaftlichen Flächen definiert. Die gegenwärtigen Praktiken sind kreativer und vielfältiger als das, was in wichtigen Arbeiten wie Gordon et al. (2018a) dargestellt wurde. Die nächsten politischen Schritte werden ein neues Kapitel der Agroforstwirtschaft in Deutschland aufschlagen; höchstwahrscheinlich ein weniger vielfältiges.
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Im weitesten Sinne ist die Agroforstwirtschaft die Kombination von Bäumen und landwirtschaftlichen Verfahren auf ein und derselben Fläche, wobei die Kombinationsmöglichkeiten unbegrenzt sind. Diese Praktiken werden oft den Tropen zugeschrieben, aber auch in Europa und Deutschland gewinnen sie an Bedeutung. Agroforstwirtschaft ist ein interessantes, aufstrebendes Thema, und dies ist ein besonderer Moment: Die deutsche Regierung ist dabei, der Agroforstwirtschaft in Deutschland einen rechtlichen S...
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