Abstract:
Mit Hilfe staatlicher Aktionsprogramme versuchen seit Mitte der 90er Jahre die Regierungen fast aller industrialisierter Länder ihre jeweiligen Volkswirtschaften auf die Erfordernisse des Informationszeitalters vorzubereiten und den gesellschaftlichen Wandel hin zur Informationsgesellschaft zu steuern. Ziel der staatlichen Maßnahmen ist es dabei vor allem, günstige Rahmenbedingungen für die Entwicklung neuer Medientechnologien zu schaffen und die Verbreitung interaktiver Medien in der Bevölkerung zu unterstützen. In dieser Arbeit werden die klassischen nationalen Initiativen für die Informations-gesellschaft in Deutschland und den USA einem systematischen Vergleich unterzogen und daraufhin untersucht, inwieweit sie ihre selbst gesteckten Ziele erreichen konnten. Bei den Initiativen handelt es sich zum einen um " Info 2000. Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" (1996-1998) und zum anderen um die " National Information Infrastructure" - Initiative (1994-1997) der Clin-ton/Gore-Administration. Bei der Untersuchung der Initiativen stehen jene Maßnahmen, Regulierungs- und Förderstrategien im Zentrum, die sich auf die Entwicklungen im Bereich des interaktiven Fernsehens beziehen. " Interaktives Fernsehen" wird dabei als Oberbegriff für interaktive TV-Dienste (Enhanced TV, WebTV, t-commerce), Breitband-Internet (DSL und Kabelmodemsysteme) und Video on Demand verwendet. Staatliche Handlungsmöglichkeiten ergeben sich in diesem Bereich vor allem bei der Regulierung der Telekommunikation, der Anpassung der inhaltlichen Regulierungsvorgaben und durch Vorgaben für die Umstellung auf das digitale Fernsehen Um die Auswirkungen und damit die Paßgenauigkeit der jeweiligen staatlichen Maßnahmen auf die Entwicklung des interaktiven Fernsehens zu beurteilen, wird der in der politikwissenschaftlichen Implementationsforschung entwickelte Ansatz der Synthese von Top-down- und Bottom-up-Analyse verwendet. Das heißt, es wird zunächst gezeigt, wie die Aktionsprogramme im jeweiligen staatlich-institutionellen Kontext umgesetzt wurden (Top-down) und anschließend dar-gestellt, welche konkreten Auswirkungen die einzelnen Maßnahmen auf die Handlungsbedingungen von Medienanbietern und Mediennutzern vor Ort hatten (Bottom-up). Für die Bottom-up-Analyse wurden sechs Medienentwicklungsprojekte bzw. Einführungsversuche von interaktivem Fernsehen anhand von Interviews und Expertengesprächen erhoben. Detailliert werden in diesen Fallstudien die konkreten technischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Potenziale und Barrieren dargestellt. Bei den Projekten, die stellvertretend für die Entwicklung des inter-aktiven Fernsehens in Deutschland und den USA stehen, handelt es sich im Einzelnen um: · DVB Multimedia Bayern · InfoCity NRW · IVS Stuttgart · WebTV · Excite@Home · Full Service Network Orlando Die Untersuchung kommt zu dem Schluß, daß staatliche Programme zur Förderung von interaktiven Medienanwendungen vor allem dann erfolgreich sind, wenn ihnen eine intelligente Kombination von " harten" (Regulierungsvorgaben im Telekommu-nikations- und TV-Bereich) und " weichen" Faktoren (Agenda-Setting, symbolische Politik, Glaubwürdigkeit) gelingt. Weiterhin wirkt sich ein offener, partizipativer Implementationsprozeß sowie die Fähigkeit der politischen Spitze, die jeweiligen Implementationsstellen entsprechend einzubinden, positiv auf den Um-setzungs-erfolg aus. Der Vergleich mit den USA zeigt, daß die Politik hierzulande stärker auf Infrastrukturwettbewerb zwischen den verschiedenen Zugangstechnologien setzen sollte und flankierende Maßnahmen zur Medienqualifizierung erforderlich sind.