Abstract:
Nervensysteme basieren auf der Zusammenarbeit zahlreicher Nervenzellen. Um ihre Arbeitsweise aufklären zu können, benötigt man eine Methode, die es erlaubt, die Aktivität einer großen Zahl von Nervenzellen auf der Ebene einzelner Zellen zu beobachten.
In der vorliegenden Arbeit wurden hierfür geeignete Sensoren entwickelt. Mit rauscharmen Elektrolyt-Oxid-Silizium-Feldeffekttransistoren (EOS-FETs) konnten die beim Feuern von Säugetierneuronen entstehenden sehr kleinen extrazellulären Spannungen detektiert werden.
Ausgehend von den Skalierungsgesetzen der Zell-Transistor-Kopplung und der Rauschmechanismen wurde eine optimale Sensorgröße abgeleitet. Möglichkeiten zur Reduzierung des Verstärker- und Transistorrauschens wurden untersucht und eine Prozeßführung entwickelt, die rauscharme, glatte und optisch homogene Chips liefert. Die Charakterisierung der nach diesem Prozeß gebauten Transistoren zeigte sowohl die erwartete Abhängigkeit des Rauschens von den Parametern des Transistors als auch die gute Übereinstimmung der Kennlinien mit dem Ergebnis eines numerischen Simulationsprogramms für Feldeffekttransistoren.
Nervenzellen aus dem Hippocampus der Ratte wurden auf den Chips kultiviert. Die spontanen Aktionspotentiale einzelner Neurone konnten verletzungsfrei und mit gutem Signal-Rausch-Verhältnis detektiert werden. Das Transistorrauschen erwies sich als so gering, daß bereits die thermodynamische Grenze extrazellulärer Messungen erreicht wurde: Das Rauschen wurde nicht mehr von den Transistoren, sondern von den Zellen dominiert. Ein zur Beschreibung dieses Abdichtungsrauschens entwickeltes Modell konnte die Beobachtungen, insbesondere den ungewöhnlichen Exponenten der Frequenzabhängigkeit, erklären.
Zum Vergleich mit der traditionellen Methode für extrazelluläre Messungen, planaren Metallelektroden, wurden dichte, erwachsene Kulturen aus Rattenneuronen untersucht. Die dabei beobachteten Signale waren um knapp eine Größenordnung stärker als es von Metallelektroden berichtet wird. Die Diskrepanz wird diskutiert und auf die Andersartigkeit der Meßmethoden und der Kontaktausbildung zurückgeführt.
Die hier vorgestellten Transistoren weisen mehrere für Sensoren wünschenswerte Eigenschaften auf: Ihr Rauschen bewegt sich nahe an der thermodynamischen Grenze, ihre glasartige Oberfläche ist biokompatibel, chemisch homogen und extrem glatt, so daß das biologische System durch die Anwesenheit der Sensoren nicht beeinflußt wird. Sie sind in der Lage, neben den elektrischen auch chemische Signale der Zellen zu detektieren, und kommen in gewissem Sinne sogar ohne jegliche Zellsignale aus, können sei doch bereits die bloße Adhäsion von Zellen nachweisen. Diese Merkmale machen die Transistoren interessant für zahlreiche weitere Anwendungen in Neurobiologie, Zellbiologie und Pharmakologie. Und mit der Beobachtung des Abdichtungsrauschens steht eine neue Methode zur Untersuchung der Zelladhäsion zur Verfügung, die sich zudem auch in vielen nichtbiologischen Situationen anwenden läßt.