Aufgrund des anhaltenden Strukturwandels in Bayern werden die Milchviehbetriebe immer größer. Bei Milchviehstallneubauten spielt der Kuhkomfort, aber auch der Arbeitszeitbedarf eine immer wichtigere Rolle. Bei einem jährlichen Arbeitszeitaufwand von 46-60 h pro Kuh und Jahr stoßen Familienbetriebe bei Beständen von 80-100 Milchkühen an die Leistungsgrenze. Durch einen immer höheren Technisierungsgrad nimmt der erforderliche Zeitanteil für Managementtätigkeiten zu. Aus diesen Gründen wird es immer wichtiger, die Funktionsbereiche Melken, Abkalben und Selektion sinnvoll in das Stallkonzept zu integrieren.
Ziel dieser Arbeit ist es, den Selektionsbereich auf drei verschiedenen Praxisbetrieben zu analysieren und zu bewerten, um Aussagen darüber zu erhalten, wie viele Selektionsplätze in Abhängigkeit der Bestandsgröße und der jeweiligen Behandlungen notwendig sind. Da Selektionseinrichtungen bisher nur in Großbetrieben der neuen Bundesländer und der USA zu finden sind, sollen im weiteren verschiedene Varianten von Selektionseinrichtungen in Milchviehställe mit einer Herdengröße bis zu 100 Milchkühen integriert werden.
Die Art und Größe des Melkstandes wird durch die Faktoren Raumangebot, Zuordnung zum Stall, Anzahl der zu melkenden Tiere und den persönlichen Neigungen des Betriebsleiters bestimmt. Am häufigsten wird der FGM wegen seiner kompakten Bauweise und Eignung für alle Größen eingebaut. Durch den Gebrauch zahlreicher Zusatztechniken lässt sich die Arbeitszeit inklusive der Zusatzarbeiten im Melkhaus, in Abhängigkeit von der Melkstandgröße und der Bestandsgröße von ca. 3,55 AKmin auf knapp 1 ,41 AKmin reduzieren. Dies führt dazu, dass bis zu 95 Tiere von einer Arbeitskraft in der Stunde gemolken werden können. Als Anordnungsvariante des Melkhauses wird neben dem integrierten und dem seitlichen Melkhaus, aufgrund seiner funktionalen Vorteile, der guten Erweiterbarkeit und den neutralen Baukosten (Simon et al., 2006), das separate Melkhaus unabhängig von der Bestandesgröße empfohlen.
Eine erfolgreiche Kälber- und Jungrinderaufzucht beginnt in der Abkalbebucht. Eine gut geführte Abkalbebucht benötigt in Abhängigkeit des Tierbestandes und der Abkalbungen ausreichend Fläche (mind. 16 m2 ) und im Besonderen eine konsequente Pflege und Reinigung. Der zeitliche Mehraufwand für die Pflege und Betreuung der Abkalbebucht wird durch geringere Geburtsprobleme und deutlich geringere Kälberverluste weitgehend ausgeglichen. Eine optimale Anordnung dieser Bucht ist in der Nähe des Melkstandes und des Büros, am besten im separaten Melkhaus, da dadurch keine Funktionsachsen im Stall eingeschränkt werden.
Während des Jahres fallen neben dem Abkalben verschiedene Behandlungen an. Dies sind u.a. Euterbehandlungen, Besamungen, Trächtigkeits- und Gesamtuntersuchungen, Medikamentengaben, Impfungen und Maßnahmen zur Klauenpflege. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Tiere zu selektieren und zu behandeln. Diese erstrecken sich vom Fangfressgitter, über Einzel- und Gruppenbehandlungsstand bis zum Spezialstall für zu behandelnde Tiere. Die Technik zur automatischen Selektion von Tieren hat sich in den letzten Jahren sehr stark weiterentwickelt.
Zur Untersuchung der Frequentierung der Selektionsbereiche standen die Betriebe Achselschwang, Goldhofer-Ertl und Hirschau zur Verfügung. Auf dem Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum (LVFZ) Achselschwang finden Besamungen, Behandlungen, Untersuchungen, Trockenstellen und die nicht routinemäßige Klauenpflege im Selektionsbereich statt. Im Durchschnitt werden täglich 3,4 % der Tiere ausselektiert, wobei sich die Schwankungsbreite von einem Tier bis zu 12 Tiere pro Tag erstreckt. Werden zusätzliche Maßnahmen wie 2-mal jährliche Klauenpflege und eine Beobachtungsphase nach dem Abkalben hinzugerechnet, kommt man auf einen Wert von 7,3 % anteiliger Selektionsplätze bezogen auf die Milchviehherde.
Beim Betrieb Goldhofer-Ertl finden täglich im Mittel 2,6 % Behandlungen statt. In diesem Wert sind Besamungen, Behandlungen, Untersuchungen, Beobachtung nach dem Abkalben und ein Klauenpflegetermin enthalten. Nicht berücksichtigt sind die maximalen Belegungen von bis zu 9 Tieren am Tag. Rechnet man für einen Vergleich diesen Wert für alle Behandlungen hoch, erhält man 6,5 % Selektionsvorgänge am Tag.
Auf dem Versuchsgut Hirschau finden täglich 4,1 % Selektionsvorgänge statt, mit einem maximalen Ausschlag von bis zu 22 Tieren. Die Werte sind durch den unterdurchschnittlichen Besamungsindex und die einwöchige Beobachtungsphase nach dem Abkalben zu begründen. Jedoch finden alle Untersuchungen und die routinemäßige Klauenpflege in separaten Bereichen statt. Rechnet man diesen Wert für alle Behandlungen hoch, werden im Durchschnitt täglich 7, 7 % Selektionsplätze benötigt.
Wenn alle Behandlungen im Selektionsbereich stattfinden würden, werden auf den untersuchten Betrieben zwischen 6,5 (Goldhofer-Ertl) und 7,7 % (Hirschau) Selektionsplätze benötigt. Diese Werte sind mit Daten von BENNINER (2006) und PALMER (2002) vergleichbar.
Bei Stallneubauten sollen ungefähr 7-9 % Selektionsplätze eingeplant werden. In diesem Wert sind sämtliche Behandlungen enthalten. Je nach Auffassung und Erfolg des Betriebsleiters werden nicht alle Behandlungen im Selektionsbereich durchgeführt, so dass der Wert nach unten korrigiert werden kann. Zu beachten bleibt jedoch, dass eine gewisse Schwankungsbreite besteht und nicht jeden Tag gleich viele Tiere behandelt werden müssen.
Eine Möglichkeit zur Fixierung von Tieren, welche bezüglich Flächenanspruchs sehr positiv einzustufen ist, ist das Fressgitter. Hier können jedoch nicht alle Behandlungen (Kiauenpflege) durchgeführt werden und die Arbeitsumgebung für das Personal ist ebenfalls nicht optimal. Für die Behandlungen, bei welchen das Tier fixiert werden muss, besteht in der ersten Planungsvariante die Möglichkeit einen extra Behandlungsraum im separaten Melkhaus zu integrieren. Ein vorgelagerter Nachwartebereich beschleunigt den Austrieb vom Melkstand und kann als Warteraum für Behandlungen im Behandlungsraum genutzt werden.
Ohne die zusätzlichen Kosten für den Behandlungsraum und Nachwartebereich kann ein Einzelbehandlungsstand (für Klauenpflege geeignet) in den Stall integriert werden. Zur Sicherheit und besseren Arbeitsqualität kann eine Einhausung dessen erfolgen. Rektale Untersuchungen und Behandlungen können am Fangfressgitter erfolgen. Behandlungen, bei welchen das Tier fixiert werden muss, finden entweder unmittelbar beim Eintritt in den Selektionsbereich oder nach dem Melken im Einzelbehandlungsstand statt. Dies hat den Vorteil, dass eine kompakte Behandlungseinheit ohne deutlichen Mehraufwand in den Stall integriert ist.
In weiteren Modellplanungen findet das Aussortieren im separaten Melkhaus statt. Ein Einzelbehandlungsstand ist meist unabdingbar, wenn alle Behandlungen in diesem Bereich erfolgen sollen. Eine einfache Möglichkeit ist, Tiere in einen separaten Bereich auszusortieren, von dem diese anschließend in einen Einzelbehandlungsstand getrieben und behandelt werden. Tiere können zur Behandlung auch in Einzelbuchten gesammelt werden. Dieses Verfahren kann jedoch nicht vollautomatisiert werden und die Zuteilung in eine ca. 7,5 m2 große Bucht muss per Hand erfolgen. Diese einzelnen Buchten können variabel als Gruppen-, Einzelbehandlungs- und Krankenbuchten genutzt werden.
Eine weitere Möglichkeit Tiere zu selektieren und zu behandeln besteht in einem Gruppenbehandlungsstand in Fischgrätenform, einem sog. Palpation Management Rail. Dieser kann entweder parallel zum Wartebereich im separaten Melkhaus oder im Übergang vom Melkhaus zum Laufstall integriert sein. Gerade in großen Milchviehanlagen, in welchen viel Platz für den Selektionsbereich zur Verfügung steht und eine Arbeitskraft für die Betreuung und Behandlung der Tiere ständig vor Ort ist, stellt diese Möglichkeit eine interessante Alternative zu den vorherigen dar.
Die Problematik, welche Untersuchungen und Behandlungen wie häufig auf einem Betrieb durchgeführt werden, muss betriebsindividuell geklärt werden. Im Durchschnitt genügen 7- 8% Selektionsplätze um den Tierbestand optimal zu betreuen. Durch die richtig eingesetzte Technik kann die benötigte Arbeitszeitreduziert und die Arbeitssicherheit und –qualität erhöht werden.
Vor dem Bau eines Milchviehstalls muss der Selektionsbereich genau geplant werden und eine eventuelle Erweiterung in Anbetracht gezogen werden.
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