Umweltmediation basiert darauf, mit den an einem Konflikt Beteiligten oder Betroffenen außerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren einen Lösungsweg zu suchen. Durch eine vorgegebene Verfahrensweise werden die Konfliktparteien befähigt, selbst Lösungen zu entwickeln, die für alle Seiten gewinnbringend sind (Win-Win-Lösungen). Dazu wird ein neutraler Dritter (der Mediator) eingeschaltet, der das Verfahren leitet, als Vertrauensperson fungiert und ein Machtgleichgewicht der Akteure im Verfahren herstellen soll. Ein detaillierter, von allen Akteuren getragener Maßnahmenplan steht idealerweise am Ende des Mediationsverfahrens. In Deutschland wurden bisher rund 100 Umweltmediationsverfahren durchgeführt. Im Bereich von Wald-Wild-Konflikten fehlten bislang entsprechende Erfahrungen, so dass dieses Forschungsvorhaben Neuland betrat. Das Fehlen von Erfahrungen mit Mediation im Konfliktfeld Wald-Wild ist erstaunlich. Ein Mediationsverfahren bemüht sich doch vor allem darum, die Unterschiedlichkeit der Interessen unter Berücksichtigung ökologischer Vorgaben als Potential für synergetische Lösungen zu nutzen und so allen beteiligten Gruppen eine Verbesserung ihrer Situation zu ermöglichen. Die vorliegende Arbeit schließt diese Erfahrungslücke und beschreibt das „Mediationsverfahren Hinterstein“ als Beitrag zur Konfliktlösung im Rahmen der Sanierung des Schutzwaldes oberhalb Hintersteins, einem Ortsteil der Gemeinde Bad Hindelang. Sie dokumentiert und analysiert die Vorgehensweise und würdigt die Ergebnisse kritisch. Darüber hinaus wird das Verfahrensmodell der Mediation auf seine Übertragbarkeit auf ähnliche Problemfälle analysiert. Bei dem Projektgebiet handelt es sich um einen Schutzwald oberhalb der Ortschaft Hinterstein. Zustand des Schutzwaldes und Prognose geben Anlass zur Sorge. Die Interessen an diesem Schutzwald sind vielfältig. So wollen die Wünsche verschiedenster Akteure befriedigt werden. Dies fordert letztlich neben einem Ausgleich dieser Interessen eine Verbesserung der Verjüngungssituation, um nachhaltig die Schutzwirkung wiederherstellen und erhalten zu können. Während des Verfahrens stellte sich heraus, dass massive Informationsdefizite, Vorurteile und Misstrauen die Atmosphäre bestimmten. Konflikte in Sachthemen resultierten weniger aus unumstößlichen Gegebenheiten, sondern vielmehr aus Informationsdefiziten, mangelnder Kommunikation und Beziehungskonflikten. Innerhalb der Interessengruppen gab es nur lose Allianzen. Innerhalb von 12 Mediationssitzungen und einer Ortsbegehung wurden diese Informationsdefizite ausgeglichen, Beziehungen neu definiert und darauf aufbauend gemeinsam Win-Win-Lösungen zur sachlichen Verbesserung der Situation ausgearbeitet. Diese wurden in einem weiteren Schritt in einem Maßnahmenplan festgeschrieben. Es ist gelungen, ein Lösungspaket zu erstellen, das nur geringfügige finanzielle Mehrbelastungen für alle Gruppen darstellt und langfristig ausgerichtet ist. Die Sachlösungen wurden von den Teilnehmern in jeder Beziehung positiv bewertet. Das Mediationsverfahren beeinflusste sogar die Beurteilung der Beziehungen im Rückblick: Entgegen der Auffassung zu Beginn des Verfahrens glauben die Beteiligten nun schon immer gute Beziehungen gepflegt zu haben. Alle Teilnehmer am Mediationsverfahren würden wieder an einer solchen Mediation teilnehmen. In der Umsetzungsphase setzten die Beteiligten die Maßnahmen wie geplant um und pflegen bislang gute Beziehungen untereinander. Alle wollen in dieser Zusammensetzung als Gremium in Zukunft weiterhin konstruktiv zusammen arbeiten und eventuelle Probleme gemeinsam lösen. Das Projekt verdeutlicht, dass mit Hilfe von Mediationsverfahren schwierige Konfliktsituationen auch im Spannungsfeld Wald-Wild bereinigt und vermeintliche Gegner zu Partnern werden können, die gemeinsam zu einer Lösung beitragen.
Übersetzte Kurzfassung:
The guiding principle of environmental mediation is to help all parties in a conflict to find a solution outside legally stipulated procedures. It does this by equipping the parties with a predetermined policy to enable them to develop solutions themselves, ones which are beneficial to all sides – win-win solutions. In order to achieve this, a neutral mediator is introduced. It is this person’s function to lead the mediation process, act as confidant to all sides and create a balance of power between the participants. The goal of this process is to develop a detailed series of measures which are agreed upon by all those involved. Approximately one hundred environmental mediation processes have been carried out in Germany up to now. This research process, however, was the first to attempt to find a solution in the field of the restoration of a protection forest where the interests of hunting and conservation collided. The absence of mediation experience within this field is astonishing. Above all, mediation is concerned with taking different interests into consideration in order to find the potential for synergetic solutions. By doing this, it hopes to improve the situation for all of the parties involved. This dissertation fills in the gap that the absence of mediation experience in the field of the restoration of a protection forest constituted. It describes the “Mediation Process Hinterstein” and contributes to the solving of conflicts in the framework of the restoration of the protection forest above Hinterstein, part of the community of Bad Hindeland in the Allgäu, Bavaria. It systematically documents and analyses the procedure used and critically evaluates the results. In addition, the process model of the mediation is analysed as to how far it can be applied to other problem areas. The area covered by the project is a protection forest above the village of Hinterstein. The condition of the forest and the prognosis for its future give cause for concern. A variety of groups have different interests concerning it, and all of these want to be satisfied. Ultimately, this demands not only a balancing of these interests but also an improvement of the regenerative situation in order to restore and maintain the effect of protection permanently. During the process, it turned out that the situation was aggravated by a massive lack of information, prejudice and mistrust. Conflicts of interest came less from irrefutable realities, rather than from a lack of information, a failure to communicate and interpersonal conflicts. Within the interest groups themselves, there were only tenuous alliances. During twelve mediation meetings and an on-site visit, these problems were ironed out and relationships newly defined. In addition, joint win-win solutions were established and written down in a plan of action. It was possible to create long-term solutions that afford only a minor increase in the financial burden on the groups involved. Moreover the participants reacted positively to these solutions. The mediation process even influenced the interpersonal relationships in retrospect. Contrary to the impression at the beginning of the procedure, now those taking part believe that they have always enjoyed good relations. They would take part in such a process again. In the implementation phase, the participants realised the measures according to plan and have so far enjoyed good relations. They all want to work constructively together in the future to solve any eventual forthcoming problems. The project clarifies that mediation processes can solve difficult conflict situations, even in the tension-filled field of hunting and forest protection. And, last but not least, it can turn opponents into partners who work together to find solutions to their own problems.
Veröffentlichung:
Universitätsbibliothek der Technischen Universität München