Benutzer: Gast  Login

Schriften zum Schlepperprüffeld Bornim

 

Die Kleinschlepper-Vergleichsprüfung 1937/38

Die Kleinschlepper-Vergleichsprüfung von 1937/38 durch das Schlepperprüffeld Bornim wird man bezüglich Veranlassung, Ablauf, Ergebnis und Auswertung vermutlich nur verstehen können, wenn man sich die rasante Entwicklung von Landmaschinenindustrie und Landwirtschaft sowie, vor allem, die zugespitzte politische Entwicklung in Deutschland kurz vor Kriegsbeginn vergegenwärtigt.

Im fünften Jahr der Nazi-Herrschaft war die gesamte deutsche Wirtschaft bereits deutlich durch die Kriegsvorbereitung geprägt. Hermann Göring, Chef der Vierjahresplanbehörde, setzte einen „Generalbevollmächtigten für das Kraftfahrwesen“ ein, um den Produktionsrahmen für die Automobilindustrie neu zu ordnen und auf den Bedarf der Wehrmacht auszurichten. Über den Ausschuss für Ackerschlepper war auch im Traktorenbau ein „planvoller Einsatz der fabrikatorischen Kräfte“ durchzusetzen. Von ursprünglich 62 Modellen sollten gemäß Programm zur Typenbegrenzung ab 1939 nur noch 17 Ackerschleppertypen zugelassen sein.

Der Landwirtschaft waren indes mit der 1934 verkündeten „Erzeugungsschlacht“ hohe Ziele gesetzt. Betriebe mit Flächen zwischen fünf und zwanzig ha galten unter ideologischen Gesichtspunkten als besonders förderungswürdig. Ihre Technikausstattung sollte dazu dienen, Zeit zu ersparen, Verluste herabzusetzen und die Arbeit zu erleichtern. Im Rahmen einer Reichsbeihilfe wurden ab 1937 solche Betriebe finanziell gefördert, die neue Ackerschlepper, Maschinen und luftbereifte Ackerwagen kauften. Schlepper und Motormäher erlebten mit 275 % die höchsten Zuwachsraten unter den statistisch erfassten Landmaschinen. Es war die Zeit der „Bauernschlepper“; gemeint waren damit Kleinschlepper mit Motorleistungen zwischen 8 und 22 PS.

Im Jahre 1937 übertrug der Reichsnährstand dem Schlepperprüffeld Bornim die Durchführung einer Kleinschlepper-Vergleichsprüfung, um die späteren Entscheidungen zur Typenbegrenzung zu untermauern. Maßgabe war, wie im Tätigkeitsbericht 1938 des RKTL berichtet wurde (RKTL, 1937/38), dass ein Schlepper „ … bei möglichst vielen der im bäuerlichen Betrieb vorkommenden Arbeiten mit gutem Wirkungsgrad eingesetzt werden kann“. Mit der Reduzierung der Typenvielfalt und weitgehender Normung sollten gleichermaßen die Herstellungskosten und die Ersatzteilversorgung optimiert werden.

Das Schlepperprüffeld Bornim, ab 1938 eine Forschungsstelle des RKTL Berlin, bot exzellente Voraussetzungen für die Vergleichsprüfung. „Schlepper-Meyer“ hatte ein schlagkräftiges Team aufgebaut, das sich seit 1929 vorrangig mit der Untersuchung von Einflussgrößen auf Leistung und Betriebssicherheit beim Schleppereinsatz als Grundlage für Verbesserungen und Innovationen befasst hatte. Prüfbahnen für Zugkraftmessungen und Prüfstände für Baugruppenuntersuchungen waren inzwischen vorhanden. Mit Landwirtschaftsbetrieben der Region gab es Absprachen zum langfristigen Praxiseinsatz im Rahmen der Vergleichsprüfung. Dennoch muss diese Prüfung eine gewaltige organisatorische Herausforderung für die noch junge wissenschaftliche Einrichtung in Bornim gewesen sein.

Laut RKTL-Tätigkeitsbericht 1937 (RKTL, 1937/38) wurden 16 Schlepper zur Prüfung gestellt, darunter sechs mit Motorleistungen von 11 bis 13 PS, drei im Bereich von 16 bis 18 PS und sieben mit etwa 20 PS. In der Mehrheit handelte es sich um Modelle, die erst kurz zuvor auf den Markt gekommen waren. Nachdem zwei Modelle bei Prüfbeginn zurückgezogen wurden, ergab sich die in Tab. 1 zusammengestellte Teilnahmeliste.       

Tab.: 1    Einbezogene Schlepper

Marke / Typ   Motor   Leistung in PS  
Brummer L 237 Hatz, 1-Zyl. 2-Takt 16   Bericht
Deutz F1M 414 Deutz F1M 414 11   Bericht
Fendt-Dieselross F 18 Deutz MAH 816 16   Bericht
Hanomag RL 20 Hanomag D 19 RL 20   Bericht
Kramer K 12 M Güldner GL 11 12   Bericht
Kramer K 18 M Güldner GL 16 16   Bericht
Lanz-Aulendorf „Samson“ Deutz F2M 313 22   Bericht
MIAG LD 20/22 MWM KD 15 Z 20   Bericht
München-Sendling AS 2 Sendling D 125 12   Bericht
Normag KD 15 Z MWM KD 15 Z 20   Bericht
Ritscher MTW-N Kämper 1F 10 B 12   Bericht
Stock Diesel-AS Deutz F2M 313 20   Bericht
Wurr C 1   Junkers 1 HK 65 12,5   Bericht
Zettelmeyer Z1 Deutz F2M 313 20   Bericht

Die Auswahl der beteiligten Schlepper wirft aus heutiger Sicht einige Fragen auf. Natürlich: die Heinrich Lanz AG, bei den Großschleppern unbestrittener Marktführer, präsentierte ihren 15 PS- Schlepper erst auf der Reichsnährstands-Ausstellung von 1939 in Leipzig – aber den Bauern-Bulldog HN 5 hätte man erwarten können. Ebenso den IHC aus Neuss sowie Modelle von Eicher, Primus, Hagedorn, um nur einige zu nennen. Wieviel Eigeninteresse der Hersteller war beteiligt und wieviel Einflussnahme des Reichskuratoriums? Das verfügbare Schrifttum gibt zur Auswahl der Prüfobjekte keine nähere Auskunft.

In methodischer Hinsicht gab es für eine solche komplexe Prüfung kaum ein Vorbild. Der „Wettbewerb für Kleinkraftschlepper“ in den Jahren 1925/26 war sicher keines, wenn auch hier zu den Laborprüfungen erstmals eine praktische Prüfung (Pflügen und Transportieren) hinzutrat. Sieger wurde übrigens der 38 PS-„Felddank“ der Mannheimer Heinrich Lanz AG - eher kein echter Kleinschlepper.

In der Vergleichsprüfung 1937/38 galt es nun vorrangig festzustellen, inwieweit die Schlepper in Verbindung mit Arbeitsgeräten den vielfältigen Anforderungen der Praxis gerecht werden, ein ungleich höherer Anspruch gegenüber dem klassischen Nebraska-Test. Bornim setzte damit neue Standards für die landwirtschaftliche Eignungsprüfung, in deren Tradition es 30 Jahre später auch die Zentrale Prüfstelle für Landtechnik Potsdam-Bornim zur Pflicht machte, das „technisch-technologische Zusammenwirken der Aggregate“ zu bewerten https://mediatum.ub.tum.de/1455410.

Nach der Anlieferung Anfang 1937 wurden die Schlepper zunächst zerlegt und vermessen. Auf Prüfständen wurden die Leistungs- und Verbrauchs-Kennfelder der Motoren, auf den Prüfbahnen die Zugkraft-Schlupfkurven aufgenommen. Danach mussten sich die Prüflinge in Bauernbetrieben der Mark Brandenburg umfassend bewähren, wobei „ … zur Gewinnung eines möglichst objektiven Bildes die Schlepper innerhalb der Prüfungsbetriebe ausgewechselt wurden“. Sequenzielle Verschleiß- und Störungsanalysen sollten es ermöglichen, die Zuverlässigkeit der Bauelemente zu beurteilen. Um den Aussagewert der zunächst sehr kleinen Stichprobe zu erhöhen, wurden die Ergebnisse der technischen und landwirtschaftlichen Untersuchungen durch eine Umfrage bei den Besitzern der Maschinen gleichen Typs ergänzt, wobei etwa 1000 ausgefüllte Fragebögen eingingen.                         

Eine durchdachte Zuordnung der Schlepperleistung zur jeweiligen Betriebsstruktur, eine eingehende Beratung für den effektiven Schleppereinsatz, die Vermittlung passender Arbeitsgeräte und rasche Hilfe bei der Störungsbeseitigung führten zu überwiegend positiver Resonanz aus den Einsatzbetrieben. Die Arbeitserleichterung wurde als Hauptvorteil hervorgehoben. Bei der „Manöverkritik“ durch die Landwirte ist ein Blick in die Prüfprotokolle besonders lohnend. Es fehlte nämlich auch nicht an kritischen Feststellungen mit Einfluss auf die Gesamtbewertung, sodass aus den Resultaten der technischen und der praktischen Prüfung sich letztlich eine Einordnung in drei Gruppen ergab:

Mit „gut“ wurden bewertet:                                                                                                                       Deutz F1M 414, Fendt-Dieselross F 18, München-Sendling AS 2 und Ritscher MTW-N.

Das Urteil „befriedigend“ erhielten:                                                                                         Hanomag RL 20, Kramer K 12M, Samson von Lanz-Aulendorf, Stock Diesel-AS und Zettelmeyer Z 1.

Ein „unvollkommen“ bis „unzureichend“ wurde vergeben für:                                                              Kramer K 18 M, Brummer L 237, MIAG LD 20/22 und Wurr C 1.                                                          

Der Normag KD blieb wegen zu geringer Einsatzdauer ohne Wertung.

Schlussfolgernd empfiehlt das RKTL dann auch, “… ungeeignete Bauformen vom Markte fernzuhalten“, eine Aufgabe für die das Kuratorium durch den Generalbevollmächtigten für das Kraftfahrwesen prompt verantwortlich gemacht wurde. Für den Eignungsnachweis war die Kleinschlepper-Vergleichsprüfung folglich nur ein erster Baustein. In nachfolgenden Schnellprüfungen zum Verschleiß- und Störverhalten wurde noch 1938 und 1939 die Typenauslese bis zur Inkraftsetzung der Typenbegrenzung im Schlepperbau fortgesetzt. Diese Schnellprüfungen, die  „… strikte Forderung nach weitgehender Vereinheitlichung und Zusammenfassung der Schlepperproduktion“ und der Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 hatten extrem tiefe Einschnitte in die Schlepperproduktion zur Folge.

So wird es verständlich, dass die ursprünglich vorgesehene Veröffentlichung der Berichte unterblieb, nicht durch das Schlepperprüffeld selbst und auch nicht durch das Reichskuratorium für Technik in der Landwirtschaft (RKTL), zu dem das Prüffeld ab 1938 gehörte. Sogar in Helmut Meyers Beitrag über die Typenbegrenzung im Schlepperbau (Meyer, 1939) wird die Vergleichsprüfung mit keinem Wort erwähnt, obwohl sie zweifellos erheblichen Einfluss auf die diesbezüglichen Entscheidungen hatte. Nachbetrachtungen finden sich im RKTL-Tätigkeitsbericht 1938, in Kienes Buch „Ackerschlepper zwischen Prüfstand und Praxis“ (Kiene, 1974) sowie, mit großer journalistischer Sorgfalt, in Holtmanns historischem Schleppertest von 2008 (Holtmann, 2008).

Die Berichterstatter von 2020 lassen daher in erster Linie die Berichtsprotokolle von 1938 sprechen und erlauben sich auf Faktenbasis eine knappe Interpretation, mehr als acht Jahrzehnte nach der Prüfung.

Als glücklicher Umstand kann hingegen gelten, dass die Dokumentation der Vergleichsprüfung trotz etlicher Umlagerungen nach dem Kriegsende bis heute erhalten geblieben und nun bei ATB-Collection erstmalig als Volltextversion verfügbar ist. Die Bearbeiter danken der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) für den Zugang zur Sammlung sowie Herrn F. Uhlig für die gekonnte Ausführung der schwierigen Digitalisierungs- und Optimierungsarbeiten an den Bild- und Textdokumenten.

 

Literatur:

Holtmann, W.: (K)ein Test aus der Schublade – Historischer Schleppertest. profi, 1/2008, S. 140-143 zum Artikel

Kiene, W.: Zwischen Prüfstand und Praxis. DLG-Verl. Band 139, Frankfurt, 1974, ISBN-3-7690-3082-6 zum Band 139

Meyer, H.: Die Typenbegrenzung im Schlepperbau. Technik i. d. Landwirtschaft, Heft 7/1939, 140-142 zum Auszug

Prüfberichte der Zentralen Prüfstelle für Landtechnik Potsdam-Bornim zu den Prüfberichten

RKTL-Tätigkeitsberichte, Auszüge aus den Jahresberichten 1937 und 1938 des Reichskuratoriums für Technik in der Landwirtschaft (RKTL) zum Auszug