Über den Energiestoffwechsel der Rinder gibt es relativ wenige Untersuchungen, die die in dieser Arbeit behandelte Wärmeproduktion und Wärmeabgabe betreffen. Der weitaus größte Teil der vorhandenen Untersuchungen wurde unter ernährungsphysiologischer Sicht angestellt, um Kenntnis über die Verwertbarkeit und die Nettoenergie von Futtermitteln zu erhalten. Die dabei auftretenden Versuchsbedingungen sind nur wenig standardisiert und können deshalb oftmals nicht zum Vergleich herangezogen werden. Zudem werden jeweils nur wenige Tiere in die Experimente einbezogen, so daß die Verallgemeinerung der Ergebnisse unter Umständen nicht immer gerechtfertigt sein kann.
Übereinstimmend wird festgestellt, daß die Wärmeproduktion in 1. Linie von der Umsatzrate im Erhaltungszustand und von der Menge an aufgenommener, umsetzbarer Energie der Nahrung abhängt. Die Umsatzrate im Erhaltungszustand war Gegenstand vieler Untersuchungen, die Ergebnisse dürfen deshalb als ausreichend abgesichert gelten und können folgendermaßen angegeben werden:
Erhaltungsbedarf des Ochsen = 330 kJ/kg0,75, des Bullen = 395 ~ 400 kJ/kg0,75, nicht laktierender, nicht trächtiger Kühe = 418 kJ/kg0,75 und laktierender Kühe = 500 kJ/kg0,75.
Im Verhältnis zu anderen Tierarten haben Rinder, bezogen auf ihr Körpergewicht, eine höhere Umsatzrate. Die Umsatzrate ist jedoch gewissen Änderungen unterworfen. Junge, schnell wachsende Tiere haben aufgrund ihres Wachstums eine höhere Umsatzrate je kg0,75, die mit steigendem Alter und Gewicht abnimmt. Da die Umsatzrate bei Erhaltungsbedarf vollständig in Wärme überführt wird und eine Funktion des Lebendgewichts ist, nimmt die Wärmeproduktion des Tieres mit steigendem Gewicht zu. Dieser Anstieg ist in DIN 18 910 berücksichtigt worden.
Zweiter, bestimmender Faktor der Wärmeproduktion ist die aufgenommene Nahrungsenergie, deren Menge sich nach der Leistung des Tieres richtet. Für Bullen und Ochsen unter Leistungsbedingungen ergibt sich durchschnittlich ein Umsatz an umsetzbarer Energie, der dem zweifachen Erhaltungsbedarf entspricht. Junge Tiere können in seltenen Fällen ihren Umsatz auf den dreifachen Erhaltungsbedarf steigern. Bei laktierenden Kühen, die den doppelten Energieumsatz eines Bullen erreichen können, richtet sich die Wärmeproduktion nach der Milchleistung, trockenstehende Kühe produzieren in der Regel Wärme in Höhe des Erhaltungsbedarfs und steigern sie mit fortschreitender Trächtigkeit.
Aus der Summe der Umsatzrate bei Erhaltungsbedarf und Leistungsbedarf ergibt sich somit nach aufsteigender Umsatzrate die Reihenfolge trockenstehende Kühe, Ochsen, Bullen, laktierende Kühe. Insgesamt zeigt sich für alle Gruppen, daß der Verlauf der Kurve der Wärmeabgabe als Funktion des Körpergewichts in etwa dem der Norm entspricht, allerdings bis zu einem Gewicht von 200 - 300 kg infolge des "Impetus für Wachstum", wie es WEBSTER bezeichnet hat, stärker ansteigt.
Differenzen bestehen in der Höhe der von der Norm angegebenen und der festgestellten Wärmeabgabemengen. Übereinstimmung liegt in etwa für laktierende Kühe vor, Bullen, Ochsen und trockenstehende Kühe erreichen niedrigere Werte. Aufgrund dieser Ergebnisse scheint es angebracht, die Werte für laktierende Kühe und Mastvieh getrennt anzugeben.
Neben diesen Unterschieden in der gesamten Wärmeabgabe aufgrund des unterschiedlichen Produktionsniveaus treten auch davon unabhängige Schwankungen auf, die von der Norm nicht berücksichtigt werden und folgendermaßen zusammengefaßt werden können:
Bei sich ändernden Temperaturen wird nicht nur der Wasserdampfanfall infolge latenter Wärmeabgabe variiert, wie in der Norm angegeben, sondern auch der Wärmeanfall durch sensible Wärmeabgabe. Dadurch ergibt sich u. a. ein Wechsel des Wärmeanfalls nicht nur im Jahresgang, sondern auch im Tagesgang durch wärmere Temperaturen am Tag und kühlere in der Nacht. Je höher die Umgebungstemperatur ist, desto geringer wird der sensible Wärmeanfall.
Auswirkungen auf die Wärmeproduktion dürften auch durch verschiedene Haltungsformen entstehen. In Laufställen kann man infolge geringerer Liegezeit und größerer Bewegungsaktivität eine höhere Wärmeabgabe erwarten als in Anbindeställen. Die Liegeflächenbeschaffenheit und -temperatur kann diesen Effekt noch verstärken, da durch tiefere Bodentemperaturen und geringe Wärmedämmung dem Tier beachtliche Wärmemengen entzogen werden können. Dieser konduktive Wärmestrom in den Boden wird von der Norm nicht berücksichtigt, wird jedoch die Menge der an die umgebende Luft abgegebenen Wärme verringern.
Ein weiterer Punkt, der von der Norm vernachläßigt wird, besteht aus den wechselnden Wärmeverlusten durch Strahlung. Diese dürften wegen des Oberflächenverhältnisses von Tieren zu Bauteilen in intensiver belegten Ställen geringer sein.
Alles in allem kann man sagen, daß die festgestellten Werte des Wärmeanfalls zum Teil große Abweichungen von der Norm zeigen und auch von verschiedenen Umwelteinflüssen, die in der Norm nicht berücksichtigt werden, abhängen.
Vor einer endgültigen Auswertung der Ergebnisse sollte man jedoch Untersuchungen anstellen, die sich nicht nur auf einzelne Tiere beziehen, sondern die in intensiv belegten Ställen über längere Zeit durchgeführt werden sollten, um auch den Einfluß der Belegung, des Wechsels des. Tierbestandes durch Zugang von neuen und Abgang von älteren Tieren, sowie der Haltungsform unter natürlichen Bedingungen für das Tier auf den Wärmeanfall im Stall festzustellen.
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