Kurzfassung:
Ein Ziel der molekularen Strukturbiologie ist die Bereitstellung
eines Proteinatlas, der Information über die räumliche Anordnung,
die Konzentration und die Interaktionen von Proteinkomplexen in
ihrer natürlichen ungestörten Umgebung enthält. Da nur im zellulären
Kontext die Funktionen und die zugrunde liegenden Mechanismen,
welche das Zusammenspiel der Makromoleküle steuern, verstanden
werden können, benötigt man möglichst wenig-invasive
Untersuchungsmethoden mit einer Auflösung im Nanometerbereich. Die
zelluläre Kryo-Elektronentomographie ist momentan die einzige
Abbildungstechnik, die es ermöglicht, dreidimensionale (3D)
hochaufgelöste Einblicke in die supramolekulare Architektur von
vitrifizierten Zellen in toto zu geben.
Im Rahmen dieser Arbeit wurden intakte Zellen des
Archaeons Thermoplasma acidophilum mittels
Kryoelektronentomographie untersucht mit dem Ziel, einen
makromolekularen Atlas der Zelle zu erstellen.
Ein limitierender Faktor in der Elektronentomographie sind
die Abmessungen des zu untersuchenden Objektes in
Durchstrahlungsrichtung. Zudem reduziert die intrinsisch hohe
Proteindichte im Cytoplasma (Macromolecular Crowding) den
Bildkontrast, was die Identifikation einzelner Makromoleküle in der
Rekonstruktion mit dem momentanen Stand der Technik erschwert bzw.
unmöglich macht. Deshalb wurde T. acidophilum bei
unterschiedlichen Wachstumsbedingungen kultiviert, um die
geeignetste Morphologie für die tomographische Datenaufzeichnung und
nachfolgende Mustererkennung zu finden. Es wurden anaerobe
Bedingungen gefunden, unter denen sich zum Teil besonders flache
Zellen ausbildeten. Bei diesen Studien wurden in mehreren
Tomogrammen von T. acidophilum Bündel von Filamenten
innerhalb der Zelle beobachtet. Datenbanksuchen lieferten einige
potentielle Kandidaten im Genom von T. acidophilum, die
solche filamentöse Strukturen ausbilden könnten. Unter anderem auch
das Protein Ta0583, ein archaeales Aktin-Homolog, welches mittels
Elektronenmikroskopie und Röntgenstrukturanalyse weiter
charakterisiert wurde.
T. acidophilum bietet sich als Modellsystem an, um
mittels Kryo-Elektronentomographie und Mustererkennung die
makromolekulare Architektur der Zelle zu untersuchen, da bereits
mehrere Proteinstrukturen aus diesem Organismus bekannt sind und
zusätzliche Informationen aus Genom- und Proteomanalyse verfügbar
sind. Mit Hilfe der Free-Flow Elektrophorese wurden
cytoplasmatische Proteine aus T. acidophilum, gemäß ihres
isoelektrischen Punktes in zahlreiche Fraktionen aufgetrennt und
anschließend elektronenmikroskopisch und massenspektrometrisch
charakterisiert. Mit dieser Vorgehensweise wurde ein in T.
acidophilum noch unbekannter hochmolekularer Proteinkomplex, die
Ornithin Transcarbamoylase, gefunden. Dieser Proteinkomplex, bzw.
die Struktur des homologen Proteins aus Pyrococcus furiosus,
sowie das 70S Ribosom, das Thermosom und drei Proteasen (20S
Proteasom, Tricorn und VAT) wurden mit Hilfe eines
Mustererkennungsalgorithmus, der auf Kreuzkorrelation beruht, anhand
ihrer strukturellen Signatur im Tomogramm einer Zelle lokalisiert.