Abstract:
In dieser Arbeit wird mit einem informationstheoretischen Ansatz der Zusammenhang zwischen grundlegenden Eigenschaften sensorischer Informationsverarbeitung und der Statistik natürlicher Eingangssignale untersucht.
Im ersten Teil der Dissertation werden theoretische Überlegungen zur mehrkanaligen Bildverarbeitung durch ortsfrequenzselektive Neurone im visuellen Kortex angestellt. Dazu wurden für das charakteristische Leistungsdichtespektrum natürlicher Bilder unterschiedliche Teilbandzerlegungen im Rahmen der Shannonschen Rate-Distortion-Theorie untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass eine logarithmische, selbstähnliche Zerlegung mit deutlich geringerer Komplexität zur gewünschten Signalqualität führen kann, als eine lineare Partitionierungsstrategie. Eine weitere Analyse hat erbracht, dass es eine leicht modifizierte, optimale Zerlegung gibt, die zu einem noch besseren Trade-off zwischen Aufwand und Leistung führt. Diese Kanalaufteilung ist in erster Näherung selbstähnlich, zeigt jedoch eine systematische Abnahme der logarithmischen Bandbreiten mit zunehmender Mittenfrequenz. Exakt dieser Effekt wurde auch in neuro- und biowissenschaftlichen Experimenten beobachtet. Damit kann die spezifische Struktur der Ortsfrequenzzerlegung im Sehsystem als das Ergebnis einer effizienten Anpassung an die in natürlichen Bildern vorhandene Statistik zweiter Ordnung gedeutet werden.
Das Prinzip der Angepasstheit sensorischer Systeme an die statistischen Redundanzen der natürlichen Umgebung gilt auch für multisensorische Integrationsmechanismen, wie in mehreren psychophysischen Experimenten mit akustisch-visuellem Stimulusmaterial im zweiten Teil der Arbeit demonstriert wird. Dabei werden Inkrementalschwellen gemessen, die abhängig von der ökologischen Validität konsistent eine deutliche Sensitivitätssteigerung unter redundanten, gleichlautenden Stimulusbedingungen aufweisen und damit auf einen hochselektiven, neuronalen Summationsmechanismus hindeuten. Ein mehrstufiges On/Off-Modell ist in der Lage, die experimentellen Daten zu erklären. Es konnte damit gezeigt werden, dass die modalitätsspezifischen Signale in Raum und Zeit kohärente Stimuluskonfigurationen darstellen müssen, um effektiv integriert zu werden. Diese Versuchsergebnisse liefern ein klares Gegenargument zu der klassischen Idee von grundlegend getrennten, modalitätsspezifischen sensorischen Kanälen, die nur in Form von Bias-Effekten oder auf höherer Entscheidungsebene miteinander interagieren.