An die Mastschweinehaltung werden bezüglich einer umwelt- und tiergerechten Produktion hohe Anforderungen gestellt. Das zunehmend umweltbewußte Denken und die Forderung nach tiergerechten Haltungssystemen sowohl von Seiten der Öffentlichkeit als auch vom Gesetzgeber führen dazu, daß neue zukunftsorientierte Haltungssysteme geschaffen werden müssen, die einerseits ökologische und ethologische Auflagen bzw. Postulierungen erfüllen und die andererseits es den Betrieben ermöglichen, sich im europäischen Wettbewerb zu behaupten. Für eine umwelt- und tiergerechte Mastschweinehaltung gewinnen Haltungssysteme mit Einstreu an praktischer Bedeutung.
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, das Tierverhalten in einem Haltungssystem mit Stroheinstreu unter besonderer Berücksichtigung von Stallklimakenndaten und Stallarbeiten zu analysieren, Wechselwirkungen zwischen dem Tierverhalten und Stallklimaparametern zu erkennen und Produktionsleistungen festzuhalten. Die Daten wurden zur kalten Jahreszeit in einem im Winter geschlossenen Tiefstreustall gewonnen. Die ethologischen Untersuchungen erfolgten mittels Videotechnik. Es wurden eine periodische Gruppenbeobachtung zu 4 Beobachtungsphasen, eine aperiodische Gruppenbeobachtung zu 2 ausgewählten Stallarbeiten (morgendliche Einstreuarbeit und Neuversorgung der Beobachtungsbucht mit einem Strohballen) und eine kontinuierliche Einzeltierbeobachtung (3 Tiere mit unterschiedlichem Gewicht) zu 2 Beobachtungsphasen, die in 4- wöchigem Abstand lagen, durchgeführt. Ziel der Gruppenbeobachtung war es, das Verhalten hinsichtlich eingenommener Körperpositionen und dieser in Bezug zur Raumstruktur festzuhalten, Ziel der Einzeltierbeobachtung war es, zusätzlich Aktivitäten und deren Dauer zu erkennen. Folgende Stallklimaparameter wurden gemessen: Stallufttemperatur im nahen Tierbereich, relative Luftfeuchte im Stall, Mistmatratzentemperaturen. Weiterhin wurde die Außenlufttemperatur aufgenommen. Die Ergebnisse können wie folgt zusammengefasst werden:
• Im Tierverhalten war eine Tagesrhythmik zu erkennen: Das Ethogramm der von der Tiergruppe (42 Tiere) eingenommenen Körperpositionen zeigte einen deutlichen Wechsel zwischen den liegenden und nichtliegenden Körperpositionen. Im wesentlichen konnte nachts eine Hauptliegephase und eine kürzere vormittags registriert werden. Nachmittags war ein hoher Anteil der aufrechten und sitzenden Körperpositionen zu verzeichnen. Die ausgeprägte Tagesrhythmik läßt auf ein diesbezüglich adäquates Haltungssystem schließen.
• Die Temperatur im Stall war stets höher als außen. Vom Stallinneren zur Außenwand zeigte sich ein abfallendes Temperaturprofil Das höhere Niveau der Stallinnentemperatur ergab sich vorwiegend durch die Abstrahlwärme der Tiere und der Mistmatratze. In der Mistmatratze wurde an dem Ort, an dem der Strohballen hineingesetzt wurde, ein heißer Temperaturkern ermittelt. Die relative Luftfeuchte im Stall war im Meßzeitraum Februar größtenteils über dem in der Literatur angegebenen Optimalbereich (60 bis 80 %). Besonders hoch war sie in der letzten Beobachtungsphase (85 bis 97 %).
• Der Verlauf der Stallinnentemperatur zeigte ebenfalls eine Tagesrhythmik. Er wurde beeinflußt durch den Verlauf der Außentemperatur und durch die Bewegungs- und Stoffwechselaktivität der Tiere. Folgende Korrelationskoeffizienten zwischen der Stallinnentemperatur und den Körperpositionen wurden errechnet: zwischen der Temperatur und der Seitenlage ergab sich ein negativer Zusammenhang von -0,47 (signifikant, α=0,01), zwischen der Temperatur und dem Liegen gesamt (Bauchlage und Seitenlage) ebenfalls ein negativer Zusammenhang von -0,47 (signifikant, α=0,01), ein positiver Zusammenhang zeigte sich zwischen der Temperatur und der Bauchlage mit einem Korrelationskoeffizienten von +0,30 (signifikant, α=0,01) und zwischen der Temperatur und aufrechter + sitzender Körperstellung mit einem Korrelationskoeffizienten von +0,46 (signifikant, α=0,01). Die Seitenlage ist die Ruheposition mit der maximalen Entspannung, d.h. die Bewegungsaktivität der Tiere ist gering. Die Bauchlage kann neben dem Ruhen (im Sinne von ruhig liegen und schlafen) mit Bewegungsaktivitäten verbunden sein.
• Während der Stallarbeiten wurden vermehrt die Körperpositionen aufrecht und sitzen eingenommen. Es zeigte sich in der Regel ein Temperaturanstieg. Obwohl alle Seitentore während der Stallarbeit „Hineinsetzen des Strohballens in die Buchten" geöffnet waren und die Außentemperatur niedriger war als die im Stall, zeigte sich im Stall ein leichter Temperaturanstieg.
• Über 4 Beobachtungsphasen (eine Beobachtungsphase entspricht 24,1 Stunden; alle 12,8 Minuten wurden die Körperpositionen festgehalten) waren aus der Gruppe durchschnittlich 48,1 % der Tiere in Seitenlage, 31,4 % in Bauchlage, 15% in aufrechter und 5,5 % in sitzender Stellung. Der Literatur kann entnommen werden, daß die Tiere die Seitenlage einnehmen, sofern es warm genug ist, was bedeutet, daß ausreichend Wärme (durch die Tiere selbst und durch die mikrobiellen Abbauvorgänge in der Mistmatratze) vorhanden war. In der letzten Beobachtungsphase konnten in Verbindung mit einer hohen relativen Luftfeuchte (85 bis 97 %) signifikant (α=0,05) mehr Bauchlagen und weniger Seitenlagen beobachtet werden. Die Bauchlage wird beim Ruhen beibehalten, wenn dem Tier zu kalt oder zu warm oder aus sonstigen Gründen unwohl ist.
• Gesichert war ein raumstrukturbezogenes Tierverhalten zu erkennen. Es konnten auf der Stroh-/Mistmatratze folgende Funktionsbereiche in der Bucht ausfindig gemacht werden: ein Hauptliegebereich, ein Wühlbereich (am Ort des Strohballens), ein Kotplatz. Die durchschnittliche Belegungsdichte war auf der planbefestigten Fläche am höchsten und auf dem konzentrierten Kotplatz am geringsten. Auf der planbefestigten Fläche entstand auf der linken (westlichen) Seite aufgrund der sich dort befindenden Tränken und dem Zugang zum Futterautomaten ein Ballungsraum. Die 4 Preßplätze des Futterautomaten waren im Beobachtungszeitraum weniger als 50 % pro Tag ausgelastet.
• Die Ergebnisse der Einzeltierbeobachtung entsprachen den Literaturangaben bezüglich der Einnahme der Körperpositionen im Laufe des Alters: Mit dem Alter war eine Zunahme der Seitenlage, eine Abnahme der Bauchlage, eine Zunahme des Sitzens und eine Abnahme der aufrechten Körperposition zu beobachten. Mit 10,87 % von der Gesamtaktivität zeigten die Tiere ein ausgeprägtes Erkundungs-/Futtersuchverhalten (Wühlen/Scheinwühlen). Die Dauer des Wühlens nahm mit dem Alter zu, was auch andere Autoren ermittelt haben. Gewichtsabhängige Unterschiede in den Aktivitäten zwischen den 3 Tieren konnten nicht ausfindig gemacht werden.
• Im Vergleich zu den Ergebnissen des LKV (Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e. V.) für Bayern 1994/1995 (656 g tägliche Zunahmen, Futterverwertung 3,0 kg Futter/kg Zunahme, Muskelfleischanteil 58,0 %) waren die Produktionsleistungen der Tiergruppe mit 714 g täglichen Zunahmen bei einer Futterverwertung von 2,77 kg Futter/kg Zunahme gut und der erreichte Muskelfleischanteil mit 55,1 % unterdurchschnittlich.
Das Haltungssystem ist in Bezug auf die Tagesrhythmik der Tiere als tiergerechtes Haltungssystem zu beurteilen. Auch nahmen die Tiere die Möglichkeit wahr, sich ausgiebig mit dem dargebotenen Stroh/Strohballen zu beschäftigen. Allerdings waren die Temperaturen auf der Mistmatratzenoberfläche, also im mikroklimatischen Bereich der Tiere, über 20 °C und damit vor allem für ältere Tiere über dem empfohlenen Temperaturbereich. Besonders unter diesem Aspekt ist zu erwähnen, daß auf der planbefestigten Fläche die höchste Belegungsdichte errechnet wurde. Es sollte daher in Betracht gezogen werden, die planbefestigte Fläche in einem geschlossenen Tiefstreustall zu vergrößern oder Schweineduschen einzusetzen, um den Tieren, und hier vor allem den älteren Tieren, die Möglichkeit zu bieten, ihre Körperwärme abzugeben. Dies ist auch hinsichtlich der vermutlich im Sommer noch höheren Temperaturen wichtig. Probleme bereitete im Winter das Lüftungssystem: die Luftfeuchtigkeit war eindeutig zu hoch. Verbesserungen sind daher erforderlich. Die Ergebnisse lassen den Schluß zu, daß auch ein Offenstallsystem möglich wäre.
In weiteren Arbeiten sollten die im Winter erfolgten Untersuchungen auch im Sommer durchgeführt werden. Positiv wäre, zusätzlich Stallklimaparameter wie Luftgeschwindigkeit, Emissionen und Staubentwicklung mit zu erfassen und Wechselbeziehungen zwischen diesen und dem Tierverhalten zu untersuchen.
«